Halle 4, Straße 13

D, 1995

FilmDokumentation

Videodokumentation von Ronny Tanner

Sogar das unvernünftige Schwein
Zertritt vor es verhungert
Sein geliebtes Ferkel
Und frißt es
Mit zitterndem Rüssel
(Bertolt Brecht, aus: Der Brotladen. Texte aus dem Fragment)

Auf der Bühne des Berliner Ensembles, in denselben Kulissen, die Heiner Müller für die Aufführung seiner eigenen Texte Findling, Duell und Traktor, sowie Brechts Fatzer verwendet hatte, inszenierte Thomas Heise im Oktober 1993 Der Brotladen - Brechts Theaterstück über den Kampf um Brot, Obdach und Arbeit, das vor dem Exil, in den Jahren 1929/30 entstanden war. Das Theater, Brecht und Müller sind wichtige Bezugspunkte für Heises künstlerisches Schaffen: nebst Dokumentarfilmen und Hörspielen arbeitete er seit 1987 als Regiemitarbeiter am Deutschen Theater Berlin sowie dem Berliner Ensemble. Mit Heiner Müller verband Heise eine langjährige persönliche Freundschaft. "Natürlich habe ich seine Texte verschlungen, aber es gab eine Trennung für mich: Hier ist der Text und dort ist die Person (S) Wenn das für mich Folgen hatte, dann die, daß mich seine ungeheure Offenheit beeindruckt hat, seine Geduld, auch unserer Dummheit gegenüber." (im Gespräch mit Peter Laudenbach, Berliner Zeitung)

Im September 1994 inszenierte Thomas Heise dann, gemeinsam mit Laien und Mitarbeitern des BE, Müllers Revolutionsstück Zement in einem stillgelegten Kabelwerk in Berlin-Oberspree. Ronny Tanners rohe, auf Hi8 gedrehte Videodokumentation Halle 4 Straße 13 gibt Einblick in die Produktion dieses "Stückes aus der Produktion": Heise und Ensemble beziehen die Halle, fechten gruppendynamische Duelle aus, diskutieren über Ökonomie und Machthierarchien am Theater und verwandeln das weite, wüste Areal allmähliche in die Bühne für Müllers Spiel über die Sowjet-Revolution und ihren Übergang in den Pragmatismus des industriellen Wiederaufbaus.

Im Gespräch mit der Theaterwissenschafterin Monika Meister (Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Universität Wien) wird Heise über die Arbeit am Theater und dessen Bedeutung in der DDR, über Heiner Müller, Bertolt Brecht und die gegenseitige Durchdringung von Theater und dokumentarischer Praxis sprechen. Im Rahmen des Gesprächs wird auch ein bislang unveröffentlichter "Brotladen"-Videomitschnitt gezeigt.

"Brotladen ist das Spiel des vierten Stands auf schon anders gebrauchter, abschüssiger Bühne, Wiederverwertung da, wo auch Duell und Fatzer spielt und Traktor, die Rutschbahn nach unten. Der Schlitten dazu das Klettergerüst des Kindergartens hinter dem Haus, auf die Grenze zwischen Bühne undZuschauerraum geschleppt, in den hinein ragend, vier Meter über den Köpfen der teuersten Plätze brüllt die Strasse den Vers der Ökonomie.
Skelett eines Panzers zwischen den Fronten im Grabenkampf titanöser Intendanten. Dem Krieg nach außen folgt der gegen sich selbst.

Am Tag der Premiere saß Publikum mit Bierbüchsen rauchend im Parkett, wurde zur Ordnung gerufen, entfernt, würgte hinter der Bühne ein Bühnenmeister mitten in der Vorstellung eine rothaarige Darstellerin: Ihr Türken in unserm Theater. Aus dem disziplinierten Publikum, als alles vorbei war, schwang sich einer auf die Bühne, das Gerüst, das jetzt Gefängnis war für "Freygang", die Heavy Metal-Band, und begann zu turnen. Es ist immer eine Machtfrage."(Thomas Heise)



Quelle: Kinoreal Länge:104 min

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