kurier.at events.at motor.at futurezone.at film.at k.at kurier.tv profil.at lust-auf-oesterreich.at
Filmkritiken
08.11.2010

EIN ZUG AUF SPEED

Der Film nimmt fast von der ersten Sekunde an Tempo auf: Die Wettfahrt gegen den Tod auf den Schienen von Pennsylvania beginnt bei einer Geschwindigkeit von 80 und endet mit 240 km/h.

Als durch menschliches Versagen ein Zug ohne Lokführer davonfährt und immer schneller wird, ist das Chaos perfekt. Die rollende Bombe, randvoll mit hochgiftigen Chemikalien gefüllt, kann vermutlich nur von zwei Zugführern, die gerade auf derselben Strecke wie der 39 Waggons starke Geisterzug unterwegs sind, zum Stillstand gebracht werden.

Die Handlung konzentriert sich fast gänzlich auf den engen Raum im Führerstand einer Lokomotive: knapp fünf Quadratmeter stehen den beiden unfreiwilligen Helden zur Verfügung und daher ist es nur konsequent, wenn anfangs die Chemie zwischen ihnen nicht stimmt. Der im Bahndienst erfahrene Frank Barnes (Denzel Washington) hält nämlich vom jungen Neuling Will Colson (Chris Pine) nicht viel und sieht nur ein Protektionskind in ihm. Mehr als ein netter Zusatzeffekt, um den Dialogen etwas an Schärfe zu verleihen, kommt durch diesen Dreh natürlich nicht heraus, denn die Schwerpunkte sind eindeutig anders gelagert. Unsere ungeteilte Aufmerksamkeit gehört dem tonnenschweren Stahlkoloss auf Schienen, mit dem unsere zwei Hauptpersonen erst auf Konfrontationskurs geraten, um später mit einer Lok im Rückwärtsgang die Verfolgung des Geisterzugs aufzunehmen, weil sie ein waghalsiges Bremsmanöver einleiten wollen.

Das Werk erweckt meist den Anschein eines Echtzeit-Doku-Dramas: Am Ort des Geschehens sind die Medien immer mit dabei und berichten via Liveschaltungen von den diversen Rückschlägen der Mission. In erster Linie entlarvt sich dabei die Führungsspitze der Bahn in ihrer ganzen Unfähigkeit. Beispielsweise trifft der gottoberste Konzernleiter beim Golfspiel die Entscheidung, den Zug vorerst nicht gewaltsam entgleisen zu lassen, da sich die entstehenden Schäden auf die Aktienkurse des Unternehmens negativ auswirken würden. Und so geht es weiter in einer beeindruckenden Pannenserie, durch die ein Katastrophen-Szenario immer wahrscheinlicher wird, weil der Zug nur noch durch dichtbesiedelte Gebiete rast.

Gerade die Nachvollziehbarkeit des folgenschweren Vorfalls erweist sich als besondere Stärke des Films und macht ihn zum glaubwürdigeren Gegenstück von „Speed“. Da die Geschichte angeblich auf einer wahren Begebenheit beruht, werden von den Akteuren keine übermenschlichen Kräfte gefordert, sondern alles spielt sich im Bereich des Machbaren ab. Regisseur Tony Scott setzte kaum digitale Effekte ein und verließ sich auf das Können seiner Stuntleute. Und falls sich Scott eines Tages aus dem Filmgeschäft zurückziehen sollte, hat ihn vermutlich eine Eisenbahngesellschaft abgeworben – immerhin war er qualifiziert genug, eine Flotte von insgesamt acht Lokomotiven und 60 verschiedene Waggons zu befehligen.

Ich vergebe unstoppbare 8,5 Punkte auf meiner 10stelligen Filmgeschwindigkeitsskala.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung