Filmkritiken

"F1 - Der Film"-Kritik: Dicke Wagen, dünne Handlung

Regisseur Joseph Kosinski liebt einfach die Geschwindigkeit und lässt seine Stars daran teilhaben: in "F1 - Der Film" nimmt Brad Pitt zwar nicht im Cockpit eines Kampfbombers Platz, aber zumindest hinter dem Steuer eines Rennwagens. Mach 1 wird er bei Formel 1 sicher nicht erreichen – das blieb seinem Kollege Tom Cruise in "Top Gun: Maverick" vorbehalten –, aber trotzdem viel schneller sein, als es jeder normale Verkehrsteilnehmer ohne erhebliche Magenbeschwerden und Schleudertrauma überstehen würde.

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Ruben Cervantes (Javier Bardem) holt als Chef des eher glücklosen Teams APXGP seinen ehemaligen Rennfahrerkumpel Sonny Hayes (Pitt) zurück. Der stand in den 1990er Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere, bis ein schwerer Unfall für den Abstieg sorgte. Seither hält sich Sonny nur noch als Gelegenheitsrennfahrer über Wasser, doch nun hat er endlich die späte Chance, gemeinsam mit dem Newcomer Joshua Pearce (Damson Idris) groß durchzustarten. Dummerweise kommen die beiden miteinander überhaupt nicht klar.

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Dreh an Originalschauplätzen

F1 hält, was der Titel verspricht: Mindestens zwei Drittel der 155 Filmminuten haben wir Motorengeräusche im Ohr und Bilder von durchdrehenden Reifen, funkensprühenden Karosserien oder waghalsigen Überholmanövern vor Augen, und ein paar spektakuläre Crashs sind selbstverständlich auch dabei. Kein Wunder, dass die Rennszenen hier so realistisch wirken – immerhin wurde an Grand-Prix-Wochenenden auf den echten internationalen Rennstrecken gedreht, und der siebenfache Formel 1-Weltmeister Lewis Hamilton zählt zu den Produzenten.

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Formel 1-Punk

Die restliche Zeit erfahren wir, was es bedeutet, ein Wunder zu vollbringen: Obwohl Sonny in Bezug auf sein Comeback zunächst überaus skeptisch ist und auch keinen großen Teamgeist an den Tag legt, wird er sich von Rennen zu Rennen über alle Hindernisse hinwegsetzen, um schließlich seinen erträumten Wunschzustand zu erreichen und hinter dem Steuer in eine regelrechte Trance zu verfallen. Etwas Spannung abseits des Motorsports wird auch durch eine kleine Intrige erzeugt, doch Sonny ist bestimmt nicht der Mann, der sich für solche Machtkämpfe vereinnahmen lässt.

Bei diesem Rennstall-Märchen, das über mehrere tausend PS verfügt, macht Brad Pitt immer eine gute Figur und kann seinen muskulösen, von Tattoos und Narben gezeichneten Body gar nicht oft genug präsentieren. Sein in die Jahre gekommener Sonny-Boy ist ein Typ voller Eigenheiten, der einen alten VW-Bus als Hauptwohnsitz hat, mit Inbrunst an einem Satz Spielkarten hängt, in aller Früh gerne über die künftige Rennstrecke joggt, aus Aberglauben einen Siegerpokal niemals anfassen würde, bei Interviews eine punkige Attitüde an den Tag legt und sich auch sonst völlig unangepasst gibt. 

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Hahnenkämpfe auf der Rennstrecke

Mit solcher Exzentrik eckt er beim Nachwuchsstar Pearce, der sein Ego ebenfalls gerne vor sich herträgt, zwangsläufig an, und zwischen den beiden entbrennen - sehr zum Nachteil für ein paar Autos - hochtourige Hahnenkämpfe.  Eine Frau in diesem Rennzirkus versucht hier zu vermitteln: Kerry Condon spielt eine Rennwagen-Konstrukteurin, die schließlich ein mehr als professionelles Interesse an Sonny entwickelt. 

Bardem hat hingegen eine eher zurückgenommene Rolle: Sein Ex-Rennfahrer Ruben Cervantes darf sich nicht mehr selbst hinters Steuer setzen, sondern muss immer als Promoter auftreten, anfeuernde Reden halten oder skeptisch den Kopf schütteln, weil er vorübergehend den Glauben an Sonny verliert. Dabei müsste er das gar nicht, denn obwohl man hofft, dass die Handlung vielleicht doch nicht so unvermeidlich glatt in die Zielgerade abbiegt, kommt alles genau so, wie ein modernes Heldenepos aus der Sportwelt offenbar zu sein hat.

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Maverick-Klon

F1-Fans können sich an den spektakulären Rennszenen aus der Ich-Perspektive bestimmt nicht sattsehen, aber man sollte auch die Schwächen des Films nicht verschweigen: Kosinski bedient sich zahlreicher Klischees und hat wirklich nichts dem Zufall überlassen, sondern seine Hauptfigur geradezu auf dem Reißbrett entworfen. Sonny Hayes wirkt durch sein Auftreten und seinen Werdegang wie ein perfekter Klon von Navy-Pilot Pete "Maverick" Mitchell.

Der Titel kommt außerdem definitiv protzig daher und man fragt sich, ob es nach "F1 – Der Film" jemals wieder einen anderen Rennfahrerfilm geben kann.  Aber das ist womöglich unbegründet, denn so ein Zahlen-Titel hat auch einen Vorteil. Theoretisch sind unendlich viele Fortsetzungen denkbar: F2 – F3 – F4…. Da aber Brad Pitt zuletzt davonfährt und einen neuen Job findet, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich dieser Sonny noch einmal am Boliden-Rodeo beteiligen wird (und man darf ihm ein glückliches Rentnerdasein als Oldtimer wünschen).

3 von 5 Reifenwechseln in höchster Eile 

"F1 – Der Film" ist derzeit in unseren Kinos zu sehen. Hier geht's zu den Spielzeiten!