
"Pfau – Bin ich echt?"-Filmkritik: Sinnkrise voll Situationskomik
Von Franco Schedl
Heutzutage ist einfach auf nichts und niemanden mehr Verlass: da lernen wir nach einem Konzert den angeregt über Kunst plaudernden Freund einer Arbeitskollegin kennen, der Chef stellt auf einer Firmenfeier seinen Sohn vor und ein Schulkind schindet mit seinem Pilotenvater vor der ganzen Klasse Eindruck. Und alle drei Mal wurden wir hinters Licht geführt, denn der betreffende Mann ist ein und derselbe, der für eine Agentur namens "My Companion" arbeitet, wo man solche Dienstleistungen in Auftrag geben kann.
Japan als Ideengeber
Diese Ausgangssituation sorgt in "Pfau – Bin ich echt?" für reichlich absurde Szenen und viel Situationskomik. Unter Bernhard Wengers profunder Regie, der hier seinen ersten Langfilm vorlegt, bekommen wir Albrecht Schuch in Bestform (und sehr formbar) geboten. Nachempfunden wurde die Geschichte den in Japan schon länger real existierenden "Rent-A-Friend"-Agenturen, deren Service freilich im Lauf der Zeit immer fragwürdigere - und manchmal ethisch kaum noch vertretbare - Formen angenommen hat.
Ständig wechselnde Alltagsrollen
Was wir hingegen in Wengers Werk zu sehen bekommen, wirkt im Vergleich dazu noch relativ harmlos, aber darum nicht weniger bizarr. Sehr pointiert wird das Konzept auf die Spitze getrieben, indem sich für die Hauptfigur Matthias die Frage stellt, wie man noch eigene Emotionen empfinden kann, wenn man praktisch Tag für Tag in andere Rollen schlüpft. Das liest sich eigentlich, als wäre es die Beschreibung des Schauspielerberufs, doch man sollte die beiden Professionen nicht miteinander verwechseln. Die besagten Agenturen legen sogar Wert darauf, dass keine richtigen Schauspieler:innen bei ihnen tätig sind.
Jede Menge Gaststars
Schuch dominiert hier ganz klar die Szene, ihm stehen aber auch namhafte Gaststars zur Seite – allen voran Julia Franz Richter als genervte Freundin, die mit Matthias' Passivität im Alltagsleben nicht mehr zurande kommt; außerdem hinterlässt Maria Hofstätter in der Rolle einer eigenwilligen Kundin bleibende Eindrücke, und Branko Samarovski spielt einen streitsüchtigen alten Mann, der sein Temperament einfach nicht zügeln kann, und dadurch bei der Hauptfigur einen Wandlungsprozess in Gang setzt. Besonders überraschend ist das Mitwirken von Theresa Frostad Eggesbø, die man vor allem aus der norwegischen Netflix-Serie "Ragnarök" kennt.
Internationales Echo
Wenger erregte bereits durch seinen Kurzfilm "Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin" Aufmerksamkeit und wurde dafür unter anderem 2019 mit einem Österreichischen Filmpreis ausgezeichnet. Sein erster Langfilm ist nun ebenfalls gut unterwegs: Weltpremiere feierte er auf den Filmfestspielen von Venedig, wo er gleich zwei Preise zugesprochen erhielt und von der internationalen Presse meist sehr positiv aufgenommen wurde.
Starkes Debüt
Dieser Film schillert in allen Pfauenfarben: Er ist bunt und unterhaltsam, regt aber bei aller Komik auch zum Nachdenken über aktuelle Tendenzen in unserer Gesellschaft an. Der schwedische Regisseur Ruben Östlund, von dessen Werken zweifellos "The Square" bei Wenger ziemlichen Eindruck hinterlassen hat, würde sich "Pfau – Bin ich echt?" gewiss ebenfalls mit Freude und Gewinn ansehen – und das ist für ein Erstlingswerk ein großes Kompliment.
4 von 5 Pfauen auf Autodächern, die sich weigern, wieder herunterzukommen
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