"Superman"-Filmkritik: Eichhörnchenretter und Punkrocker
Von Franco Schedl
Wie super dieser Mann ist, erkennt man schon daran, dass er immer wieder das Gesicht wechselt. Nur James Bond und Doctor Who kriegen das noch öfter hin. Nach Christopher Reeves und Henry Cavill (und ein paar Kollegen aus der Serienbranche) gibt nun der bisher eher unbekannte David Corenswet ("Pearl", "Twister") seinen heldenhaften Einstand als flugtaugliche Kultfigur.
Gunn lässt Superman abstürzen
James Gunn gestaltet mit "Superman" das DC-Universum neu und präsentiert zugleich den ersten Spielfilm von DC Studios (bis Oktober 2022 lief ja noch alles unter der Marke DC Films). Dieser Einstand fällt richtig bombastisch aber zugleich sehr menschlich aus und Gunn beweist, dass der Marvel-Abschied berechtigt war, weil ihm nicht nur die Guardians of the Galaxy liegen, sondern sein Herz auch dem Mann aus Stahl gehört.
Alles beginnt mit einer Szene, die Superman von einer unerwarteten Seite zeigt: Der Held legt eine Bruchlandung im ewigen Eis der Antarktis hin und liegt in seinem eigenen Blut hilflos da. Zum Glück gibt es den hyperaktiven Superhund Krpyto, der auf Pfiff reagiert, sich ins Cape seines Herrchens verbeißt und den schwer Verletzten blitzschnell in die Festung der Einsamkeit schleppt, wo Roboter-Hilfe wartet. Selbstverständlich wollen wir jetzt wissen, wie es so weit kommen konnte, und der Film hat uns sofort an der Angel.
Superschurke vs. Justice Gang
Wer ist hier wohl der Bösewicht? Da wir uns in der Superman-Welt befinden, müssen wir bloß nach einem haarlosen Mann Ausschau halten und tatsächlich tritt umgehend Nicholas Hoult mit seiner erstklassigen Lex-Luthor-Glatze in Erscheinung. Der Oberfiesling erklärt Superman zum gefährlichen Alien und hat es sich zur Aufgabe gesetzt, ihn endgültig auszuschalten. Welche selbstsüchtigen Motive sich hinter dieser Mission verbergen, wird natürlich im Lauf des Films enthüllt. (Nur so viel sei verraten: es gibt starke politische Verstrickungen.)
Als Luthors Handlanger im Kampf gegen Superman dienen eine mysteriöse maskierte Figur mit Riesenkräften, deren Gesicht erst relativ spät zu sehen ist (Überraschung garantiert!), und eine Frau namens Angela Spica aka. The Engineer (María Gabriela de Faría), die ihren Körper dank Nanotechnik zu jeder beliebigen Form verändern kann.
Aber auch Superman muss sich nicht alleine durchschlagen: Auf seiner Seite steht die sogenannte Justice Gang mit Hawkgirl (Isabela Merced), Mister Terriffic (Edi Gathegi) sowie einem ziemlich unterbelichteten Green Lantern, der aussieht, als hätte sich Robert Palfrader die Rolle geschnappt (in Wahrheit ist es allerdings Nathan Fillion).
Fatale Botschaft der Eltern
Kal-Els aka. Clark Kents Herkunftsgeschichte wird eigentlich als bekannt vorausgesetzt, doch seine leiblichen Eltern spielen trotzdem eine wichtige Rolle – und zwar in Form einer holografischen Botschaft, die bisher noch nicht komplett abgespielt werden konnte. Gerade dieser wiederhergestellte Teil enthält ein paar Sätze, die Superman in eine tiefe Krise stürzen werden. Zum Glück gibt es da auch noch seine bodenständigen Zieheltern aus dem ländlichen Amerika, an deren Gutherzigkeit sich der Geknickte wieder aufrichten kann. Seelische Unterstützung ganz anderer Art erhält er auch von Reporterin Lois Lane (und Rachel Brosnahan harmonisiert mit Corenswet vor der Kamera tatsächlich wunderbar).
Dieser Superman geht erstaunlich oft zu Boden und trägt viele Verletzungen davon – was ja nur allzu gut ins Konzept passt, um seine Menschlichkeit zu unterstreichen; wobei man auf seine übermenschlichen Heilkräfte dann schon wieder neidisch werden könnte. Als er dann Luther zur letzten Konfrontation gegenübersteht, reagiert er auf dessen "Alien"-Hass mit einem Monolog, der beinahe Shakespeare-würdig ist (vermutlich diente auch Shylocks Monolog der Rache aus "Der Kaufmann von Venedig" als Anregung).
Superman rettet alle und jeden
Dabei würde niemand an Supermans Freundlichkeit zweifeln. Für ihn zählt jedes Lebewesen gleich viel, egal, ob es ein Mensch ist, der unter dem Fuß eines Sauriergiganten zerquetscht zu werden droht oder ein Eichhörnchen, das in ähnlicher Gefahr schwebt. Superman rettet sie alle im Vorüberfliegen – und Gunn hat dafür Sorge getragen, dass die Haare seines Helden bei hoher Fluggeschwindigkeit richtig wild flattern. Die restlichen Spezialeffekte sind allerdings noch spektakulärer und wie es sich für einen echten Superman-Film gehört, geht wirklich viel zu Bruch: Hochhäuser stürzen gleich Dominosteinen um, Portale zu dunklen Dimensionen tun sich auf und würdige Gegner teilen Superwatschen aus, die jedem Normalsterblichen sofort den Kopf von den Schultern reißen würde – der Stählerne steckt sowas natürlich leicht weg (aber der Kontakt mit Kryptonit legt ihn dann vorübergehend doch ziemlich lahm).
Alles andere als lahm ist James Gunns Neuinterpretation des DC-Helden. Er lässt Superman mit großer Herzlichkeit endlich wieder in Turbogeschwindigkeit durchstarten und hoffentlich zu etlichen weiteren Abenteuern abheben. Doch die größte Überraschung besteht wohl darin, dass sich der Titelheld als richtiger Punkrocker sieht, auf den selbst Iggy Pop stolz sein müsste.
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