"The Fantastic Four: First Steps"-Kritik: Ein Godzilla-Galactus
Von Franco Schedl
Sind aller guten Dinge womöglich 4? Marvel-Fans werden da sofort zustimmen – immerhin ist die Hoffnung groß, dass es beim vierten Versuch, uns einen Kinofilm mit den Fantastic Four zu bescheren, endlich klappt, der fantastischen Vierergruppe einen würdigen Auftritt zu bieten.
Das neue Quartett besteht aus Pedro Pascal als fantastisch elastischer Reed Richards, Vanessa Kirby als jederzeit in der Unsichtbarkeit verschwindende Sue Storm mit großem Kraftfeld, Joseph Quinn als leicht entflammbarer Johnny Storm und Ebon Moss-Bachrach, der als Benjamin Grimm ein steinernes Profil präsentiert. Sie alle leben in einer Welt, die nicht mit unserer verwechselt werden darf: Earth 828 bietet ein New York, das an die 1960er erinnert, doch zugleich sehr futuristisch wirkt. (Wozu gibt es schließlich das Multiversum im MCU!)
Ein hungriger Galactus und sein weiblicher Surfer
Die ersten Schritte nach ihrer spektakulären Transformation im Weltall könnten zugleich auch sehr schnell ihre letzten sein, da sich ein kosmisches Wesen ausgerechnet diesen Planeten ausgesucht hat, um seinen Hunger zu stillen. Der gottgleiche Galactus besitzt nämlich einen Riesenappetit und verschlingt ganze Sternensysteme zur Hauptmahlzeit. Als Überbringer der bedrohlichen Untergangsnachricht schickt er zunächst seinen Unglücksbote Silver Surfer (Julia Garner) voraus – ja, richtig gelesen: der Surfer ist nun aus unerfindlichen Gründen zur Surferin geworden. Aber das ist leider nicht das größte Problem, denn hier sind noch ganz andere Dinge sehr störend – allen voran die Besetzung.
Zwei Fehlbesetzungen und ein unpassendes Gesicht
Die gute Nachricht: Vanessa Kirby kann als würdige Invisible Woman gelten. Vielleicht hat sie ja diese Rolle ihrem Namen zu verdanken und ihre Wahl ist als Referenz an den großen Jack Kirby zu verstehen. Wie dem auch sei; dass wir sie als Sue Richards erleben können, ist der reinste Glücksfall. Pedro Pascal hingegen kauft man den weltklügsten Ausnahmewissenschaftler einfach nicht ab und es hilft auch nicht gerade, dass er sein Gesicht in letzter Zeit allzu oft in eine Kamera gehalten hat. Wenn er sich wenigstens dazu entschlossen hätte, seinen Schnurrbart zu opfern, wäre sein Anblick als Mister Fantastic vielleicht authentischer geworden.
Joseph Quinn wirkt ebenfalls als Fehlbesetzung: Sein Johnny Storm bezeichnet sich zwar als Womanizer, doch davon ist nichts zu merken. Das einzige - eher seltsame - Love Interest ist für ihn in diesem Film der weibliche Silver Surfer. Und was, bitte schön, hat man sich dabei gedacht, uns einen Ben Grimm zu präsentieren, dessen Gesicht aussieht, als würde es aus einem zurechtgeschnitzten Tannenzapfen bestehen, nebst einer Wangen- und Kinnpartie, die an einen braunen Santa-Clause-Vollbart erinnern? Auch seine Stimme wirkt völlig unpassend: Sie hätte sich viel grollend-grummeliger oder einfach Ding-hafter anhören müssen. (Hier ein paar Hörbeispiele zum Vergleich!)
Fehlendes Privatleben, unpassende Charaktere
Außerdem sind die Figuren völlig eindimensional und scheinen über keinerlei Privatleben zu verfügen. Niemals tritt der erklärte Frauenschwarm Johnny in weiblicher Begleitung auf und bastelt auch nicht, wie man das aus den Comics kennt, als begeisterter Autofan an diversen Modellen herum. Ben hingegen ist zahm und fügsam, lässt sich von Johnny nicht reizen, neigt zu keinen Wutausbrüchen oder Kurzschlusshandlungen und hadert keineswegs mit seinem Schicksal, während für die Comic-Figur die Transformation ins unförmige Thing immer wieder zu Nervenkrisen führt. Es wird höchstens zaghaft angedeutet, dass er sich für eine Lehrerin interessiert, obwohl doch traditionellerweise die blinde Künstlerin Alicia seine unverzichtbare Lebensgefährtin ist. Ben Grimm ist somit von einem Ding, das zwar nicht den hellsten Kopf, aber dafür die stärksten Arme besitzt, sehr weit entfernt.
Fantastic Four als Überfamilie
Die wichtigste Rolle spielt hier tatsächlich ein Kind und es liegt indirekt an diesem Baby, die Welt zu retten. Die Geschlechtsumwandlung des Silver Surfers ist vermutlich auch dieser Thematik geschuldet, denn sobald er als ehemalige Mutter auftritt, soll es für uns wohl nachvollziehbarer werden, weshalb sich der Galactus-Bote dann doch noch auf die Seite der Menschen stellt.
Die Fantastic Four können gar nicht oft genug betonen, dass sie eine Familie sind und halten obendrein auch alle Mitmenschen für ihre Kinder. Das wird vor allem in einer Situation deutlich, als die Stadtbewohner aus einem bestimmten Grund nicht gut auf das Quintett zu sprechen sind. Sue tritt daraufhin wie eine Übermutter mitten unter die Protestierenden und hält eine kleine Ansprache – sofort sind die Wogen geglättet und alle stehen bedingungslos auf ihrer Seite.
Kein einziger Widerspruch ist zu hören, obwohl es sich buchstäblich um eine Frage von Leben oder Tod handelt. Ja, mehr sogar: die Vier können nun einen Plan durchziehen, dessen Gelingen vom Mitwirken der gesamten Weltbevölkerung abhängt. Wir müssen uns wirklich in einer Parallelwelt befinden, denn dass Menschen so einheitlicher Meinung sein können, ist mehr als erstaunlich.
Gelungener Galactus als Godzilla
Die größte Stärke von Regisseur Matt Shakman liegt im Kreieren umwerfender Settings. Die liebevolle Ausgestaltung des New York von Earth 828 mit seinem1960er-Charme und unzählige Referenzen auf die langjährige Comic-Geschichte der Vier machen den Film dann doch immer wieder zu einem richtigen Vergnügen. Ein paar Szenen sind besonders gelungen: Vor allem, wenn Galactus zu Godzilla wird. Da steigt er im alternativen Manhattan aus dem Meer und muss sich an abbröckelnden Hochhäusern abstützen, bevor er mit seinen Riesenschritten alles niederwalzt. Auch die Flugperspektive aus dem Fantasti-Car ist aufregend umgesetzt und bei den Senkrechtstarts der Human Torch wäre ein häufigerer Wechsel in die Ich-Perspektive nicht verkehrt gewesen.
Die Fantastic Four sind somit endlich im MCU angekommen, aber man hätte sich einen würdigeren Einstand gewünscht. Bereits der Trailer hat gezeigt, dass die Besetzung der neuen Vier nicht unproblematisch ist. Die Hoffnung, dass man sich nach ein paar Kinominuten an die Gesichter gewöhnt hat, ist - zumindest bei mir - leider nicht in Erfüllung gegangen und ich hatte knappe zwei Stunden lang den Eindruck, im falschen Fantastic-Four-Film zu sitzen. Es ist wie verhext: Weshalb kriegt Marvel diese Figuren für eine Filmversion einfach nicht passend hin? Nun könnten wir uns zwar mit der Hoffnung vertrösten: Aller guten Dinge sind 5 – doch sobald die 4 dann in "Avengers: Doomsday" wiederkehren, sind ja noch immer dieselben 3 Unpassenden mit dabei.
3 von 5 aus Tannenzapfen zurechtgeschnitzten Enttäuschungspunkten
"The Fantastic Four: First Steps" ist derzeit in unseren Kinos zu sehen. Hier geht's zu den Spielzeiten!