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© Bild: Disney
News
07.06.2021

Queer Coding: Warum haben Disney-Böswichte oft "typisch queere" Eigenschaften?

Disney-Bösewichte wie Scar, Jafar oder die Seehexe Ursula bedienen den negativen Stereotyp schwuler Männer.

Was haben Scar aus "Der König der Löwen", Jafar aus "Aladdin" und die böse Seehexe Ursula aus "Arielle, die Meerjungfrau" gemeinsam? Zunächst mal sind sie allesamt gefürchtete Bösewichte aus den vielleicht beliebtesten Disney-Trickfilmen unserer Kindheit – und haben damit einer ganzen Generation vorgezeigt, welche Art von Auftreten als negativ, bösartig und nicht wünschenswert einzustufen ist. 

Weil man mit erwachsenen Augen aber immer alles anders sieht, merkt man rückblickend betrachtet, dass ebendieses Auftreten – ihre Erscheinung, ihre Gestik, ihre Stimmen – vor allem einem negativen Stereotyp schwuler Männer entsprach.

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Während Mufasa in "Der König der Löwen" als kerniger Macker mit tiefer Stimme porträtiert wird, vermittelt sein böser Bruder Scar ein anderes Bild: Sein Körper ist schlank, seine dunklen Augen wirken fast geschminkt, er gestikuliert melodramatisch mit seinen Handgelenken und seine Stimme klingt deutlich höher und weiblicher als die von Mufasa. Alles Attribute, die ihn wohl irgendwie entmännlichen und damit zu einem wandelnden schwulen Stereotyp machen sollen.

Auch Aladdins Gegenspieler Jafar wird dem Publikum auf ähnliche Art und Weise präsentiert. Und Arielles Widersacherin Ursula? Die soll überhaupt der legendären Dragqueen Divine nachempfunden sein, obwohl das nie offiziell bestätigt wurde. Was hier passiert ist, nennt sich im Internet Queer Coding.

Queer Coding beschreibt eine Handlung, bei der fiktiven Figuren bestimmte Verhaltensweisen und Charakterzüge verliehen werden, die andeuten, dass sie nicht heterosexuell oder cis-gender sind, ohne das jedoch explizit auszusprechen. Disney hat seine Bösewichte in vielen Filmen mit Queerness als entscheidender Eigenschaft ausgestattet und damit das Bild vieler Kinder davon geprägt, was als böse oder unmoralisch betrachtet wird.

Dass es sich dabei nicht um ein reines Disney-Problem handelt, kommt wenig überraschend. Wir denken dabei etwa an die Schurkenbande Team Rocket aus "Pokémon", deren Mitglied James stets als verweiblicht und flamboyant präsentiert wurde. Und wir denken an ziemlich viele Darstellungen des Teufels, von "South Park" bis hin zu den "Powerpuff Girls", wo der Antichrist entweder als Crossdresser in Stöckelschuhen oder direkt als fester Freund von Saddam Hussein gezeigt wird.

Die Doku "Do I Sound Gay?" von Regisseur David Thorpe befasst mit dem Phänomen der "schwulen Stimme" und analysiert dabei auch Stimmen von Figuren wie Scar oder Jafar. Thorpe gab im Interview mit "TIME" an, er habe den 2012 erschienenen Film "Ralph reichts" gesehen und dabei bemerkt, dass der Bösewicht King Candy in all seiner Ziererei und seiner Vorliebe für Rosa ziemlich queer wirkt – an einem Punkt wird er vom Protagonisten sogar "Nelly Wafer" gerufen, ein Schimpfwort gegen schwule Männer. Geschichten bräuchten nunmal Bösewichte und für lange Zeit sei der verweichlichte, einem schwulen Stereotyp entsprechende Mann eben der Inbegriff des Bösen gewesen, so Thorpe.

Und während es Disney bislang noch nicht geschafft hat, eine Figur queer darzustellen, ohne sie zum Schurken zu machen, existieren in der Zeichentrick-Welt heutzutage auch positive konnotierte queere Darstellungen, wie der Autor Philipp Tingler in der "Basler Zeitung" anmerkt: "Fröhlichkeit, Lebensbejahung, Hang zu Spiel und Kreativität, Freude an der Schönheit der Welt. Individualistisch, authentisch, ungekünstelt und frei. Das Gute. Trägt Tennissocken. Spongebob."

Als bekannt wurde, dass Scar in der kommenden Live-Action-Verfilmung von "Der König der Löwen" einen eher zerzausten Look und weniger Affektiertheit aufweisen wird, also mit dem Original-Film nicht viel zu tun hat, waren Fans erst mal erbost über die fehlende Ähnlichkeit zum Cartoon-Charakter. Dass diese Veränderung des Schurken aber eben auch weg von dem negativ behafteten Stereotyp eines schwulen Mannes geht, ist eigentlich eine positive Entwicklung. Die nächste Generation wird dann hoffentlich nicht mehr lernen, dass Queerness mit Boshaftigkeit gleichzusetzen ist.