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© Bild: CBS TV Distributions
Serien-Review
23.03.2020

"Star Trek: Picard": Die Rückkehr des Trekkie-Idealismus

Serien-Review: Nicht sehr originell, aber sehr solide und mit hoher Trekkie-Nostalgie geht es dem Showdown entgegen.

Das Finale der ersten Staffel von "Star Trek: Picard" beginnt mit der Doppelfolge "Et in Arcadia Ego, Teil 1". Der Titel passt gut zur aufklärerischen Tradition der Sci-Fi-Serie, die schon immer Referenzen aus Kunst und Kultur in die Handlung eingebaut hat. Es ist eine lateinische Redewendung und bezieht sich wohl auch auf ein gleichnamiges Gemälde von Nicolas Poussin. Im Wesentlichen ist darin ein Bezug auf die Unvermeidlichkeit des Todes versteckt. Tatsächlich spitzt sich der Showdown zu einer Entscheidung über Leben oder Tod für Soji und ihresgleichen zu. Für Fans der alten "The Next Generation"-Serie hält diese Episode einige Déjà-vus bereit. Die nicht gerade überraschende Wendung ist zwar kein Meilenstein der Originalität, sorgt dafür aber für "Star Trek"-Nostalgie auf höchstem Niveau.

Aber bevor wir in die finale Doppelfolge starten: SPOILER-ALARM! Wer die neue Episode von "Star Trek: Picard" noch nicht gesehen hat, sollte an dieser Stelle unverzüglich die Schutzschilde hochfahren.

 

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Zuhause angekommen

Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) hat es geschafft: Er hat Soji (Isa Briones) nach Hause gebracht. Durch eine Art Hyperraum-Kanal ist die La Sirena beim Heimatplaneten der Androiden angekommen: Ghulion-System, vierter Planet. 25 Lichtjahre in 15 Minuten. Das ist sogar für Picard ein Rekord. Warum es diese Technologie bisher im "Star Trek"-Universum nicht gab und Soji sie schnell einmal mit einem durchschnittlichen Raumschiff einsetzen kann, wollen wir gar nicht hinterfragen. Hauptsache wir sind endlich angekommen, beim Planeten mit den zwei roten Monden namens Coppelius.

Dank der Reise im Highspeed-Modus hat die La Sirena einen Vorsprung. Zumindest sind zunächst keine anderen Schiffe im Orbit des Planeten zu entdecken. Doch das ändert sich rasch. Zuerst taucht Narek wieder auf. Warum der Hipster-Romulaner gerade jetzt aus der Deckung kommt und die La Sirena angreift, ist zwar nicht ganz nachvollziehbar – sorgt aber für eine ansehnliche Weltraumschlacht. Das ist wohl auch der einzige Grund. Dann taucht auch noch der Borg-Kubus auf. Offensichtlich kursieren schon Reiseführer zum Planeten der Androiden im gesamten Quadranten? Auch dieser Auftritt beschert uns einen (zumindest visuell) spektakulären Moment.

Ob die Borg noch eine größere Rolle spielen werden, erfahren wir aber erst im Finale. Denn sowohl der Kubus als auch Narek und die La Sirena werden von gigantischen "Weltraum-Orchideen" (man muss es selbst gesehen haben!) vom Himmel geholt und stürzen auf den Planeten. Wie wir später erfahren, handelt es sich dabei um Abwehrsysteme, von denen aber nur eine beschränkte Anzahl vorhanden ist. Der Auftakt dieser finalen Doppelfolge spart jedenfalls nicht mit visuell beeindruckenden Weltraumszenen.

 

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Seven und Elnor in der Sidekick-Rolle

Auf dem Planeten gibt es ein Wiedersehen mit Seven (Jeri Ryan) und Elnor (Evan Evagora). Wozu? Nur um sich gleich wieder zu verabschieden. Beide bleiben beim Kubus, um ihn wieder flott zu machen. Die zwei Charaktere dienen bisher nur als Sidekicks. Bei Seven ist das aus Nostalgiegründen durchaus nachvollziehbar. Bei Elnor fragen wir uns schon länger, wozu der durchaus interessante Charakter überhaupt in einer ganzen Episode eingeführt wurde, nur um dann kaum eingesetzt zu werden. Vielleicht gibt es ja im Finale noch eine Möglichkeit für Elnor, zu glänzen?

Das Dorf der Androiden

Picard, Soji und die Crew der La Sirena machen sich zu Fuß auf den Weg zur Siedlung der Androiden. Dort treffen sie nicht nur auf mehrere synthetische Lebensformen wie Soji, die immer als Zwillingspaare auftreten, sondern auch auf Dr. Altan Inigo Soong (Brent Spiner). Der Sohn von Data-Schöpfer Noonian Soong sieht wie sein Vater und damit auch wie Data aus – nur etwas in die Jahre gekommen. Er hat gemeinsam mit Bruce Maddox die perfekten Androiden aus den Überresten von Data geschaffen und sie offenbar noch menschlicher gemacht. Denn während Soji vollkommen menschlich erscheint, erinnern manche Androiden mit ihrer goldenen Haut und den gelben Augen an das Erscheinungsbild von Data.

Eine davon ist Sutra, die abgesehen von der goldenen Haut wie Soji aussieht. Sie ist der Zwilling von Jana, die von Captain Alonzo Vandemeer vor neun Jahren getötet wurde, wie wir in der letzten Episode erfahren haben. Das erzeugt zwar ein kleines Plot-Hole, denn Rios hat in keiner Weise erwähnt, dass Jana anders ausgesehen hat. Vielmehr hat er durch seine Reaktion den Eindruck erweckt, dass Jana exakt genauso ausgesehen hat wie Soji. Dass er diesen kleinen, aber nicht unwesentlichen Unterschied unterschlagen hat, ist mehr als unwahrscheinlich.

Die Autoren von "Star Trek: Picard" nehmen solche Logikfehler und Unstimmigkeiten immer wieder in Kauf, um ihre Plots zu bauen. Das ist ein Makel, der "Star Trek: Picard" von wirklich erstklassigen Serien unterscheidet.

 

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Keine Mahnung, sondern eine Botschaft

Picard warnt das Dorf der Androiden vor der bevorstehenden Attacke durch die Romulaner. Inzwischen wissen wir, dass 218 Warbirds auf dem Weg sind, um die Androiden zu vernichten. Daraufhin praktiziert Sutra eine Gedankenverschmelzung mit Agnes. Wer sich nun die Frage stellt, wie das möglich ist: Sie hat es sich beim Studium vulkanischer Kultur selbst beigebracht. Ja, so einfach ist das. Man kann sich das Telepath-Sein also selbst beibringen. Oder Androiden haben generell das Zeug zum Gedankenlesen. Vielleicht haben die Zhat Vash doch nicht ganz Unrecht? Bei dieser Gelegenheit wollen wir noch einmal darauf verweisen, dass die "Star Trek"-Autoren unter Franchise-Chef Alex Kurtzman nicht immer alles bis zu Ende denken, wenn sie ihre Plots entwickeln.

Sutra erkennt, dass die "Mahnung" keine Warnung für organische Lebensformen ist, sondern eine Botschaft für künstliche Lebensformen. Irgendwo scheint es eine überlegene KI zu geben, die zu Hilfe eilt, wenn künstliches Leben durch herkömmliche Lebensformen bedroht wird. Doch das Angebot geht weit über diese Unterstützung hinaus. Es beinhaltet auch die Option, alle organischen Lebensformen ein für allemal auszulöschen. Die Zhat Vash hätten die "Mahnung" lieber zerstören sollen.

Einmal mehr zeigt sich, dass gegenseitige Bedrohung zu einer Spirale der Aggression und Gewalt führt. Denn Sutra ist nun der Meinung, dass diese überlegene KI die einzige Rettung darstellt. Picard appelliert hingegen an die Androiden mit der La Sirena in Richtung DS12 zu fliehen, wo er auf Schutz durch die Sternenflotte hofft. Er will Copellius sogar als Planet einer neuen Lebensform in die Föderation aufnehmen. Sutra lässt daraufhin den gefangengenommenen Narek entkommen und nimmt dafür sogar den Tod der Androidin Saga in Kauf, wobei unklar ist, ob sie von Narek oder von Sutra attackiert wurde.

Den tragischen Vorfall nutzt Sutra dazu, um die Androiden gegen Picard aufzustacheln. Nun ist auch Soji auf ihrer Seite. Sutra ist drauf und dran die Prophezeiung der Zhat Vash zu erfüllen und zur Zerstörerin zu werden. Picard und seine Crew wird unter Arrest gestellt. Nur Agnes Jurati stellt sich auf die Seite der Androiden.

 

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Zurück zum alten "Star Trek"-Idealismus

Der erste Teil der finalen Doppelfolge "Et in Arcadia Ego" ist ein solider Aufbau des Showdowns im Staffelfinale, der vertraute Muster aufgreift und daher bei vielen Fans wohl für "Star Trek"-Nostalgie sorgen wird. Wirklich originell ist aber weder diese Episode noch die gesamte Serie. Viele Logikfehler sorgen für Kopfschütteln, etwa die Sache mit der Gedankenverschmelzung. Aber immerhin ist "Star Trek: Picard" am Schluss doch noch in eine idealistische Richtung abgebogen. Jean-Luc Picard steht für die Werte der Föderation und der Sternenflotte und es bleibt zu hoffen, dass die Utopie von einer besseren Zukunft trotz immer wieder düsterer Zeiten intakt bleibt. Schon alleine dafür werden echte Trekkies die neue Serie lieben.