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Emilio Sakraya spielt Xatar in "Rheingold"

© Bild: 2021 Warner Bros. Ent. / Gordon Timpen
Filmkritiken
28.10.2022

"Rheingold"-Kritik: Die Wahrheit schweigt, wenn das Geld spricht

Mit "Rheingold" verfilmte Fatih Akin das turbulente Leben des Rappers Xatar. In der Hauptrolle: Emilio Sakraya.

Schon bei seiner Geburt in einer Höhle im iranischen Gebirge ist klar, dass Giwar Hajabi kein gewöhnliches Leben vor sich haben wird. Geboren als Sohn einer Lehrerin und eines Komponisten, die im kurdischen Widerstand aktiv sind, ist seine erste Erinnerung an sein Leben das Gefängnis, in dem seine Eltern gefoltert werden. Nachdem die Familie nach Deutschland flüchtet, scheint zunächst alles perfekt, doch als der Vater die Familie verlässt, lässt Giwar seine musikalischen Ambitionen fallen und schlägt eine kriminelle Laufbahn ein.

Als Dorgendealer macht er sich einen Namen auf den Straßen Bonns, doch als auch die Polizei von seinen Machenschaften Wind bekommt, flüchtet er in die Niederlande, um dort ein Musikmanagement-Studium zu absolvieren. Giwar ist jedoch alles andere als ein klassischer Student und baut auch im Exil seine Kontakte zur Unterwelt aus. Als er schließlich zurück nach Deutschland darf, geht ein Geschäft in die Brüche. Um seine Schulden zu begleichen plant er einen Überfall auf einen Goldtransporter. Ein Coup, der ihn auf die deutschen Titelseiten bringt, ihn zu einer Berühmtheit im Deutschrap macht und später sein Albumtitel wird.

Emilio Sakraya machte eine körperliche Transformation für die Rolle durch.

© Bild: 2021 Warner Bros. Ent. / Gordon Timpen
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Wer ist Xatar?

"Rheingold" basiert auf der Autobiografie "Alles oder Nix: Bei uns sagt man, die Welt gehört dir" des Rappers und Produzenten Giwar Hajabi, der vor allem unter seinem Künstlernamen Xatar bekannt ist. Der deutsche Regie-Star Fatih Akin widmete sich dem ereignisreichen Leben des Musikers und kreierte einen facettenreichen Gangster-Film, der spannend und humorvoll zugleich ist. Die Handlung umspannt mehrere Jahrzehnte, fünf Länder und beinhaltet zahlreiche Nebenfiguren, doch trotz dieser Mammutaufgabe gelingt Akin eine strukturierte Erzählweise, die mit etlichen visuellen Kniffen gespickt ist.

Slow Motion, Freeze Frames, schnelle Montagen und reichlich Musik lassen Herzen von Gangster-Film-Fans höher schlagen. Akin arbeitet dabei sehr stark mit Kontrasten. Der Spannungsaufbau zu einer der wichtigsten Szenen im Film wird nicht mit atmosphärisch eingeleuchteten Bildern eingeläutet, sondern durch eine wackelige Mini-Kamera erzählt, mit der sich die Protagonisten selber filmen. Originalität, die man sich öfters im deutschen Kino wünscht.

Xatar wurde 2011 wegen schweren Raubs zu acht Jahren Haft verurteilt.

© Bild: 2021 Warner Bros. Ent. / Gordon Timpen

Emilio Sakraya im Gangster-Look

Die Hauptrolle wird vom 26-jährigen Emilio Sakraya gespielt, der in Deutschland als neuer Schauspiel-Star gehandelt wird. Es ist nicht der erste Auftritt von Sakraya in einem Rapper-Biopic, 2010 verkörperte er Bushido als Kind in "Zeiten ändern dich". Sakraya liefert eine starke Leistung ab und wirkt trotz der großen optischen Unterschiede zum echten Xatar glaubwürdig.

Eine große Qualität von "Rheingold" sind die genauen Beobachtungen, die auf Xatars Biografie beruhen und dadurch eine große Authentizität erzeugen, dennoch ist der Film ein zweischneidiges Schwert. Einerseits legt Akin eine handwerklich einwandfreie Arbeit hin und andererseits stellt sich die Frage nach der moralischen Haltung des Films.

Xatar trifft auf seine spätere Kollegin Schwester Ewa.

© Bild: 2021 Warner Bros. Ent. / Gordon Timpen

Macho-Film

Xatar wird im Film nämlich als schillernder Held porträtiert. "Rheingold" ist ein Vehikel für Männerphantasien, in denen unliebsame Konkurrenten brutal niedergeprügelt werden, man mit kriminellen Machenschaften viel Geld verdient und schließlich dadurch auch zum Frauenhelden avanciert. Akin nährt diese brutalen und naiven Erwartungen, in dem er seine Hauptfigur mystifiziert und dadurch dessen kriminellen Weg als durchaus erstrebenswertes Lebenskonzept darstellt.

Das ist jedoch nicht nur ein Problem, mit dem Akin, sondern das gesamte Gangster-Film-Genre zu kämpfen hat. Es stellt sich die Frage, wie sehr man mit einer poppigen Erzählung einer Person gerecht wird, die für derart viel Gewalt und Unterdrückung verantwortlich war?

Selbstinszenierung wird hier ganz groß geschrieben und dabei bedient man sich unterschiedlichen Erzählungen, die das eigene Leben noch imposanter erscheinen lassen sollen als es ist. Akin setzt dabei auf die titelgebende Wagner-Oper und Xatar lehnt den Titel seiner Autobiografie an den französischen Gangster-Film-Klassiker "La Haine" an. Bei all der Glorifizierung werden jedoch die Abgründe und unglamourösen Aspekte einer kriminellen Laufbahn ausgespart. Einsame Nächte, das Zerbrechen von Freundschaften sowie die Ablehnung durch Geliebte finden keinen Platz, weil sie nicht in diese als wahre Begebenheit vermarktete Welt passen.

Die Wahrheit schweigt, wenn das Para passt

Kurz nach seiner Haftentlassung veröffentlichte Xatar das Lied "Iz da" in dem er sagt: "An all die überintelligenten, rechtskonformen Zeitgenossen da draußen: Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, was Sache ist, doch die Wahrheit schweigt, wenn das Para [Geld; Anm.] spricht."

Eine Feststellung, die auch sehr gut auf diesen von Warner Bros. mitproduzierten Film zutrifft.

 "Rheingold" ist aktuell in den Kinos zu sehen. Hier geht’s zu den Spielzeiten.