AALE AUS DEM WASSERHAHN

Es scheint nur allzu logisch, dass Michel Gondry ursprünglich Erfinder hatte werden wollen, bevor er sich dem Film zuwandte. Wie ein Daniel Düsentrieb des Kinos bastelt er seine handgemachten Bilder jenseits der digitalen Wunderwelten. Man sieht ihn förmlich vor sich, wie er aus Plastilin kicherndes Essen knetet und der krabbelnden Türglocke kleine Füße anschraubt. Gondrys Welt wirkt völlig analog – und nicht nur, weil sie von der französischen Nachkriegszeit erzählt. Frankreichs Filmexzentriker („The Science of Sleep“) ergötzt sich an der Mechanik der Dinge und haucht noch den gewöhnlichsten Alltagsgegenständen (Salzstreuer! Tischbeine!) lustiges Leben ein. Ein Paar Schuhe läuft diensteifrig vor seinem Besitzer her, und eine Krawatte wird in den Hals genagelt. Aus dem Wasserhahn schlängeln sich schwarze Aale, und das Klavier kann, wenn man es gründlich spielt, Eier zerschlagen und Cocktails mixen. Gondrys visueller Einfallsreichtum scheint schier unerschöpflich.

Streckenweise fast wortgetreu floss Boris Vians surreal-poetisches Nachkriegskultbuch „Der Schaum der Tage“ von 1946 in die bunt-verspielte Slapstick-Verfilmung ein. Zu Vians Lebzeiten noch wenig beachtet, wurden seit den 60er- und 70er-Jahren ganze Generationen von der bittersüßen Liebesgeschichte erschüttert. „Der Schaum der Tage“ erzählt vom Zerfall einer großen Liebe und gilt als französisches Nationalheiligtum.

Als romantisches Zugpferd – und womöglich mit Blick auf ihren Marktwert – spannte der Regisseur Kindfrau-Star Audrey Tautou vor den Karren des Bizarren. Sie spielt Chloé, die einen vermögenden jungen Mann namens Colin zu dem Satz „Ich bestehe darauf, mich zu verlieben“ inspiriert.

Wer verliebt ist, muss tanzen. Und wer tanzt, dem werden Beine gemacht.

Wie den Tänzern dann tatsächlich lange Stoffbeine wachsen, auf denen sie zu einem knieweichen Twist im Schneckentempo ansetzen, zählt mit zu den witzigsten Einfällen des gesamten Films.

Kurz darauf wird geheiratet und das Paar schwimmt selig aus der Kirche. Leider aber schluckt Chloé bereits in den Flitterwochen eine Flocke, die sich als Seerose in ihrer Lunge festsetzt. Sie wird krank und kränker – und die quietschbunten Farben des gemeinsamen Liebesglücks beginnen zu verblassen. Gondry tritt höchstpersönlich als verrückter Professor auf und verschreibt der armen Siechenden teure Pillen. Colin muss das Tagträumen aufgeben und schwere Arbeiten annehmen.

Was gerade noch als leichtfüßiges Kinderspiel dahertänzelte, schlägt in herzzerreißenden Horror um. Die private Welt zerstört sich. Die Räume des Paares werden enger und wachsen buchstäblich zu. Und am Ende ist jede Farbe aus den Bildern gewichen, die nun Trauer tragen – in Schwarz-Weiß.