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© Walt Disney Company

Filmkritik

"Werk ohne Autor": Die Kunst, „Ich“ zu sagen

Florian Henkel von Donnersmark erzählt eine Geschichte von epischen Dimensionen über die Wechselwirkung zwischen Kunst und Leben.

von

Franco Schedl
Franco Schedl

10/03/2018, 08:39 AM

Acht Jahre nach seinem letzten Film („The Tourist“) kehrt Florian Henkel von Donnersmark mit einem neuen Werk ins Kino zurück. Dabei beweist er große Ambitionen und einen langen Atem als Erzähler: in 188 Minuten berichtet er über die künstlerische Selbstfindung eines Malers, dessen Kindheit und Jugend in die dunkelsten Jahre des 20. Jahrhunderts fallen. Wir verfolgen seinen Lebensweg über drei Jahrzehnte und zwei Diktaturen hinweg. Für das Drehbuch hat sich von Donnersmark durch die Biografie des Malers Gerhard Richter lose inspirieren lassen – bloß heißt die Hauptfigur hier Kurt Barnert (gespielt von Tom Schilling, der offenbar die ewige Jugend gepachtet hat).

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Kunstauffassungen in Diktaturen

An der Hand seiner jungen Tante besucht der kleine Kurt 1937 in Dresden die Ausstellung über ‚Entartete Kunst‘ und der stramme Nazi, unter dessen erklärenden Worten sie das Museum durchqueren, meint vor den Bildern Wassily Kandinskys zu dem Kind: „Das könntest du doch auch. Wenn du einmal ein Maler wirst, machst du es sicher besser.“ Jahre später wird der Kunststudent in der DDR von einem Professor ähnlich abwertende Worte über die moderne Malerei hören, bloß ist die Ablehnung jetzt etwas anders motiviert: im Sozialismus darf der Künstler nicht am eigenen ICH haften bleiben, sondern muss sein Wirken in den Dienst fürs Volk stellen. Entsprechend verlogen-pathetische Einheitskunst liefert Kurt im Auftrag der Partei dann ab. Wiederum ein paar Jahre später ist Kurt mit seiner Frau knapp vor dem Mauerbau in den Westen geflohen und erlebt an der Düsseldorfer Kunstakademie, wie sich die Studenten mit gewollter und oft ziemlich verkrampfter Originalität zu behaupten versuchen, bevor ihm selber mit einer ganz speziellen Maltechnik (eine Art unscharfer Fotorealismus) der Durchbruch gelingt. Das Filmplakat ist übrigens im Stil dieser Bilder gehalten.

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Kunst-Aktionismus

Die schillerndste Figur verkörpert zweifellos ein großartiger Oliver Masucci (der zurückgekehrte Hitler aus „Er ist wieder da“). Er spielt einen Kunstprofessor, der zwar nicht Joseph Beuys heißt, aber eindeutig an den berühmten Aktionskünstler erinnern soll. In einer geradezu überwältigenden Szene verrät er seinem Lieblingsschüler Kurt, warum ihn die Arbeit mit Filz und Fett so glücklich macht und lüftet als besondere Gunstbezeugung zum Abschied sogar seinen Hut, den er sonst, aus guten Gründen, niemals abnimmt.

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Parallel-Montagen

Das wäre eine Ebene – die der Kunst. Zugleich erzählt der Film aber auch die Geschichte des Arztes Seeband (Sebastian Koch), der als überzeugter Nationalsozialist tief in das mörderische System verstrickt ist, weshalb sich nach Kriegsende die russischen Besatzer für ihn besonders interessieren. Sein Schicksal ist mit dem des jungen Künstlers und dessen Familie aufs engest verbunden, wie uns allmählich bewusst wird. Kurts Vater ist das genaue Gegenteil des menschenverachtenden Professors: er hat durch seine lange Weigerung, der NSDAP beizutreten, seine Karriere als Lehrer zerstört und als er schließlich doch ein Parteimitglied geworden ist, fällt ihm das nach Kriegsende auf den Kopf, weil er dann aus diesem Grund ebenfalls keine angemessene Arbeit mehr erhält und tragisch endet. Seeband hingegen laviert sich perfekt angepasst durch alle Notsituationen hindurch und bleibt immer obenauf, egal ob Nazis, Russen, DDR-Funktionäre oder westliche Demokraten gerade das Sagen haben.  Überhaupt verwendet Donnersmark gerne das Stilmittel der Parallelmontage, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede seiner Hauptfiguren herauszustellen: so sehen wir Kurt und seine Geliebte (Paula Beer) bei einem innigen Liebesakt, während Seeband den Geschlechtsverkehr mit seiner Frau wie eine Kampfhandlung erscheinen lässt. Immerhin wird es Kurt später durch eines seiner Kunstwerke gelingen, dem Arzt, der zugleich sein Schwiegervater ist, auf subtile, wenn auch ungewollte Weise einen empfindlichen Dämpfer zu versetzen.

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Breitenwirksam

Kurt sagt ganz laut „Ich“ in seiner Kunst, doch das erfährt niemand, denn die zutiefst persönlichen Hintergründe verleugnet er im Gespräch mit der Presse: und so erfüllt er paradoxerweise doch die Anforderungen des Sozialismus, allgemeinverständlich und breitenwirksam zu sein. Forderungen, die übrigens Henkel von Donnersmark in seinem Film ebenfalls beherzigt. Er schreckt dabei auch vor plakativen Szenen nicht zurück, die mitunter eher fragwürdig erscheinen. So zeigt er, während der Bombenhagel auf Dresden niedergeht, wie scheinbar gleichzeitig Kurts Tante ein Opfer der Euthanasie wird und zwei andere Verwandte als Soldaten an der Front fallen. Vermutlich möchte der Regisseur dadurch den unpersönlichen Tod der Massen mit zutiefst persönlichen Verlusten konfrontieren. Die Spannung zwischen allgemeinen Schicksalen und dem der Einzelpersonen wird – ähnlich wie der zwischen Kunst und Leben – in „Werk ohne Autor“ fast durchgängig aufrechterhalten.

Man braucht sich durch die epische Breite hier übrigens nicht abschrecken zu lassen, denn die drei Filmstunden vergehen überraschend schnell.  Die Chancen auf einen Auslands-Oscar sind wohl sehr hoch, denn bei Themen wie Schuld, Verbrechen, Holocaust und Entwicklungsgeschichten können die Amerikaner kaum widerstehen.

3 von 5 gleichzeitig ertönenden Bushupen

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Florian Henckel von Donnersmarck inszeniert eine emotionale Achterbahnfahrt durch drei Epochen deutscher Geschichte.

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