Filmkritiken

ALLES NUR MARIONETTEN

von

Franco Schedl
Franco Schedl

09/10/2014, 10:00 PM

Er raucht wie ein Schlot. Er trinkt Schnaps, wann immer ihm danach ist (und es ist ihm oft danach).

Er schläft kaum, denn seine Dämonen lassen ihn auch nachts nicht in Ruhe.

Philip Seymour Hoffmann ist Günther Bachmann. Er spielt nicht die Rolle des rastlosen, getriebenen Agenten, der in Hamburg eine verdeckte Aktion gegen einen mutmaßlichen Terroristen leitet: Er lebt sie. Brillant im Kopf und pointiert in seiner Rhetorik verliert sich Bachmann/Hoffman immer mehr in seiner Einsamkeit und Verzweiflung und betäubt sich mit Suchtmitteln aller Art. Ein sensibler Berserker, der trotz seiner Brillanz zum Scheitern verurteilt ist.

Philip Seymour Hoffmann ist in seiner letzten Rolle – er starb im Februar an einer Überdosis Drogen – der große, tragische Held. Er gibt den Leiter einer halboffiziellen Spionage-Einheit, die innerhalb der deutschen Nachrichtendienste ihre eigenen Ermittlungen führt. Als in Hamburg Issa Karpov, ein zerlumpter und von Folter gezeichneter tschetschenischer Flüchtling auftaucht und Kontakt zur moslemischen Gemeinde aufnimmt, schrillen sowohl beim deutschen als auch beim US-Geheimdienst die Alarmglocken: Was will Karpov? In welcher Mission ist er in den Westen gekommen? Vordringlich scheint Karpov auf der Suche nach dem bei einer Hamburger Bank geparkten Vermögen seines Vaters zu sein. Die enorme Summe und die Ungewissheit, ob das Geld nicht für terroristische Zwecke verwendet wird, machen Karpov binnen weniger Tage zum Gejagten.

Doch die Jäger sind auch nur Marionetten höherer Regierungsmächte: Plötzlich mischt auch die CIA – vertreten durch ihre Agentin Martha Sullivan (Robin Wright) mit, der deutsche Geheimdienst sowieso. Bachmann steckt mit seinem kleinen Team schnell zwischen den Fronten. Alle kommen sich in die Quere, geleitet von unterschiedlichsten Interessen. Am Ende ist die Welt nicht sicherer, aber es sind wieder etliche Menschen auf der Strecke geblieben.

Der niederländische Fotograf und Regie-Quereinsteiger Anton Corbijn schafft es mit dieser klischeelosen Version des Agententhrillers, die allgemeine Verunsicherung über Terrorbedrohung und allmächtige Überwachungsapparate deutlich zu machen. Anders als bei der Buchvorlage John Le Carrés (" Marionetten") ist Corbijns Version kühl und distanziert und legt den Fokus auf die Intrigen der Geheimdienste untereinander. Agenten-Action à la James Bond kommt hier nicht vor.

Am Ende steigt Philip Seymour Hoffman mit versteinertem Gesicht in sein Auto und fährt davon. Ein verbitterter, geschlagener Mann. "Komm zurück!" will man ihm zurufen. Aber da ist er schon weg.

KURIER-Wertung: ****
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