Filmkritiken

DER LANGE MARSCH ZUM ICH

von

Alexandra Seibel
Alexandra Seibel

01/14/2015, 11:00 PM

Der verdammte Tag 36. An diesem Tag löst sich der große Zehennagel vom Fuß, und der Bergschuh, das Miststück, stürzt in die Felsspalte. Danach heißt es weiterwandern mit Sandalen.

Blut rinnt, Ferse schwillt.

Aufgeben ist keine Option. Über 4000 Kilometer muss sie marschieren auf diesem Fernwanderweg, der sich Pacific Crest Trail nennt. Er verläuft von der amerikanisch-mexikanischen bis zur kanadischen Grenze und zieht sich durch die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington. Dazu gehören heiß brütende Steinwüsten – Heimat der Klapperschlange – und das raue Hochgebirge der Sierra Nevada. Kein Spaziergang, und schon gar nicht für eine allein wandernde Frau.

Aber es ist nicht reine Wanderlust, die Cheryl Strayed antreibt. Die junge Frau marschiert, um Klarheit über sich selbst zu gewinnen und ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Denn nach dem überraschenden Tod der Mutter lief das Leben der Tochter völlig aus dem Ruder. Wahllose Sexaffären zerrütten ihre Ehe und münden schließlich in ein tristes Dasein als Junkie. Zuletzt zieht Cheryl die Reißleine und verordnet sich selbst eine strapaziöse Einsamkeitstour.

Im Jahr 2012 schrieb sie darüber ein Buch, das der britische Erfolgsautor Nick Hornby ("About a Boy") nun für die Leinwand adaptierte. Regisseur Jean-Marc Vallée – seit seinem Erfolgsfilm "Dallas Buyers Club" Spezialist für Oscar-Stoffe – verfilmte, und Reese Whiterspoon kam als Produzentin und Hauptdarstellerin dazu.

Die "Natürlich blond(e)" Whiterspoon schiebt als Cheryl ihr berühmtes Kinn nach vorne und tritt mit zusammengebissenen Zähnen den langen Marsch an. Allein der schwere Rucksack scheint eine unüberwindbare Hürde und wirft sie wie einen Käfer auf den Rücken. Auch die Bedienung von Camping-Kochern will gelernt sein und verdammt Cheryl in den ersten Tagen zu täglich kaltem Haferbrei.

Doch sie lässt sich nicht unterkriegen. Weder Blutblasen, noch Klapperschlangen, noch bedrohliche Waldarbeiter können sie aufhalten. Verbissen bahnt sie sich ihren Weg durch die Einsamkeit. Dabei ereilen sie immer wieder Erinnerungshiebe aus der Vergangenheit in Form von Rückblenden – manchmal nur schlaglichtartig in traumtänzerischen Bildern; manchmal in längeren Erzählsequenzen.

Vallée verkneift sich allzu schmalzige Ausritte ins Selbstfindungsland: Weder verkitscht er die Schönheit der Natur, noch kleistert er die Reise seine Heldin mit Sentimentalmusik zu. Trotzdem erschöpfen sich die endlosen Rückblenden zunehmend in einer ermüdenden Konvention der Katharsis. Laura Dern als verstorbene Mutter hat engelsgleiche Erinnerungsauftritte, während der töchterliche Absturz in die Heroinhölle ein wenig an Glaubwürdigkeit leidet. Umso überzeugender aber wirft Whiterspoon taxierende Blicke auf nackt badende Männer. Und wann hat man schon das letzte Mal " El Condor Pasa" im Kino gehört?

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