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Filmkritik

"Die feine Gesellschaft": Degenerierte Reiche und vertierte Muschelsammler

Bruno Dumont bleibt seinem seit „P’tit Quinquin“ entdeckten Humorprinzip treu und entwirft ein bitterböses - aber zutiefst humanes - Gesellschaftsbild.

02/01/2017, 10:42 AM

Früher dominierten in Bruno Dumonts Filmwelten Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Depression oder schreckliche Verbrechen wie etwa Kinderschändung und -mord standen im Zentrum der Handlung. Eigentlich hat sich bis heute an den Rahmenbedingungen nicht viel geändert, seit seiner vierteiligen TV-Miniserie „P‘tit Quinquin“ ist jedoch ein wichtiger Aspekt hinzugekommen: Dumont hat den Humor für sich entdeckt.

Slapstick-Momente

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Mit „Die feine Gesellschaft“ erzählt er eine ganz ähnliche Geschichte wie in seiner Fernseharbeit, diesmal wurde der vordergründig kriminelle Plot allerdings um eine wichtige Tiefendimension erweitert, denn nun erschließt sich dem Regisseur auch die Historie. Angesiedelt ist die schwarze Komödie nämlich im Jahr 1910 - erneut in der von Dumont bevorzugten nordfranzösischen Küstenlandschaft. Dort gehen am Vorabend des ersten Weltkrieges seltsame und beunruhigende Dinge vor: immer mehr Sommerfrischler verschwinden scheinbar spurlos. Das ruft ein bizarres Ermittler-Duo auf den Plan, das bereits rein äußerlich als Hommage an Laurel & Hardy erkennbar ist. Der gigantische Kommissar Blading (auf Deutsch ein sprechender Name) bewegt sich mit seinem mickrigen Assistenten wie ein Walross durch die Dünenlandschaft – bei jedem seiner Schritte knirscht eindrucksvoll der Sand – und kugelt gleich zu Beginn einen Hügel hinunter. Auch später wird er noch oft zu Boden gehen, denn Dumont lässt sich diese Slapstickmomente von stolpernden Menschen und zusammenbrechenden Liegestühlen natürlich nicht entgehen.

Zwei Gesellschaftsschichten

Der Film entwirft ein bitterböses Gesellschaftsbild und wechselt ständig zwischen zwei Schauplätzen und Familien: die stinkvornehmen und degenerierten Reichen hausen in einem pittoresken Anwesen, das wie eine ägyptische Zementburg über dem Strand thront, während die vertierten Muschelsammler in einem desolaten Bauernhaus ihrem Hauptberuf und einem blutigen Hobby nachgehen. Doch die Darstellung alles Schmutzigen, Hässlichen und Gemeinen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dumont nach wie vor einer zutiefst humanen Weltsicht huldigt. Abgesehen von den wortwörtlich im Sande verlaufenden Ermittlungen des unfähigen Duos, geht es zugleich um eine zarte und ungewöhnliche Liebesgeschichte zwischen dem Fischerjungen Ma Loute (was man mit „Lümmel“ übersetzen könnte) und einem androgynen Mädchen aus feinem Haus - oder ist es vielleicht doch eher ein Bub?

Profis und Laien

Auch diesmal hat sich Dumont beim Cast auf eine Mischung aus Profis und Laien verlassen: Schauspielgrößen wie Juliette Binoche (herrlich exaltiert), Valeria Bruni Tedeschi (erstaunlich zurückgenommen) und Fabrice Luchini (bis zu Unkenntlichkeit verändert und genial vertrottelt), stehen absolute Kameraneulinge gegenüber, deren ausdrucksstarke Gesichter man nicht mehr vergessen wird.

Dumont hält diesen Film für das zugänglichste seiner bisherigen Werke; was aber nicht heißen soll, dass er sich nun etwa dem Mainstream verschrieben hätte – damit hat „Die feine Gesellschaft“ ungefähr so viel zu tun, wie der Atlantische Ozean mit einem Planschbecken.

9 von 10 fallsüchtigen Polizisten mit finalen Aufstiegschancen

Bruno Dumont ("L’Humanite", "P'tit Quinquin") spart nicht mit groteskem Humor in dieser amüsanten Tragikomödie, in der besonders Fabrice Luchini und Juliette Binoche in ihren Rollen glänzen.

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