Filmkritiken

EIN LYNCHESKES MYSTERIENSPIEL

von

Franco Schedl
Franco Schedl

05/26/2015, 10:00 PM

Die heruntergekommene Ortschaft Lost River liegt irgendwo in Amerika, aber eigentlich könnte sie auch den Namen Pripyat tragen und in der Nähe des Atomreaktors von Tschnernobyl zu finden sein. Die Spuren der Verwüstung und Verlassenheit sind rein optisch nicht zu unterscheiden. Dennoch ist dieses Niemandsland nach wie vor spärlich besiedelt– und um die Einwohner von zwei benachbarten Häusern dreht sich auch die Geschichte in Ryan Goslings erstem Film.

Billy, die alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen, steckt in finanziellen Schwierigkeiten und würde alles tun, um ihr Haus behalten zu können. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an den Banker Dave, der ihr einen Job in einem seltsamen Etablissement vermittelt, wo er gelegentlich auch selber aus gruseliger Alleinunterhalter auftritt, falls nicht gerade eine Schönheit ( Eva Mendes) auf der Bühne eine blutige Splatter-Show à la Grand Guignol zum Gaudium des Publikums veranstaltet. Billys Lage wird immer dramatischer und als sie sich entschließt, für einen Zusatzverdienst eine Art futuristischen Folterkeller zu betreten, lernt sie Daves wahres Gesicht erst richtig kennen.

Billys älterer Sohn Bones hingegen hat ganz andere - aber nicht weniger lebensbedrohliche - Probleme, weil ihn ein sadistischer Typ auf seine Abschussliste gesetzt hat. Dieser psychopathische Bully (der langjährige Doctor Who-Darsteller Matt Smith) hat sich zum Herrscher über das Gebiet der leerstehenden Häuser ernannt und verfolgt alle, die es wagen, dort gegen seinen Willen einzudringen und womöglich Kupferdrähte zu klauen. Mit seiner Lieblingsschere stellt er üble Dinge an und setzt seinen lippenlosen Helfershelfer auch gerne als Feuerengel ein.

Dann gibt es noch das Mädchen Rat aus dem Nachbarhaus: es lebt dort mit einer zahmen Ratte und einer seit Jahrzehnten beharrlich schweigenden Großmutter (Horror-Ikone Barbara Steel). Als Bones auf eine überwucherte Straße stößt, die im Wasser endet, erzählt ihm Rat von einer vor vielen Jahren gefluteten Stadt. Seit damals befindet sie sich am Grund des Flusses und wer von dort ein Ungeheuer aus der Tiefe holt, soll den Fluch, der auf dem gottverlassenen Ort Lost River lastet, angeblich brechen können. Grund genug für Bones, einen verzweifelten Versuch zu starten, denn schlimmer kann es für ihn und seine Angerhörigen ohnehin nicht mehr werden.

Vermutlich verursacht „Lost River“ viele ratlose Gesichter, aber gerade all jene, die mit David Lynch etwas anfangen können, oder einfach bereit sind, sich auf die verstörend-poetischen Bilder einzulassen, werden das Werk zweifellos lieben. Immerhin handelt es sich hier um ein lyncheskes Mysterienspiel – oder ist es doch eher eine Parabel auf die amerikanische Gesellschaft bzw. eine Südstaatenlegende oder ein Märchen für Erwachsene? Wie auch immer man den Film einschätzten mag (am besten als Mischung aus all dem soeben Genannten) - eines steht jedenfalls fest: Gosling hat mit großem Stilbewusstsein ein unvergessliches Werk voll irritierender Schönheit und Geheimnissen geschaffen.

9 von 10 steinernen Alligatorenköpfen.

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