Filmkritiken

EIN MÄDCHEN IM GRAUSIG-SCHÖNEN WUNDERLAND

von

Franco Schedl
Franco Schedl

05/08/2013, 10:00 PM

Der Filmtitel erweckt zwangsläufig vampirische Assoziationen, weil „Dracula“-Verfasser Bram Stoker grüßen lässt. Wäre da nicht das Filmplakat, auf dem sich die drei Hauptfiguren in einer Tischplatte widerspiegeln – ein Kunststück, das Blutsauger kaum fertig brächten. Also bleiben wir weiterhin ratlos. So viel steht allerdings fest: harmlos wird Park Chan-wooks („Oldboy“) erste Regiearbeit auf amerikanischem Boden bestimmt nicht werden, denn wer genauer hinsieht entdeckt, dass die eine Gesichtshälfte des abgebildeten Manns auf dem Plakat blutbespritzt ist.

Der Vorspann führt uns dann in eine Art Mädchenwunderland, und nicht ohne Grund wurde Mia Wasikowska, die ihren Durchbruch in Tim Burtons „Alice in Wonderland “ erlebte, mit dieser Rolle betraut. Unter der farbenfrohen Oberfläche des aktuellen Wunderlands lauert allerdings weit Dunkleres, als sich das die Phantasie eines Lewis Carroll träumen ließe.

Mia verkörpert India Stoker, ein Mädchen an der Schwelle zur Frau, das obendrein noch eine beunruhigende Erbschaft in sich trägt, die nur darauf wartet, hervorzubrechen. Die Rolle des Katalysators kommt dabei dem geheimnisvollen Onkel Charlie zu, der nach dem Unfalltot ihres Vaters unverhofft aufgetaucht ist. Dieser verführerisch-gefährliche Alleskönner übt auf die beiden Frauen des Hauses eine fatale Anziehung aus, denn trotz seiner zuvorkommenden Art scheint er nichts Gutes im Schilde zu führen.

Ihr Klavierspiel im Duett mit Onkel Charlie ist höchst erotisch aufgeladen und wird zu einem wahren Höhepunkt für sie (wobei Philip Glass das hypnotische Musikstück beigesteuert hat). Musik ist überhaupt ein wichtiges Thema des Films und dementsprechend komponiert Chan-wook die Bilder zu einem dichten leitmotivischen Geflecht, indem er nicht streng chronologisch erzählt, sondern immer wieder Parallel-Montagen einschiebt oder elliptisch vorgeht.

„Stoker“ zählt zu jenen Werken, die auch bei totalem Tonausfall nichts von ihrer Wirkung verlieren, weil man angesichts der überwältigenden Bilder ohnehin Schwierigkeiten hat, auf die Dialoge zu achten. Außerdem kommt der Film tatsächlich mit relativ wenig Figurenrede aus und Park konnte sich ganz auf seine spezielle Art des visuellen Erzählens konzentrieren. Immerhin ist India hypersensitiv: sie hört und sieht Dinge, die man als Normalsterblicher gar nicht wahrnehmen würde. Diesen Umstand muss uns der Regisseur natürlich angemessen vermitteln und greift dazu tief in die Trickkiste seiner unglaublichen Bilder- + Tonmagie.

Wer ist Onkel Charlie nun wirklich? Ein Bruder im Geiste von Norman Bates? Schließlich spielen ausgestopfte Tiere auch hier eine wichtige Rolle und das merkwürdig aus der Zeit gefallene Anwesen könnte eine etwas luxuriösere Version des Motels aus „Psycho“ sein. Zugleich wird, wie eingangs erwähnt, sein Interesse an Blut durch das Filmplakat angedeutet. Insofern kommen also doch vampirhafte Züge in ihm zum Vorschein. Weshalb trägt er sonst eine extra starke Sonnenbrille oder rührt das von ihm zubereitete köstliche Essen nicht an? Lassen wir also offen, ob es sich bei ihm nicht doch um eine moderne Variante des Blutsaugers handelt.

Und eines ist sicher: hätte Park Chan-wook die Regie der „Twilight-Saga“ übernommen, wäre selbst bei dieser Vorlage ein Geniestreich herausgekommen. Immerhin hat er ja mit „Stoker“ auch Tim Burton bei weitem übertroffen und die eindeutig bessere Version von „ Alice im Wunderland“ gedreht.

„Regisseur Park“, wie er vom amerikanischen Filmteam genannt wurde, blieb seinem Ruf auch in der Neuen Welt nichts schuldig, sondern hat in seinem Schaffen einen neuen Höhepunkt erreicht, der auch auf unserer Wertungsskala die höchste Punktezahl 10 erreicht.

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