Filmkritiken

EINE WÜSTENLEGENDE NACH WAHRER BEGEBENHEIT

von

Franco Schedl
Franco Schedl

05/17/2015, 10:00 PM

Es mag überraschen, dass die beiden kreativen Köpfe und Erfinder des „intuitiven Filmens“ Beatrice v. Moreau und George Inci vor ihrem Tiroler Schelmenstück „Hirschen“ einen thematisch ganz anderen Film als internationale Produktion realisiert haben. Gedreht wurde nicht nur in ihrer Heimatstadt Berlin, sondern auch in der marokkanischen Wüste. Das vertraute deutsche Umfeld einer regelrechten Überflussgesellschaft dient nur als Rahmenhandlung.

Ein alter Musiker lässt in einem Lokal seine Flöte zu uns sprechen und erzählt auf diese Weise von seiner Kindheit: In der unwirtlichen Dünenlandschaft der Sahara, wo man jedes karge grüne Fleckchen durch harte Arbeit dem Boden abringen muss, steht eine Mutter nach der Geburt von Zwillingen vor einer schweren Entscheidung, da sie nur eines der beiden Kinder durchbringen kann. Wir sehen der kleinen Familie beim Alltagsleben zu: ihr Tagesablauf wird durch immer wiederkehrende Handlungen wie Wasserholen und Essenszubereitung geprägt; abgesehen von den allgegenwärtigen Fliegen gibt es keine Tiere, die den Menschen das entsagungsvolle Leben erleichtern würden.

„Baba“ könnte eine Legende, wie sie unter Nomadenvölkern erzählt wird, zugrunde liegen. Der türkischstämmige George Inci verrät jedoch im Interview, dass sich alles wirklich so ähnlich zugetragen hat, denn der Film greift auf die Geschichte seines Vaters zurück. Allerdings hat Inci durch die Verlegung des Schauplatzes nach Nordafrika einen Verfremdungseffekt eingesetzt, um die Bezüge zur „biblischen Landschaft“ Marokkos zu nutzen (tatsächlich treten hier einmal sogar die Heiligen Drei Könige leibhaftig in Erscheinung).

Das Werk ist eindeutig eine Herzensangelegenheit für Inci gewesen, der hier sozusagen seinen eigenen Vater spielt, während Co-Produzentin Beatrice v. Moreau die Hauptrolle der Mutter und eine kleine Nebenrolle als Tochter des Musikers übernommen hat. Außerdem zeichnet der Tausendsassa Inci wieder einmal für Drehbuch, Regie sowie Kameraführung verantwortlich und produzierte obendrein die Filmmusik.

Vor archaischer Landschaftskulisse gerät der visuell überwältigende Film zu einem beeindruckenden Plädoyer für Menschlichkeit, das zum Abbau von Vorurteilen und der Angst vor dem „Fremden“ beitragen soll. Zudem ist „Baba“ von universeller Gültigkeit, nicht zuletzt, weil durch Verzicht auf Dialog die Sprachbarrieren wegfallen; stattdessen kommt als direktes Verständigungsmittel viel Musik zum Einsatz (und wenn sich einmal eine Stimme erhebt, dann tut sie es nur zum Gesang). Als nachträgliche Widmung wird der Satz „Wir verneigen uns vor der Geschichte eines Jeden“ dem Abspann vorangestellt.

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