"Wicked: Teil 2"-Filmkritik: Auf gelbem Pflaster zum faden Finale
Szene aus "Wicked Teil 2"
Jetzt haben die singenden Hexen also ein Jahr lang geschwiegen. Höchste Zeit, dass sie wieder loslegen und zum Finale kommen, bevor Oz im Chaos versinkt.
Während der gefährliche Blender (Jeff Goldblum) als falscher Zauberer mit Unterstützung von Schulleiterin Madame Akaber (Michelle Yeoh) in "Wicked: Teil 2" weiterhin sein manipulatives Spiel treibt und die Propagandamaschinerie auf Hochtouren läuft, hat sich die als böse Hexe verteufelte Elphaba (Cynthia Erivo) als Einzelkämpferin in den Wald zurückgezogen, wo sie höchstens mit den sprechenden Tieren Kontakte knüpft.
Ihre anpassungsfähigere magielose Freundin Glinda (Ariana Grande) stellt sich als Sprachrohr für die Demagogen zur Verfügung und bereitet sich nebenbei auf die Eheschließung mit Prinz Fiyero (Jonathan Bailey) vor. Trotzdem hat sie die Hoffnung nicht aufgegeben, zwischen dem Zauberer und der grünen Hexe vermitteln zu können. Dadurch spitzt sich aber erst recht alles dramatisch zu und besonders Elphabas gelähmte jüngere Schwester Nessarose (Marissa Bode) hat darunter zu leiden.
Szene aus "Wicked Teil 2"
Straßenbau und Songs
Gleich zu Beginn erleben wir übrigens mit, wie die berühmte Straße mit den gelben Pflastersteinen gebaut wird und sich dann als Markenzeichen durchs ganze Land schlängelt, aber die Umstände der Konstruktion sind alles andere als tierfreundliche, sondern arten in Sklavenarbeit aus. Eine ziemlich verfahrene Situation somit – doch bei allen Problemen ist den Figuren die Lust am Gesang nicht vergangen. Daher erwarten uns im zweiten Teil Titel wie "Every Day More Wicked", "No Good Deed", "For Good" und die beiden Neukompositionen "No Place Like Home" sowie "The Girl in the Bubble".
Szene aus "Wicked Teil 2"
Dorothy kommt vorbei und bleibt fast unsichtbar
Da wir alle die offizielle Geschichte über Oz kennen, die bereits 1939 in einem frühen Farbfilm erzählt wurde, ist von vornherein klar, dass der Konflikt für eine der beiden Hexen nicht gut enden wird. Ihnen bleibt zumindest noch Zeit für ein paar herzergreifende Duette und vor allem das Abschiednehmen hat es in sich. Ein kindlicher Gast aus einer anderen Welt kommt zum großen Finale zwar nicht hereingeschneit, aber angeflogen. Trotzdem wird kunstvoll vermieden, dass wir diese wichtige Person namens Dorothy jemals zu Gesicht bekommen: Wir sehen höchstens ihre Füße, eine kurze Rückenansicht oder einen Schattenriss von ihr. Das ist eben eindeutig nicht ihr Film und alles wird aus einer anderen Perspektive erzählt. Dafür sorgt die Entstehungsgeschichte ihrer Begleiter Blechmann und Vogelscheuche nun für tragische Überraschungen.
Szene aus "Wicked Teil 2"
Handlungshemmende Elemente
Zunächst dauert es freilich etwas, bis der zweite Teil in Gang kommt, denn die meisten Mitwirkenden scheinen sich plötzlich nur noch in Erinnerungen zu ergehen, was uns einige Rückblenden beschert, die eher hemmend auf die Handlung wirken. Ein paar Fragen drängen sich jedenfalls bald auf: Kann Glinda ihren Alptraum in Rosarot wirklich ausleben und steht uns eine Kitschhochzeit in ihrer Plüschwelt bevor? Wird Elphaba den Widerstand aufgeben und lässt sich eine friedliche Lösung finden? Ist der Zauberer zu einem Kompromiss bereit oder erweist sich Madame Akaber als die eigentliche Gefahr? Können die unterdrückten Tiere befreit werden? Wie lange lassen sich die Oz-Bewohner, deren Hauptbeschäftigung in Jubeln und Nicht-Denken zu bestehen scheint, noch an der Nase herumführen? Zwischen diesen Ungewissheiten mäandert die Handlung dahin und bietet viel Wiederholungspotential, das unsere Aufmerksamkeit ausbremst.
Teil 2 hat zwar ein paar starke Momente, wirkt aber bei weitem nicht mehr so überzeugend, charmant, kurzweilig und unterhaltsam wie der erste - und auch die lange Pause war nicht vorteilhaft. Auf die Gefahr hin, Musicalfans auf die KokOZPalme zu bringen, stelle ich fest: Die Zweiteilung wäre gar nicht nötig gewesen, sondern ein knapp vierstündiger Film hätte eigentlich genügt und überflüssige Längen vermieden.
3 von 5 dahinschmelzenden Hexenschatten, die uns wieder einer Illusion berauben
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