Filmkritiken

FINANZVAMPIR AUF TAGESREISE IN DIE NACHT

von

Franco Schedl
Franco Schedl

07/03/2012, 10:00 PM

Cronenberg – DeLillo – Pattinson. Der Jüngste dieses Trios befindet sich hier in bester Gesellschaft, auch wenn er nicht die erste Wahl gewesen ist, denn ursprünglich war Colin Farrell für die Hauptrolle vorgesehen. Aber weshalb sollte Robert Pattinson in seiner Post-‚Twilight’- Phase die einmal erworbenen Fähigkeiten nicht als Finanzvampir sinnvoll zum Einsatz bringen? Da sich der Schauplatz meist aufs Innere eines – allerdings extrem geräumigen - Wagens beschränkt, verbrachte er die Zeit ab Drehbeginn gewissermaßen im Auto, auf einer Art Chefsessel platziert und bekam vom Tageslicht tatsächlich nicht viel zu sehen.

Auf dem Weg zu einem Friseur-Termin thront der milliardenschwere Finanzjongleur Eric Packer an einem Frühlingstag des Jahres 2000 eingekeilt im New Yorker Stadtverkehr in seiner königlichen Stretch-Limousine: dieser gepanzerte Protz & Prunk auf 4 Rädern vereinigt ein mobiles Luxus-Apartment mit den Anforderungen einer rollenden Börse, dem Equipment einer topmodernen Arztpraxis und dem Flair der Kommandozentrale eines Raumschiffs (und auf Knopfdruck herrscht vor den Fenstern tatsächlich die Schwärze des Weltalls).

Im Roman beschreibt DeLillo diese Position durch die Wortneuschöpfung „prousted“, wodurch er zum Ausdruck bringt, dass der junge Schnösel so abgeschieden von der Welt residiert, wie etliche Jahrzehnte früher der Schriftsteller Marcel Proust in seinem durch Korkverkleidung absolut schalldicht gemachten Arbeitszimmer.

Während draußen die Stadt verrücktspielt, Globalisierungsgegner demonstrieren, der US-Präsident einen Besuch absolviert und ein Rapper zu Grabe getragen wird, lebt der von Leibwächtern umgebene Packer in seiner eigenen abgeschirmten Zone, gewährt wechselnden Besuchern Audienzen, gönnt sich mit diversen Geliebten schnellen Sex - als eine von ihnen absolvier Juliette Binoche einen Kurzauftritt – oder spricht zwischendurch immer wieder mal mit seiner misstrauischen sensiblen jungen Frau. Als der Tag sichtbar zur Neige geht, schwindet auch die unangreifbar scheinende Selbstsicherheit des manischen Geldmachers, der schon länger weiß, dass man es auf sein Leben abgesehen hat; und das letzte Kapitel führt vom exzessiven Luxus in die äußerste Verkommenheit einer Notstandsbleibe, wo es zu einem Rede- und Waffenduell mit einem ebenso manischen Paul Giamatti kommt.

Cronenberg wollte DeLillos geschliffene Dialoge nicht antasten und so musste er fürs Drehbuch praktisch nur die Lücken zwischen den langen Gesprächs-Szenen füllen. Das tat er in unverkennbarer Weise, denn etliche seiner Lieblingsmotive sind auch hier präsent und alles weist einen leicht surrealen aber gerade darum nicht minder beunruhigenden Touch auf: etwa wenn Aktivisten tote Ratten schwenken oder der oberste Bodyguard eine jener fetischistisch verehrten Handfeuerwaffen besitzt, die nur durch Sprachcode zu aktivieren ist; und die endlose Odyssee durch New Yorks Straßen wirkt in vielen Momenten wie eine Fiebervision aus einer Welt am Rande der Apokalypse. Immerhin hat DeLillo mit geradezu unheimlicher Prophetie das Finanzdebakel der letzten Jahre vorausgesehen.

Pattinson verkörpert das seelenlose Wall Street-Wesen zutiefst glaubwürdig und beweist, wie sehr er unter der Führung eines guten Regisseurs über sich hinauswachsen kann. Er ist nicht nur dazu berufen, Teenager unruhig träumen zu lassen, sondern in dieser Rolle Garant für äußerst erwachsene Albträume. 9 von 10 möglichen toten Ratten sind für diese Leistung gerade ausreichend genug.

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Robert Pattinson begibt sich in dieser Romanverfilmung nach Don DeLillo unter David Cronenbergs Regie als zynischer Spekulant auf eine 24stündige Odyssee durch Manhattan.

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