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filmkritik

"I, Tonya": Eiskunstlauf als Kampfsport

In ihrer bisher anspruchsvollsten Rolle spielt Margot Robbie ein Mädchen aus der amerikanischen Unterklasse, das in den 90er Jahren zu den weltbesten Eiskunstläuferinnen gehörte.

03/21/2018, 09:35 AM

Diese Frau gehört zu den Menschen, die vom Leben – bzw. von denen, die ihr am nächsten sind – immer voll eins in die Fresse gedonnert bekommen. Und wie verhält sie sich danach? Sie spuckt etwas Blut und kommt wieder auf die Beine. Genau die richtige Figur somit für einen Film aus Margot Robbie Produktionsfirma LuckyChap – die hat sich nämlich auf Werke spezialisiert, in deren Mittelpunkt starke Frauen stehen.

Ein vergessener Weltstar

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Mal ehrlich, wer von uns konnte spontan mit dem Namen Tonya Harding noch etwas anfangen? Sogar Robbie wusste zunächst nicht Bescheid und hielt das Drehbuch für reine Fiktion. Dabei war Tonya in den 90ern neben Bill Clinton einst die berühmteste Person der Welt und vollführte mit Schlittschuhen Kunststücke, die vor ihr noch keine Amerikanerin fertiggebracht hatte – zum Beispiel den gefürchteten Dreifach-Axel. Doch dann geriet sie durch den sogenannten „Vorfall“ in Verruf und ihre Karriere war bereits mit 23 Jahren beendet. Sie stand in Verdacht, für das Attentat auf ihre Konkurrentin Nancy Kerrigan verantwortlich gewesen zu sein – und zumindest ihr Ex-Mann hatte erwiesenermaßen etwas damit zu tun.

Ein Opfer häuslicher Gewalt

Im Grunde geht es in Craig Gillespies Film um ein Mädchen aus der Unterklasse – auch „White Trash“ genannt – das sich allen Widerständen zum Trotz bis ganz nach oben durchgekämpft hat, dann einen spektakulären Absturz erleidet und zum Opfer einer medialen Hexenjagd wird, aber dennoch nicht aufgibt. Und häusliche Gewalt spielt eine zentrale Rolle: als Kind wird Tonya von ihrer rücksichtslos ehrgeizigen Prolo-Mutter (eine unheimlich überzeugende Allison Janney, die für ihren Auftritt einen Oscar erhalten hat) mit der Haarbürste oder mit Tritten traktiert und später schleudert die streitbare Alkoholikerin schon mal ein Messer nach ihrer Tochter. Bei ihrem Ehemann und Manager Jeff ergeht es ihr auch nicht besser: der prügelt sie regelmäßig mit bloßen Händen blutig – und trotzdem kehrt sie immer wieder zu ihm zurück.

Ungewöhnliche Erzählstruktur

Drehbuchautor Steve Rogers war von der Geschichte fasziniert und hat mit den meisten Beteiligten längere Interviews geführt, die oft wörtliche in den Film eingeflossen sind. Diese Struktur hat er auch für sein ungewöhnliches Skript beibehalten: sechs Figuren erzählen uns ihre Sicht der Dinge. Dabei durchbrechen sie oft die sogenannte vierte Wand, indem sie sich direkt an die Zuschauer wenden, was manchmal zu wirklich skurrilen Momenten führt. Da sehen wir z.B., wie Tonya mit einem Gewehr hinter ihrem Mann her schießt und gleich darauf sagt sie zu uns – wobei sie die rauchende Waffe noch in der Hand hält: „Das habe ich nie getan.“ Dadurch sollen wir direkt einbezogen werden und selber entscheiden, was wir für glaubwürdig halten. Die beiden beauftragten Attentäter legen dann übrigens eine seltene Dämlichkeit an den Tag und erinnern stark an Pain & Gain aus Michael Baysgleichnamigem Film, der ja auch auf einem wahren Fall beruht.

Robbie auf dem Eis

Dank „I, Tonya“ sind wir gleich in mehrfacher Hinsicht auf der Gewinnerseite. Wir bekommen eine verrückte Geschichte auf ungewöhnliche Weise erzählt, schrägen Humor geboten, als Draufgabe ein paar wirklich atemberaubend umgesetzte Eislaufsequenzen und vor allem eine sensationell gute Margot Robbie in ihr bisher anspruchsvollsten Rolle zu sehen. Dieser Film forderte von ihr größte Wandlungsfähigkeit und körperliches Geschick, denn viele der Eisszenen hat sie selber gedreht - nur für den Sprung des Dreifach-Axels war dann computertechnische Nachhilfe nötig.

Unmöglicher Vierfach-Oscar

Übrigens gibt es große Parallelen zwischen diesem Film und „Lady Bird“: in beiden steht eine problematische Mutter-Tochter-Beziehung im Mittelpunkt und alle vier Darstellerinnen waren für Oscars nominiert. Doch solange es noch keine Silber- und Bronzemodelle der Statuette gibt, konnten theoretisch nur zwei von ihnen mit einem Gold-Preis nach Hause gehen (tatsächlich geschafft hat es, wie bereits erwähnt, aber bloß Allison Janney).

9 von 10 rasiermesserscharfen Kufen

franco schedl

Der Film wirft einen absurden, respektlosen und bissigen Blick auf das Leben und die Karriere der Eiskunstläuferin Tonya Harding in all ihrer hemmungslosen und facettenreichen Pracht.

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