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Filmkritik

"Lou Andreas Salomé": Memoiren einer positiven Narzisstin

Das gelungen Porträt einer faszinierenden Frau, die eine produktive Schriftstellerin, Philosophin, Psychoanalytikerin und Vordenkerin der Frauenemanzipation war.

09/07/2016, 08:19 AM

Vermutlich verbinden viele mit ihrem Namen das Bild der peitschenschwingenden Antreiberin von Paul Rée und Friedrich Nietzsche, die sich auf einer berühmten Fotografie spaßeshalber vor ihren Karren gespannt haben. Lou Andreas-Salomé war aber vor allem eine produktive Schriftstellerin, Philosophin, Psychoanalytikerin und Vordenkerin der Frauenemanzipation. Ihre Weigerung, sich durch ein Rollenbild bestimmen zu lassen und dem gängigen Frauenklischee des 19. Jahrhunderts zu entsprechen, hat die freiheitsliebende Lou schon früh auf Konfrontationskurs mit ihrer Umwelt gebracht. Immer wieder weckte sie das Interesse bedeutender Männer (Nietzsche und Rée haben um ihre Hand angehalten, Rilke wurde ihr Geliebter, Freud war ihr Lehrmeister und hat ihren Scharfsinn bewundert), ließ sich aber durch keinen von ihnen vereinnahmen, sondern gab selber wichtige Impulse und Anregungen – in der Psychoanalyse entwickelte sie zum Beispiel das Konzept einer positiven Variante des Narzissmus.

4 Darstellerinnen für 4 Lebensalter

Wir haben es hier mit einer berühmten Frau zu tun, von der es weder Ton- noch Filmaufnahmen gibt, obwohl sie doch immerhin erst im Jahr 1937 gestorben ist. Auch ein Biopic über ihr faszinierendes Leben wurde bisher nicht realisiert. Dank Cordula Kablitz-Post hat sich das nun geändert. Die Regisseurin und studierte Germanistin drehte bereits etliche dokumentarische Filmporträts (u.a. über Nina Hagen, Helmut Berger, Mickey Rourke oder Christoph Schlingensief), wechselte aber mit dieser Produktion erstmals zum Spielfilm. Um Lous verschiedene Lebensalter zu veranschaulichen, waren gleich vier Darstellerinnen erforderlich.

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In der 1933 spielenden Rahmenhandlung diktiert die alte und kränkliche Lou dem jungen Germanisten Ernst Pfeiffer, den sie später auch als Nachlassverwalter einsetzen wird, ihre Lebenserinnerungen in die Schreibmaschine. Andreas-Salomé verstand es allerdings meisterhaft, ein Mysterium um ihre Person aufzubauen und verschwieg Ereignisse, die ihr nicht so genehm waren. Die Regisseurin findet dennoch eine Lösung, auch solche gut recherchierten Fakten unterzubringen, indem sie Lous private Erinnerungsebene einblendet. Kablitz-Post lässt ihre Protagonistin zudem immer wieder in die Kulissenwelt alter handkolorierter Fotopostkarten eintreten und gestaltet so den Rückstieg in die Zeit auf visuell anregende Weise nachvollziehbar. Außerdem war sie darum bemüht, möglichst viele Originalzitate einzubauen.

Nietzsche - Rilke - Freud

Bei der Besetzung wählte sie bevorzugt SchauspielerInnen mit Theatererfahrung und das macht sich bezahlt: Abgesehen von Katharina Lorenz (Lou zwischen 21 und 50 Jahren) und Nicole Heesters (Lou mit 72), hinterlassen v.a. Alexander Scheer als Nietzsche und Julius Feldmeier als Rilke bleibende Eindrücke, während Freud-Darsteller Harald Schrott vom Typ her nicht so überzeugend wirkt. Der Bekanntschaft mit Sigmund Freud kam für Andreas-Salomé außerdem eine viel größere Bedeutung zu, als ihr hier zugestanden wird; aber selbstverständlich hätte das Leben dieser Frau Stoff für einen wesentlich längeren Film geboten. Etwas seltsam erscheint es übrigens, dass ausgerechnet ein Schauspieler vom Format eines Peter Simonischek bloß einen Kürzestauftritt von maximal 15 Sekunden absolviert.

Insgesamt ist der Regisseurin jedenfalls ein überzeugendes Biopic gelungen und man muss ihr dafür dankbar sein, diese wichtige Frau wieder stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt zu haben.

8 von 10 Frauenkraftpunkten

franco schedl

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Friedrich Nietzsche hat Lou Andreas-Salomé verehrt, Rainer Maria Rilke hat sie geliebt, Sigmund Freud hat sie bewundert: Ein Film über eine außergewöhnliche Frau und ein außergewöhnliches Leben.

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