Filmkritiken

MUTANTEN IN ZEITEN DES VIERTELTELEFONS

von

Alexandra Seibel
Alexandra Seibel

05/20/2014, 10:00 PM

Dass die Zukunft im Kino selten gut aussieht, daran ist man längst gewöhnt. Doch in Bryan Singers drittem, famosen Zugriff auf das „X-Men“-Franchise geht es in den kommenden Jahren besonders morbid zu.

In „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ verrotten Mutanten-Leichen in Massengräbern, während riesige Kampfroboter ein Terrorregime führen. Die verzweifelten Altvorderen – ewig huldvoll: Patrick Stewart als Professor X und der rabiate Magneto (Ian McKellen) – wissen nur einen Ausweg: Hugh Jackman als Muskelpaket Wolverine muss ins Jahr 1973 zurückreisen und dort ein Attentat verhindern. Nur so lässt sich die triste Zukunft der Mutanten – Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten – retten.

Nachdem er mit „X-Men“ und „X-Men 2“ das Superhelden-Genre neu angekurbelt hatte, demonstriert Regisseur Singer nun erneut, mit welcher Souveränität er sich im Reich der Marvel-Comics bewegt. Seine treffsichere Mischung aus augenschöner Action und psychologischem Konflikt zwischen den Superhelden sichert durchgehend höchste Aufmerksamkeit.

Allein der Tigersprung in die Vergangenheit gelingt Singer mit größter Nonchalance. Wolverine erwacht 1973 mit einem knurrigen Blick auf einen grüne Lavalampe. Bevor er noch bis drei zählen kann, hat er mit seinem spitzen Fingerknochen auch schon versehentlich ein Wasserbett angestochen.

1973 hat Wolverine nämlich noch keine Metallkrallen. Anstelle der Stahlscheren fahren lange Knochen aus seinen Fingerwurzeln und lassen ihn aussehen wie Sensenmann: „Cool, aber grauslich“, sagt ein Mutanten-Kollege in einer Mischung aus Anerkennung und Ekel.

Glücklicherweise verzettelt sich Singer aber nicht in selbstverliebte Retro-Nostalgie, sondern beschränkt sich auf kleine Analog-Scherze. Dass es einmal eine Zeit gab, in der man die Namen von Menschen noch in Telefonbüchern aus Papier finden konnte, erscheint tatsächlich zum Lachen.

Michael Fassbender und James McAvoy als junge, charismatische Versionen von Magneto und Xavier laden mit ihrer Coolness die längliche Story ausreichend mit Pop-Energie auf. Eine witzige Version von Richard Nixon bespaßt amerikanische Vietnam-Politik.

Brennende Fragen tun sich auf: War John F. Kennedy womöglich auch ein Mutant? Und in einer gewaltigen Szene reißt Magneto ein riesiges Baseball-Stadion aus den Angeln und hängt es dem Weißen Haus wie eine Halsmanschette um.

Ob Bryan Singer, der sich wegen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat, auch die für 2016 geplante Fortsetzung drehen wird, weiß noch niemand. Aber mit welch sicherer Hand er das X-Men-Universum zwischen glänzendem Blockbuster-Spektakel und sinnvollem Tiefgang zu entwerfen weiß, hat er wieder wunderbar bewiesen.

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