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Netflix-Aufreger

"Cuties": Wie es zum Shitstorm gegen Netflix kam

Dem Streaming-Giganten wird Verherrlichung von Pädophilie vorgeworfen, doch stimmt das?

von Oezguer Anil

09/17/2020, 04:00 PM

Amy wächst mit ihrem kleinen Bruder bei ihrer alleinerziehenden Mutter in Paris auf. Das elfjährige Mädchen kann nichts mit den konservativen Werten ihrer aus Senegal stammenden Familie anfangen. Während sie ihre Haare verhüllen muss und leise sein soll, ist ihr Vater gerade dabei, eine Zweitfrau zu heiraten. Als sie die gleichaltrige Angelica beim Tanzen in der Waschküche ihres Wohnviertels beobachtet, ist sie fasziniert. Die lasziven Bewegungen üben eine magische Anziehung auf sie aus und sie schließt sich der Mädchen-Clique „Cuties“ an.

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Shitstorm

Dieser französische Film ist die wohl mit Abstand polarisierendste Produktion des Jahres. Weltweit gehen Menschen gegen „Cuties“ vor. Unter verschiedensten Hashtags wird auf sozialen Netzwerken zum Boykott von Netflix aufgerufen, Vorwürfe von Pädophilie stehen im Raum und in den USA hat sich der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Ted Cruz in die Debatte eingeschalten. Unter den Youtube-Kommentaren  machen sich Verschwörungstheorien breit, in denen der Film mit dem Fall Jefferey Epstein in Verbindung gebracht wird und „Cuties“ Teil eines großen Plans der Eliten sei, um Kindesmisshandlung zu normalisieren.

Katastrophales Marketing

„Cuties“ (französischer Originaltitel: "Mignonnes") feierte seine Premiere Anfang des Jahres auf dem Sundance Filmfestival. Im Februar wurde der Film auf der Berlinale in der Sektion Panorama präsentiert und bis zur Veröffentlichung auf Netflix im August wusste der Großteil der Menschheit nicht einmal, dass dieser Film existiert. Den Stein ins Rollen brachte eine geschmacklose Werbekampagne von Netflix. Anstatt bestehendes Werbematerial zu nehmen, stellt der Streaminganbieter für jeden Film, den er auf der Plattform präsentiert, seine eigenen Werbemittel zusammen. Pro Film werden dabei 35 unterschiedliche Bilder generiert, die verschiedene Aspekte der Handlung herausheben sollen. Als Hauptbild entschied man sich blöderweise für ein Bild, auf dem die 11 jährigen Hauptdarstellerinnen leichtbekleidet und lasziv posierten. 24 Stunden später entschuldigte sich Netflix öffentlich dafür, doch der Schaden war bereits angerichtet.

Debütfilm

Regisseurin Maimouna Doucouré erhielt zahlreiche Todesdrohungen, worauf sie ihren Twitter-Account löschen musste. „Cuties“ ist der aller erste Film der 35 jährigen Filmemacherin. In einem Statement unterstreicht sie nochmals, dass die Absicht ihres Filmes nicht die Sexualisierung Minderjähriger ist, sondern genau dieser Sexualisierung entgegen zu wirken. Junge Mädchen würden durch soziale Medien unter Druck gesetzt,  einem toxischen Schönheitsideal zu entsprechen. Die Dynamiken von Likes und Cybermobbing würden sie dazu verleiten, immer weiter mit ihrer Selbstausbeutung zu gehen, um positive Reaktionen von der Online-Community zu bekommen.

Falsche Herangehensweise

So lobenswert die Absicht von Doucouré  ist, muss man jedoch festhalten, dass „Cuties“ seinem großen Vorhaben nicht gerecht wird. Die einzelnen Tanzszenen, die im Fokus der Kritik stehen, sind tatsächlich stellenweise zu lang und haben einen voyeuristischen Blick. Das ist jedoch mehr auf die mangelnde Erfahrung von Doucouré und nicht auf eine absichtliche Sexualisierung der Protagonistinnen zurück zu führen. Wer den Film bis zum Schluss anschaut, dem wird klar sein, dass „Cuties“ eine Lanze für eine unbeschwerte Kindheit frei von öffentlichem Druck brechen möchte. Nur hat die Regisseurin die falsche Form für ihre Geschichte gewählt. Ihr sinnlicher Zugang zu einem so heiklen Thema ist leider zu unreflektiert.

Die Macht von Netflix

Hätte Netflix nicht die Rechte an „Cuties“ gekauft, hätten sich höchstens eine Handvoll Programmkinobesucher über den Coming-of Age Film beschwert. Durch die große Reichweite des Streaming-Giganten schafft es sogar ein unterdurchschnittlicher Erstlingsfilm einer jungen französischen Regisseurin eine weltweite Debatte über Kinderpornographie loszutreten. Ein weiteres Beispiel dafür, dass im Kino die Art und Weise wie man ein Thema behandelt, mindestens genauso wichtig ist, wie die Art desThemas.

"Cuties" ist unter dem französischen Originaltitel "Mignonnes" bei Netflix zu sehen.

 

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