Vienna Shorts 2025: Aufruf zur radikalen Intimität

Festivalsujet 2025 für Vienna Shorts
Es wird wieder kurz und gut: Vom 27. Mai bis 1. Juni 2025 steht Wien als internationaler Treffpunkt ganz im Zeichen des kurzen Films. Im Rahmen der 22. Ausgabe von VIENNA SHORTS werden an sechs Tagen mehr als 300 Filme in knapp 70 sorgsam kuratierten Programmen in den schönsten Kinos der Stadt zu sehen sein. Als Spielorte dienen das Stadtkino im Künstlerhaus, das METRO Kinokulturhaus, das Filmmuseum, das Gartenbaukino und das mumok kino. Festivalzentrale ist erneut das MuseumsQuartier Wien.
Wir haben an Festivalleiter Daniel Hadenius-Ebner folgende Fragen:

Vienna Shorts-Festivalleiter Daniel Hadenius-Ebner
film.at: Das heurige Festival-Motto lautet "Move Closer! Radical Intimacy". Das klingt ja fast, als könnte es Überschneidungen mit dem Porn Film Festival Vienna geben. Welche Intimitäten darf man sich erwarten?
Daniel Hadenius-Ebner: Man darf sich alles erwarten, was einem zu diesem Thema in den Sinn kommt. Es geht um Sexualität und Beziehungen, um Zusammenhalt in Familie und Communities, um Intimität im Digitalen und um das Private als politischen Rückzugsort. Dazu haben wir sieben Filmprogramme zusammengestellt, aber das Thema zieht sich durchaus auch durch andere Schienen des Festivals – sei es mit dem Porträt zu Kurdwin Ayub oder tatsächlich auch zwei Kooperationsprogrammen mit dem Porn Film Festival.
Soll man nach der Corona-Zeit also wieder zusammenrücken und ist Solidarität angesagt?
Ja, auf jeden Fall. Wir verstehen den Aufruf zur radikalen Intimität durchaus als eine politische Botschaft: In einer Welt, in der Verbindung und Fürsorge oft zu wenig geschätzt werden und in der verschiedene Formen des Gemeinsamen schnell als Bedrohung wahrgenommen werden, werden Nähe und Solidarität schon beinahe zu einem Akt des Widerstands. Diese Idee, die einem Buch von Sophie K. Rosa entnommen ist, hat uns sehr gut gefallen.

Festivalsujet 2025 für Vienna Shorts
Wie kommt so ein Schwerpunkt zustande? Gebt ihr das Thema vor und wartet auf die eintreffenden Filme oder sichtet ihr bereits fertiggestellte Werke, um zu entscheiden, ob sie in das heurige Programm passen?
Beim Schwerpunkt geht es uns immer darum, ein Gespür dafür zu entwickeln, was uns gerade bewegt – und nicht nur uns im Team, sondern uns in Wien und uns als Gesellschaft. Das wird lange diskutiert und bildet dann in weiterer Folge auch das Gerüst für eine Festivalausgabe. Mit den Filmeinreichungen hat das aber gar nicht wirklich was zu tun: Aus den über 6.000 Einreichungen, die wir jährlich aus aller Welt bekommen, werden vor allem die vier Wettbewerbe programmiert. Und für die Wettbewerbe wird kein Thema vorgegeben; da ist uns wichtig, ohne vorgefertigte Ideen an die Filme heranzugehen.
Habt ihr auch ein paar Filme eingeschmuggelt, die gar nicht zu dem Motto passen?
Ja, da gibt’s genug. Es wäre auf die Dauer wohl auch etwas fad, wenn sich über 350 Filme nur um ein Thema drehen würden. Im Schnitt kann man bei jeder Ausgabe rechnen, dass rund ein Viertel aller gezeigten Filme im Wettbewerb läuft, ein Viertel sich mit dem Schwerpunkt beschäftigt und sich die andere Hälfte auf Kinder- und Jugendprogramme, Retrospektiven, thematische Programme oder Genre-Filme in der Late Night aufteilt.

Kurzfilm "At Home I Feel Like Leaving" von Simon Maria Kubiena
Welches ist heuer Dein absoluter Lieblingsfilm und welche Beiträge sollte man auf keinen Fall versäumen?
Einen Lieblingsfilm aus so vielen Filmen rauszupicken, das ist immer schwierig. Aber wenn ich einen nennen müsste, wäre es wohl “Theo & Martin”, eine ganz kurze und unglaublich zärtliche Arbeit einer jungen österreichischen Filmemacherin. Der Film läuft in der Eröffnung, und ein Foto davon ziert auch unser Plakat heuer. Ansonsten find ich die Vielfalt halt immer toll: Wir haben ein Gastprogramm der New York Times, dann gibt’s audiovisuelle Live-Erlebnisse im Kino und ein 80er Jahre Sing-Along… und da red ich noch gar nicht von den exzellenten Wettbewerbsprogrammen.
Wie viele österreichische Kurzfilme sind im Programm vertreten?
Das weiß ich zufällig ganz genau, weil ich das kürzlich nachgeschaut hab: 82 sind’s, davon 23 im Österreich-Wettbewerb und 16 beim Österreichischen Musikvideopreis, der seit Jahren im Rahmen des Festivals vergeben wird. Uns ist es tatsächlich auch sehr wichtig, die Talente und Filme, die hierzulande entstehen, zu zeigen und mit jenen Filmschaffenden zusammenzuführen, die international für Aufsehen sorgen. Im besten Fall entstehen dabei dann auch Freundschaften und Projekte über alle Grenzen hinweg.

Regisseur Christopher Harris
Welche Ehrengäste habt ihr eingeladen?
Grundsätzlich ist ein Kurzfilmfestival ja immer eher eine Talentschau, entsprechend gibt’s da meist noch keine großen Namen oder die Notwendigkeit eines roten Teppichs. Und trotzdem freuen wir uns etwa sehr auf Hilke Rönnfeldt, die vor zwei Jahren in Locarno den Goldenen Leoparden gewonnen hat, oder Jan Soldat, der von Cannes bis Berlin die größten Festivals mit seinen Filmen bespielt. Heuer haben wir auch zwei Filme von Kate Bush im Programm, die aber leider nicht nach Wien kommt. Wenn man so möchte, ist dafür Johann Strauss Sohn ein Ehrengast, schließlich haben wir ihm mit “Donau so blau” einen eigenen Wettbewerb gewidmet und mit Karl Markovics auch ein prominentes Jurymitglied gewonnen. Last, but not least freuen wir uns natürlich sehr auf Kurdwin Ayub, die ja grad sehr für Furore sorgt, und auf Christopher Harris, unseren zweiten Porträt-Gast.
Christopher Harris hat ein relativ überschaubares Gesamtwerk zu bieten. Werdet ihr alle seiner Filme zeigen?
Wir zeigen so gut wie alle Filme von Harris, ja, und viele davon im Original auf 16mm. Aber man sollte sich nicht täuschen lassen: Auch wenn in den letzten 25 Jahren nur zehn Filme entstanden sind, hat Harris einen enormen Einfluss genommen auf Black Culture und Schwarze Bildsprache in den USA. Dass er das Festival besuchen wird, ist für uns daher tatsächlich eine sehr große Ehre.

Szene aus "Through Your Eyes"
Eine neue Spielstätte ist 2025 das mumok kino. Wie kam diese Kooperation mit dem Museum moderner Kunst zustande, und werden dort Spezialprogramme zu sehen sein?
Das MuseumsQuartier ist unsere Heimstätte – mit dem Festivalzentrum, einer kleinen
Ausstellungsfläche, der Open-Air-Leinwand im Haupthof und dem Milieukino, einem zum Kino umgebauten Lkw mit 15 Sitzplätzen. Aus diesem Grund fanden wir die Idee, mit dem mumok zu kooperieren und das Kino dort zu bespielen, wahnsinnig reizvoll. Heuer gastieren wir mit Wettbewerbsprogrammen dort sowie der Wiederholung von der Eröffnung; in Zukunft könnten wir uns dort aber auch andere Programme vorstellen. Und was halt besonders schön ist: Alle unsere Besucher:innen können mit einem Festivalticket gratis ins mumok – und alle mumok-Tickets berechtigen in der Festivalwoche auch zu einem Gratis-Eintritt beim Festival.
Heuer heißt es zugleich erstmals "Pay what you can". Was passiert, wenn jemand meint, gar nichts zahlen zu können. Darf man dann trotzdem ins Kino?
Für all jene, die wirklich gar nichts zahlen können, bieten wir die Open-Air-Programme im MQ bei freiem Eintritt an – oder natürlich auch Kulturpass-Tickets in allen Spielstätten. Ansonsten geht es uns aber vor allem darum, dass Menschen eine faire Selbsteinschätzung treffen, was ihnen Kulturprogramm wert ist und was sie sich leisten können. Das Kinoticket gibt’s dabei um entweder 4, 7, 10 oder 13 Euro; und den Festivalpass um 20, 30, 50 oder 100 Euro.

Blick ins Publikum bei Vienna Shorts 2024
Wie rechnet sich dieses Konzept für euch?
Ob es sich rechnet, werden wir erst noch sehen. Es ist ein Versuch – aber uns hat der Gedanke gefallen, einerseits den Zugang zum Festival zu erleichtern und andererseits auf Gemeinsamkeit und Solidarität zu setzen. Natürlich haben wir uns im Vorfeld auch mit zwei befreundeten Initiativen in Schottland ausgetauscht, die ein solches Modell vor ein-zwei Jahren eingeführt haben und sehr zufrieden waren mit dem Ergebnis. Und bisher sind wir auch positiv überrascht: Die ersten zwei verkauften Pässe waren etwa gleich die teureren Solidaritätspässe, das hat uns schon sehr gefreut.
Ihr habt euch diesmal mit "Ein Festival für alle“ auch gleich ein zweites Motto gewählt: Welche weiteren Vergünstigungen sind für Besucher:innen möglich?
Damit gibt es nun zum ersten Mal eine Überschrift für all jene Aktivitäten, die wir seit einigen Jahren gesetzt haben – und dabei geht es nicht nur um Vergünstigungen, sondern vor allem um das Festival als einen Ort, den alle besuchen können und an dem sich alle wohlfühlen. Das reicht vom freien Eintritt für alle unter 19 sowie Workshops für Schulklassen und Lehrlingsgruppen über Content Notes und Program Tags, um Besucher:innen mehr Information zu den Programmen an die Hand zu geben, bis hin zu verstärkten Bemühungen um Barrierefreiheit und einem Online-Filmangebot auf unserer Streamingplattform. Uns ist wichtig, dass ein Besuch beim Festival immer niederschwellig ist – was nicht heißt, dass das Programm nicht anspruchsvoll sein darf. Das Festival soll aber eben für alle offen sein, unabhängig von Alter, Herkunft oder Einkommen. Einfach ein Festival für alle.
Mehr Infos zum Vienna Shorts Kurzfilmfestival undd das komplette Programm findet ihr hier.