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Serien-Review

Vikings: Charaktere ohne Bodenhaftung und stockende Handlung

Vikings, Staffel 5, Episode 14: Wenn Charaktere und Handlung nicht wieder glaubwürdiger werden, ist das Boot der "Vikings" bald am Sinken.

von

Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

12/22/2018, 02:46 PM

Der Titel der dieswöchigen Episode "Alles ist dunkel" (Original: "The Lost Moment") kann als Omen für "Vikings" gesehen werden, wenn Serien-Schöpfer und alleiniger Autor Michael Hirst so weiter macht wie bisher in der zweiten Staffelhälfte. Schon in der ersten Hälfte wurden die Zeitsprünge zwischen den Szenen immer größer und die Logik und Plausibilität der Handlung immer dünner. Aber nun beginnt Hirst damit, völlig abstruse und wenig nachvollziehbare Wege für gut eingeführte und bisher auch interessant dargestellte Charaktere einzuschlagen. Wenn die Serie diese Irrfahrt nicht beendet, ist das Boot der "Vikings" bald am Sinken.

 

Achtung: SPOILER voraus! Wer die neue Folge von "Vikings" noch nicht gesehen hat, sollte hier vor Anker gehen.

 

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Ivar wird zum unglaubwürdigen Comic-Schurken

Um die teilweise abstruse Entwicklung der Charaktere besser aufzuzeigen, orientieren wir uns diesmal nicht an den Orten der Handlung, sondern an den Personen. Ganz oben auf der Liste der immer unglaubwürdigeren Charaktere steht natürlich Ivar, der Knochenlose.

Es ist wirklich schade zu sehen, wie der zuvor hervorragend eingeführt Sohn von Ragnar immer mehr zu einer vollkommen überzeichneten Comic-Figur wird. Der charismatische Ivar, gespielt von Alex Høgh Andersen, ist neben Björn der interessanteste Sohn von Ragnar. In der vierten Staffel wurde er gekonnt aufgebaut und als Nachfolger der Hauptfigur etabliert. Doch in der fünften Staffel hat Hirst den Bogen völlig überspannt. Schon in der ersten Hälfte wurde Ivar, der Unberechenbare, immer berechenbarer: Meist war schon von vornherein klar, dass er inzwischen unbesiegbar ist. Nun ist er also ein Gott. Nur wie ist es überhaupt möglich, dass Ivar seine Macht in Kattegat erhält oder konsolidieren konnte?

Kattegat konnte er nur erobern, weil er Unterstützung von Rollo und Harald hatte. Beide sind inzwischen abgezogen. Auch basierte die Macht eines Wikingerkönigs in der Serie immer auf der Anerkennung durch seine Krieger und sein Volk. Aber die Herrschaft von Ivar ist eine Schreckensherrschaft, wie diese Folge eindeutig zeigt. Noch dazu eine Schreckensherrschaft, gegen die es Widerstand im Volk und von seinem eigenen Bruder gibt. Außerdem ist ein Großteil von Ivars Männern in der Schlacht um Kattegat gefallen. Mit welchen Truppen hält er sich also an der Macht?

Ivar wird immer mehr zu einem überzeichneten Comic-Schurken, der völlig abgehoben von realistischen Annahmen agiert. Auch das überzogene Schauspiel von Andersen erinnert immer öfter an den Batman-Schurken Joker statt an einen Wikingerführer. Die Wikinger von Kattegat schauen immer mehr wie ein exotischer Stamm aus Afrika aus.

Die Eröffnungsszene, die den Cliffhanger der letzten Episode auflöst, macht die aberwitzige Realitätsferne überdeutlich: Ivar opfert Lagertha den Göttern, obwohl ziemlich klar ist, dass es sich bei der Frau nicht um Lagertha handelt. Schließlich ist sie ja in Kattegat keine Unbekannte. Auch wenn Hirst damit den Größenwahn und bevorstehenden Fall Ivars ankündigen will, ist die Charakter- und Plot-Entwicklung der Serie im Vergleich zu den ersten drei Staffeln doch schon ziemlich flach geworden.

 

Björn wird zum gekränkten Kind

Während Ivar zum überzeichneten Comic-Schurken mutiert, scheint der zweite charismatische Sohn von Ragnar, Björn, zum zickigen Kind zu werden. Wo ist der wagemutige und smarte Björn geblieben, den wir aus seinen Abenteuern im Mittelmeer kennen? In England führt er sich wie ein rotziger Teenager auf, obwohl seine Zukunft vom Wohlwollen von König Alfred abhängt.

Dann lässt er sich auch noch von einem dahergelaufenen Typen wie Magnus gegen König Alfred aufstacheln? Björn stellt Magnus tatsächlich Lagertha und Ubbe vor, der ihnen von seinen Träumereien erzählt, das Königreich von Wessex zu stürzen. Sie sollen sich doch König Harald anschließen. Echt jetzt, Björn? Was will der einst zwar leidenschaftliche, aber auch sehr besonnene Björn mit dem verwirrten Magnus? Dachte er allen Ernstes, dass Ubbe und Lagertha nach der Schlacht von Kattegat diesen wirren Vorschlag auch nur in Erwägung ziehen?

Björn wird, seit er abrupt von seinem Mittelmeer-Abenteuer zurückgekehrt ist, immer mehr zu einer uninteressanten Randfigur. Das ist schade, denn eine zeitlang schien es als ob "Vikings" neben den Schauplätzen in Kattegat und Wessex auch weitere Handlungsstränge rund um Floki in Island und Björn im Mittelmeer entwickeln würde. Davon ist leider nicht mehr viel zu sehen.

 

Floki scheitert als Führungsfigur

Apropos Floki. Die Handlung in Island dreht sich nun schon seit einer gefühlten Ewigkeit im Kreis. Zwar hat der als Anführer völlig versagende Floki nun endlich die Sippe von Eyvind verbannt, aber Floki und die anderen Charaktere in Island bleiben ziemlich blass. Vor allem aber ist dieser Handlungsstrang inzwischen nur noch langweilig. Es scheint, als ob Hirst keine Ahnung hat, wohin die Handlung im hohen Norden führen soll.

Heahmund hat keinerlei Charisma

Heahmund war zwar noch nie ein sonderlich glaubwürdiger Charakter, aber immerhin am Anfang nicht uninteressant. Seine Gratwanderung zwischen seiner Liebe zu Gott und seiner viel größeren Liebe zu sich selbst hatte dramatisches Potenzial. Als Sklave von Ivar wurde diese egozentrische Rückgratslosigkeit des Bischofs auch gut herausgearbeitet. Doch davon ist inzwischen nichts mehr übrig. Seit er der Lover von Lagertha ist, hat er jegliches Charisma verloren. Überhaupt entbehrt die Liebesbeziehung zwischen den beiden jeglicher Leidenschaft. Zwischen den Schauspielern ist keinerlei Chemie zu spüren, im Gegenteil: Das übertriebene Schauspiel von Heahmund-Darsteller Jonathan Rhys Meyers macht die Figur noch unglaubwürdiger. Hinzu kommt, dass auch der Plot rund um sein Bischofsamt völlig unglaubwürdig ist. Scheinheiligkeit im Bischofsamt gab es schon immer. Doch als Bischof ist Heahmund nach dem öffentlichen Mord an seinem Vorgänger einfach nicht mehr glaubwürdig.

Lagertha gewinnt in seinem Umfeld auch nicht gerade an Charisma und Profil.

 

Die letzte Hoffnung: König Alfred und Ubbe

Aber kommen wir zu den positiven Entwicklungen: Die Verschwörung gegen König Alfred in Wessex ist zurzeit die beste Entwicklung in "Vikings". König Alfred und sein Bruder, Prinz Aethelred, gewinnen immer mehr an Profil (auch wenn es bei Alfred schleppend vorangeht).

Und wer hätte gedacht, dass aus Ubbe noch einmal ein interessanter Charakter wird. Der zum Christentum bekehrte Sohn Ragnars entwickelt ungeahntes Potenzial in England.

In Kattegat gilt dasselbe für seinen Bruder Hvitserk. Sein Widerstand gegen Ivar verleiht ihm zunehmend Profil. Allerdings zeigt seine neue Geliebte erneut wie hastig Hirst inzwischen erzählt. Gerade hat Hvitserk noch um Magrethe getrauert, schon taucht aus dem Nichts eine neue Frau auf und landet in Windeseile im Bett von Hvitserk. Das verdeutlicht einmal mehr die immer größeren Zeitsprünge zwischen den Szenen. Die verschiedenen Handlungsstränge gehen oft zeitlich nicht mehr zusammen.

Wir halten "Vikings" immer noch für eine sehenswerte Serie, aber mit eindeutiger Tendenz nach unten. Wenn Serien-Autor Michael Hirst so weiter macht, wird "Vikings" bald das Schicksal der Erfolgsserie "The Walking Dead" erleiden, die inzwischen eine seichte Seifenoper aus endlosen Wiederholungen geworden ist.

 

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