Proletarisches Kino: Programm 17 - Fritz Rosenfeld 6

USA, 1927

Film

Ein kleiner Angestellter eines Zigarrenladens ist mit einem dieser wunderhübschen, schlanken, geschmeidigen, engelhaften Girls verheiratet. Da er nicht soviel Geld verdient, wie das Girl braucht, hält sich das Girl einen zahlungskräftigen Liebhaber. Die äußerliche, konventionelle Zärtlichkeit für den Gatten, von Liebe weit entfernt, wird durch das Verhältnis zu dem reichen Anbeter keineswegs gestört. Der Mann muss des Morgens das Frühstück bereiten, den Haushalt versorgen und dann seinem Beruf nachgehen; die Frau Gemahlin schläft bis in den hohen Tag hinein und empfängt dann ihren Liebhaber, dem sie ihre Rechnungen präsentiert. Aber auch der Liebhaber hat dieses geldgierige, von Gefühl und Gewissen unbeschwerte Girl satt. Als er einmal die Bezahlung hoher Rechnungen verweigert, greift die jähzornige Dame zum Revolver und knallt den Galan über den Haufen. Sie erzählt dem Gatten, der Tote wäre ein Einbrecher, der sie vergewaltigen wollte. Die Dornenkrone der Märtyrerin gekränkter Frauenehre steht ihr so gut, dass der Reporter eines Sensationsblattes ihr rät, diese Rolle weiterzuführen. (...) Sie ist die Heldin des Tages; die «schönste Mörderin Chicagos», die gepeinigte Dulderin, das leidende Weib. Kein Mann in Amerika kann diesen Bildern, diesen Schilderungen widerstehen. Ihr Freispruch ist so gut wie sicher. (Fritz Rosenfeld) Chicago, später als Roxie Hart (William A. Wellman, 1942) und sehr viel später unter seinem Originaltitel und als Musical nochmals verfilmt (Rob Marshall, 2002), ist ein Reißer und melodramatischer Tendenzfilm, der dem Girlkult und der Sensationspresse der «Roaring Twenties» den Krieg erklärt. Von allen Filmen, bei denen Cecil B. DeMille die Hand im Spiel hatte, ist er auch der einzige, dem der Kritiker etwas abgewinnen kann, denn für Rosenfeld stellt der Großfilmer, der die Regie hier seinem lang gedienten Assistenten Frank Urson überlassen hat, den Inbegriff all dessen dar, was Hollywood an konservativer Weltanschauung und moralinsüßem Kitsch unters Volk bringt. Seine detailgenaue Kritik für die «Arbeiter-Zeitung» nennt er «Girldämmerung». Unter demselben Titel erscheint fünf Tage später die Rezension der «Frankfurter Zeitung»: Auch «raca» (Siegfried Kracauer) zeigt sich von Chicago begeistert.

(Text: Viennale 2007)

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