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Filmkritik

"Son of Saul": Eine Odyssee durch den schrecklichsten Ort der Welt

Regisseur László Nemes wählte für sein Oscar prämiertes Holocaustdrama eine ungewohnte Erzählweise von geradezu dokumentarischer Strenge.

03/16/2016, 12:41 PM

Die Handkamera haftet ständig an der Hauptfigur Saul Ausländer, fängt sein Gesicht in Großaufnahme ein, umkreist ihn und folgt den Wegen dieses Mannes, der als Mitglied des sogenannten Sonderkommandos im KZ Auschwitz-Birkenau eine schreckliche Aufgabe erfüllt: er sammelt die Habseligkeiten jener unglückseligen Neuankömmlinge ein, die von den Nazis direkt in die Gaskammer geschickt werden. Auch mit dem Abtransport der Leichen und der Säuberung dieser Todeskammern ist er betraut.

Nachdem er einen jungen Toten als seinen Sohn identifiziert hat (ob das tatsächlich stimmt, bleibt offen), unternimmt er unglaubliche Anstrengungen, um dem Leichnam ein angemessenes Begräbnis zu ermöglichen. Bei der Suche nach einem Rabbi, der die standesgemäße Einsegnung durchführen soll, gerät sein privates Interesse in Konflikt mit den Plänen seiner Gruppe, da die Mitglieder des Sonderkommandos einen Aufstand planen, zu dessen Gelingen Saul ebenfalls beitragen muss.

Nemes Film hat weder etwas mit einer Art von allzu biederem Betroffenheitskino zu tun, noch will er es den Zuschauern visuell leicht machen. Der grauenvolle Alltag im Konzentrationslager wird uns durch die Erzählperspektive nämlich nur fragmentarisch zugänglich. Zwar sind in vielen Szenen die Haufen der nackten Leichen oder andere Spuren der Vernichtung im Hintergrund präsent, dennoch bleibt vieles unserer Phantasie überlassen – auch bewusst gesetzte Unschärfe trägt zu dieser Wirkung bei. Wir fühlen uns als Begleiter von Sauls Odyssee, die sich innerhalb weniger Stunden zuträgt, oft desorientiert und sind mitunter überfordert, weil wir ohne Erklärungen mitten ins Geschehen hineinversetzt werden. Die genauen Abläufe in diesem System des Terrors sind uns nicht vertraut und auch die Strukturen und Instanzen innerhalb des Lagers bleiben uns großteils fremd. Zur allgemeinen Verwirrung trägt auch ein vielstimmiges Sprachengemisch bei, zusammengesetzt aus Jiddisch, Polnisch, Ungarisch und Deutsch (wobei hier die hingebellten Kommandoworte oder Beschimpfungen überwiegen).

Der Film ist ein Trip ins Inferno und führt uns an einen der schrecklichsten Orte, die jemals existiert haben. „Son of Saul“ zeigt uns das Leben im KZ auf eine unerwartete und bisher ungesehene Weise.

9 von 10 Gedenkpunkten.

franco schedl

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Regisseur László Nemes zeigt uns in seinem mit dem Golden Globe ausgezeichneten Erstlingswerk eine neue, ganz intime Perspektive auf den Holocaust.

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