"Bugonia"-Filmkritik: Emma Stone – kahlköpfig und geschunden

Kahlgeschorene Frau sitzt in Keller auf einer Liege
Lanthimos bietet in seinem neuen Film ein intensives Drei-Personen-Stück voller Paranoia, bösem Humor und Überraschungen.

Als Emma Stone und Giorgos Lanthimos einander erstmals über den Weg gelaufen sind, war das ein schicksalhafter Moment für die Filmgeschichte. Nun geht mit "Bugonia" bereits das Ergebnis ihrer vierten Zusammenarbeit an den Start. Hinter dem Titel verbirgt sich nicht etwa ein Blumenname (obwohl "Begonia" auch nicht schlecht klingen würde), sondern ein satirischer SciFi-Thriller. 

Frau wird vor Auto in Hausauffahrt von Mann in Schutzanzug angegriffen

Szene aus "Bugonia"

Remake von "Safe the Green Planet!"

Stone spielt eine mächtige Pharmakonzern-Chefin, die von einem Verschwörungstheoretiker (Jesse Plemons) entführt wird, da er die Frau für ein Alien halten, von dem Gefahr für die Menschheit droht. Was nach einem typischen Lanthimos klingt, ist es aber gar nicht, denn diesmal greift der Regisseur auf einen anderen Film zurück. Er legt mit "Bugonia" das Remake der bitterbösen Science Fiction-Komödie "Save the Green Planet!" des Südkoreaners Jang Joon-hwan aus dem Jahr 2003 vor. Die Geschichte wird - abgesehen von einigen wichtigen Änderungen - großteils beibehalten (im Original war das Entführungsopfer zum Beispiel ein Mann und der Komplize weiblich), und nur der Schauplatz ins heutige Amerika verlegt.

Zwei Männer in Schutzanzügen beugen sich in dunklem Keller über Frau auf Liege

Szene aus "Bugonia"

Haare als Kommunikationsmittel

Teddy ist ein unterprivilegierter Arbeiter und Bienenzüchter mit einer sehr speziellen Weltsicht. Nachdem seine Mutter durch ein experimentelles Medikament schweren Schaden genommen hat, erkennt er, dass dahinter eigentlich eine Alien-Verschwörung steckt, die darauf abzielt, unsere Spezies zu zerstören. Das will er nun gemeinsam mit seinem unterbelichteten Cousin (Aidan Delbis) verhindern. 

Die beiden Männer schnappen sich die vermeintliche Außerirdische Michelle Fuller und halten sie im Keller eines Hauses in den Wäldern Georgias fest. Als erstes rasieren sie ihr gleich mal den Kopf kahl, weil es ja wohl allgemein bekannt ist, dass Aliens über ihre Haare kommunizieren. Da sich die Entführte als sehr unkooperativ erweist und nicht sagt, was Teddy hören möchte, greift er zu immer drastischeren Mitteln, um aus Michelle die Wahrheit herauszupressen und bald fließt wirklich Blut.

Kahlrasierte Frau steht in Holzhütte

Szene aus "Bugonia"

Toller Cast und "blind komponierte" Musik

Die kahlköpfige Emma Stone beherrscht mit ihrer geschundenen Präsenz ohnehin die Leinwand, als ihr würdiger Gegenspieler erweist sich ein diesmal stark abgemagerter Plemons. Er spielt den paranoiden Hinterwäldler, hinter dessen Augen der Wahnsinn wohnt, auf beängstigend glaubhafte Weise und liefert ein paar denkwürdige Auszucker; eigentlich offenbart er sich aber auch als höchst tragische Figur. Eine wirkliche Entdeckung ist der sensationelle Newcomer Aidan Delbis, den man künftig hoffentlich nicht auf die Rolle eines etwas zurückgebliebenen jungen Mannes festlegen wird, da er bestimmt noch viel mehr zu bieten hat.

Dass uns der Film derart unter die Haut geht, beruht zu einem guten Teil auch auf der Musik von Lanthimos Lieblingskomponisten Jerskin Fendrix. Der musste diesmal sozusagen auf Stichworte hin tätig werden, denn der Regisseur zeigte ihm weder das Drehbuch noch Teile des fertiggestellten Films, sondern lieferte ihm nur die vier Begriffe "Bienen, Keller, Raumschiff und kahle Emma" als Kompositionsanregung. Umso erstaunlicher hört sich das Ergebnis an.

Zwei Imker in Schutzanzügen betrachten Wabe voller Bienen

Szene aus "Bugonia"

Unvergessliches Finale

Während im südkoreanischen Original die Genres oft in Sekundenschnelle wechseln und von hartem Folter-Horror bis zu irrwitzigen Slapstickeinlagen alles vorhanden ist, geht es Lanthimos eher ruhiger an und bietet über weite Strecken ein dialoglastiges Drei-Personen-Stück. Gegen Ende steigert sich allerdings der Gewaltgehalt und was als Entführungskrimi beginnt, wird zu einer beklemmenden Parabel auf menschliches Fehlverhalten, das in einem unvergesslichen Finale gipfelt - zu den Tönen von "Sag mir, wo die Blumen sind?". Die Bienen, mit denen der Film beginnt und endet, haben jedenfalls kein Problem, auf diese Frage eine Antwort zu finden.

4 von 5 Taschenrechnern mit Teleportations-Funktion

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