"The Crown": Ist Staffel 6 wirklich sehenswert?

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Eines vorweg: Die neue Staffel der Erfolgsserie scheitert königlich. APA-Filmexpertin Marietta Steinhart analysiert.

Der Geist von Prinzessin Diana schwebt über den ersten Folgen der 6. Staffel von "The Crown", und zwar buchstäblich. Sie erscheint nach ihrem Tod und unterhält sich mit Charles und der Königin. Genau wie die Tragödie, um die es hier geht, handelt es sich bei der Fortsetzung um ein Boulevardwrack in einem Ausmaß, wie es die Netflix-Serie noch nie zuvor gesehen hat.

Dianas Unfall wird nicht gezeigt

"The Crown" fackelt nicht lange rum. Die erste Folge der neuen Staffel beginnt mit dem Spektakel des Todes der Königin der Herzen. Ein Mann geht mit seinem Hund nachts Gassi und sobald wir den Eiffelturm sehen, wissen wir, was als nächstes passiert. Ein schwarzer Mercedes rast in einen Tunnel, gefolgt von Paparazzi, und dann, fast sofort, hört man das Quietschen der Bremsen und das Knirschen der Karosserie.

Die Bedenken, die es diesbezüglich gab, können zerstreut werden. Der einstige Wahlwiener Peter Morgan, der Schöpfer der Serie, ist zu respektvoll, um den grausigen Autounfall zu zeigen, bei dem Prinzessin Diana, Dodi Al-Fayed und ihr Fahrer Henri 1997 ums Leben kamen. Wir bleiben bei dem Fremden, der sein Handy herausholt, um einen Krankenwagen zu rufen.

Wie geht es weiter?

Die ersten vier Episoden dieser Staffel (sechs weitere erscheinen am 14. Dezember) beginnen zwei Monate vor dem Crash, als die Princess of Wales (Elizabeth Debicki) immer mehr von Paparazzi verfolgt wird, und enden mit ihrer Beerdigung. Die Öffentlichkeit sah sie durch diese Bilder, und die Serie stellt sie nach: Diana traurig in einem blauen Badeanzug auf dem Sprungbrett der Jacht von Dodi; Diana, die durch ein Feld voller Landminen läuft; Diana auf der Flucht vor Blitzlichtgewitter; William und Harry, die hinter dem Sarg ihrer Mutter gehen.

Serie hat Reiz verloren

Früher hatten einzelne Episoden unterschiedliche Schwerpunkte: hier ein urkomischer Besuch von Margaret Thatcher bei den Royals, dort ein schrulliger Eindringling im Schlafzimmer der Queen. Jetzt, wo es allein um die letzten Tage von Diana geht, hat die Serie, die einst so sehenswert war, ihren Reiz verloren

Debicki ist zwar großartig, aber sie wird von den Autoren zur Heiligen stilisiert. Währenddessen macht die königliche Familie das, was sie am besten kann: in Schottland schmoren. Charles (Dominic West) erklärt Diana den PR-Krieg. Imelda Stauntons Queen wird hier zu einer kleinen Nebenfigur degradiert, während Bertie Carvels Tony Blair in der Downing Street hockt, und Lesley Manvilles Prinzessin Margaret völlig unbemerkt vorbeischlüpft.

Falsche Vorstellungen von Happy End

Es gab schon immer eine Kluft zwischen der Realität und der blühenden Fantasie von Peter Morgan. In der neuen Staffel erreicht das allerdings neue Ausmaße. Dazu gehört ein schrecklich sentimentales Gespräch zwischen Diana und Dodi (Khalid Abdalla) kurz vor ihrem Tod, in dem sie seinen Heiratsantrag ablehnt, die beiden aber Freunde bleiben. Später erscheinen Diana und Dodi aus dem Jenseits, um den Verbliebenen eine Art Absolution zu geben. 

Ein Highlight: wenn die postmortale Diana die Hand der Queen nimmt und sanft flüstert: "Du hast uns immer gezeigt, was es bedeutet, britisch zu sein. Vielleicht zeigst du, dass du auch lernen kannst." Ob es sich buchstäblich um Geister oder einfach nur um Fantasien der Figuren handeln soll, ist nicht klar. Man hat jedenfalls das Gefühl, dass die Autoren ständig versuchen, Diana Momente eines "guten Endes" zu geben, wenn es für diese Frau kein Happy End gab.

Zweiteilung der Serie suboptimal

Es war auch ein Fehler, diese Staffel in zwei Teile aufzuteilen. Es mag inzwischen zum Geschäftsmodell von Netflix gehören, um sein Publikum länger zu binden, aber dadurch fühlen sich diese vier Episoden letztendlich wie die "Diana-Show" an.