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Interview mit Reinhold Bilgeri zu seinem neuen Film "Erik&Erika"

Diese Woche startet das Biopic „Erik&Erika“ in unseren Kinos.

03/01/2018, 03:49 PM

Mit seinem neuen Film ist Reinhold Bilgeri jetzt schon ein Top-Anwärter für den Publikumsmagneten des Jahres. „Erik&Erika“ überzeugt durch eine visuell spannend umgesetzte Geschichte, die sowohl berührt als auch unterhält. Das von Raimund Hepp musikalisch atemberaubend untermalte Drama setzt das Schicksal eines Jungen aus Kärnten in Kontext zur weltweiten Genderdebatte. Wir haben uns mit dem Regisseur Reinhold Bilgeri getroffen, um über Außenseiter und das internationale Filmgeschäft zu reden.

Wie kamen Sie auf die Idee, das Leben von Erik Schinegger zu verfilmen?

Als ich in Hollywood war, stellten mich zwei gute Freunde einem Autor vor, der bereits an einem Drehbuch über Schinegger arbeitete. Ich fand die Geschichte interessant, aber das Drehbuch war noch zu amerikanisch und nicht ausgereift genug. Als ich nach Österreich zurückkam, bot mir die Lotus Film, die dasselbe Thema bereits aufgegriffen hatte, an, das von Dirk Kemper geschriebene Drehbuch zu verfilmen. Nachdem ich eine Regiefassung geschrieben hatte, beschlossen der ORF und der SWR den Film ebenfalls zu unterstützen.

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Was hat Sie an dem Stoff so fasziniert?

Ich war damals schon ein großer Fan von der Erika und habe Skifahren geliebt. Als herauskam, dass sie ein Mann war, war ich sehr traurig, nicht weil sie gelogen hatte, sondern weil sie unsere einzige Gold-Medaillen Hoffnung war. Ich hätte mir gewünscht, dass man ihr auch als Mann eine Skirennfahrer-Karriere ermöglicht hätte. Im Training hatte sie immerhin Franz Klammer geschlagen. Sie war eine Außenseitern die ihren eigenen Weg gegangen ist, das hat mich fasziniert.

Sie waren als junger Musiker und Autor auch in einer Außenseiterrolle, konnten Sie sich mit der Figur identifizieren?

Ich bin in Vorarlberg aufgewachsen, das damals nach Tirol das konservativste Bundesland von allen war. Wir waren von den Pariser Studentenunruhen beeinflusst und waren die ersten Linken in der Provinz, die gegen den konservativen Ex-Nazi-Mief aufgetreten sind. Genau in diese Zeit ist dann auch das tragische Schicksal von Schinegger gefallen. Während die Jugend gegen veraltete Wertevorstellungen kämpfte, kam auf einmal ein Mädchen daher, das gar kein Mädchen war, sondern nur ein schneller Skifahrer und wurde durch die Genderuntersuchungen zum Unikum. Sie war verbannt in einem System, das durch eine patriarchalische Hierarchie geprägt war und in dem Frauen nichts zu sagen hatten. Von einer Laune der Natur stigmatisiert, wurde sie zu einem Außenseiter der Gesellschaft.

Erik&Erika“ hat sowohl einen regionalen Touch als auch ein international brisantes Thema. Durch die weltweite Genderdebatte ist Schineggers damaliger Konflikt hochaktuell; war das mit ein Grund, warum der Film jetzt in die Kinos kommt?

Ich hatte dazu letztens in Los Angeles ein stundenlanges Interview mit Journalisten einer Sportzeitschrift, die vom Film gehört hatten. Es ist reiner Zufall, dass Schinegger aus Kärnten ist, er hätte auch Australier oder Amerikaner sein können, und die Geschichte wäre genauso spannend. Die Frage bleibt die gleiche: Wie reagiert eine Gesellschaft in der damaligen Zeit auf ein völlig tabuisiertes Thema?

Das Biopic ist kein reines Drama, es gibt auch viele humorvolle Szenen. War es Ihnen wichtig, die Balance zwischen Tragik und Komik zu halten?

Das war mir ein großes Anliegen. Ich wollte kein Trauerspiel sondern eine Erfolgsgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen zeigen. Ich wusste, dass es lustige Szenen geben würde. Als er das erste Mal mit dem Penis pinkelt zum Beispiel, damals war das ein wichtiges Ereignis für ihn, aber gleichzeitig ist es auch lustig mitanzusehen, wie etwas so banales eine große Bedeutung bekommt. Auch die Sprachlosigkeit der ÖSV-Funktionäre finde ich unglaublich witzig. Sie waren in ihrem Büro vollkommen hilflos und besaßen auch nicht die Eloquenz, die Führungspositionen heute mit sich bringen müssen.

Sie zeigen Erik in vier verschiedenen Lebensabschnitten mit drei verschiedenen Schauspielern und Schauspielerinnen. Wie war der Castingprozess? Worauf haben sie Wert gelegt?

Die wichtigste Frage war, wie maskulin oder feminin wir die Figur besetzen, denn er war ja immer ein Mann. Ich wollte einen schönen Schauspieler mit einer passenden Perücke, um die Figur nicht lächerlich oder clownesque wirken zu lassen. Ich habe während den Dreharbeiten oft mit Markus Freistätter gesprochen, um die richtige Balance zwischen Erik und Erika zu finden. Die Tatsache, dass Schinegger als Mädchen erzogen wurde, hat natürlich einige Verhaltensmuster mit sich gebracht, die man nicht los wird. Er wurde sowohl von den Mädchen als auch von den Burschen abgelehnt und er wusste, er kann nur akzeptiert werden, wenn er sich auf etwas konzentriert, in dem er gut ist - das Skifahren. Das Tragische an seiner Geschichte ist auch, dass er sein Leben lang verstoßen wurde und ausgerechnet am Zenit seines Erfolges mit den Anschuldigungen konfrontiert wurde. Er verlor alles und zur privaten Hölle kam dann noch die öffentliche Hölle dazu.

Visuell sieht „Erik&Erika“ nach einer internationalen Produktion aus. Wie wichtig war Ihnen die visuelle Umsetzung? Wie eng haben sie mit ihrem Kameramann zusammengearbeitet?

Es ist mir ein großes Anliegen, internationale Filme zu machen. Ich bin ein großer Fan von den Alt-Meistern David Lean, Sergio Leone und David Lynch. Als ich Carsten Thieles Kameraarbeit in „Egon Schiele: Tod und Mädchen “ gesehen habe, wusste ich, dass er der richtige Kameramann für „Erik&Erika“ war. Die Szenen aus Eriks Jugend sollten wie ein altes vergilbtes Foto wirken, im Kontrast dazu wollte ich die Aufnahmen aus dem Spital setzen, die von Kälte und Sterilität geprägt sind.

Haben Sie schon Ihr nächstes Projekt im Visier?

Ich habe mehrere Romanadaptionen geschrieben und hoffe eine davon in nächster Zeit auf die große Leinwand bringen zu können. Mein Herzensprojekt ist ein von mir verfasstes Drehbuch über Magellan, das ich seit 30 Jahren anträume. Das Budget sprengt jedoch den Rahmen der österreichischen Filmförderung und wäre nur mit internationalen Stars und Geldgebern zu finanzieren.

"Erik&Erika" ist auch für die wenigen nicht Skibegeisterten in Österreich einen Kinobesuch wert!

Özgür Anil

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