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Serien-Review

Star Trek Discovery: Zeitreise und andere paradoxe Verwirrungen

Serien-Review: Nicht Zeitreise, sondern die vielen Löcher in der Handlung dieser Episode sorgen für jede Menge Verwirrung.

von

Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

03/25/2019, 09:53 AM

In der mit demonstrativer Emotionalität und wenig durchdachten Ereignissen überfrachteten Episode "Der rote Engel" wird endlich die Identität des titelgebenden Phänomens enthüllt. Wie wir schon wissen, handelt es sich um einen Zeitreisenden. Doch wer ist dieser Zeitreisende? Selbstverständlich wird uns ziemlich eindeutig eine Vermutung untergeschoben, die sich dann als falsche Fährte herausstellt. Doch leider ist die Enthüllung der Identität des Roten Engels wie so oft in dieser Serie vor allem ein Twist um des Twists willen.

Bevor wir uns in den paradoxen Verwirrungen der Zeitreise hingeben: SPOILER-ALARM!

Dem Spoiler-Alarm schließen wir diesmal auch gleich eine Warnung vor Abschweifungen an, die aufgrund gleichbleibend oberflächlicher Charakter-Entwicklung und Handlungsverläufen voller Logiklöcher einfach unvermeidlich sind.

 

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Die Sache mit den Zeitreisen

Verwirrung ist vorprogrammiert, sobald Zeitreise ins Spiel kommt. Bei einer Prequel-Serie wie "Star Trek: Discovery" ist die Flucht in die Zeitreise eine verführerische Option, um dem einengenden Korsett des bestehenden Serien-Kanons zu entkommen. Showrunner Alex Kurtzman hat diesen Trick ja schon einmal beim Reboot der Kinofilme angewandt. Ob auch hier eine neue "Star Trek"-Timeline geschaffen wird, bleibt abzuwarten. Schon jetzt kann aber gesagt werden: Diese Episode sorgt für Verwirrung!

Der Tod von Airiam hat uns in der letzten Episode schockierend eine neue Bedrohung vor Augen geführt: die Künstliche Intelligenz "Control". Eine Episode später scheint diese Bedrohung nicht mehr so präsent zu sein, obwohl der dramatische Verlust von Airiam zelebriert wird (aber dazu später). Erhöhte Aufmerksamkeit ist gefragt. Es könnte ja sein, dass die KI noch irgendwo versteckt ist. Obwohl es "Control" möglich war, Airiam über große Entfernungen hinweg zu hacken, wird davon ausgegangen, dass die Zerstörung des Hauptcomputers im Hauptquartier der Sektion 31 auch die KI zerstört hat. Wie unrealistisch ist das denn? Offensichtlich dient diese Naivität nur dazu, um dann doch wieder einen kleinen Twist zu erzeugen.

"Star Trek: Discovery" erzählt einfach keine echte zusammenhängende Geschichte. Einmal so, dann wieder so. Jede Episode steht für sich selbst, als Klammer wird eine diffuse Rahmenhandlung präsentiert. Man fühlt sich wie in einer Fortsetzung von "Scream": Während es im ersten Teil noch eine Chance gab, den Zusammenhängen zum Mörder zu folgen, ging es später nur noch um den schockierenden Twist. Für das Publikum war es völlig unmöglich, hinter die an den Haaren herbeigezogenen Zusammenhänge zu kommen. 

Außerdem scheint die KI aus der Zukunft gekommen zu sein, sozusagen als blinder Passagier des Roten Engels. Aber wovor will der Engel dann warnen, wenn er selbst die Bedrohung erst auslöst? Und wieso wollte "Control" dann unbedingt mit Hilfe von Airiam an die Daten aus der Zukunft kommen, wenn die KI doch selbst aus der Zukunft kommt?

Wir erfahren diesmal, was wir ohnedies schon vermutet haben: Der Rote Engel hat die "bioneurale Signatur" von Michael Burnham. In alter Tradition von "Star Trek" wird mit hochprofessionell klingenden, pseudo-wissenschaftlichen Fremdwörtern nicht gespart, um zu verdeutlichen: Burnham ist der Rote Engel.

Aber dann wird's wieder zu bunt: Wir erfahren, dass die Eltern von Burnham Agenten der "Sektion 31" waren, Burnhams Mutter den Zeitreise-Anzug erfunden und mit Hilfe eines von den Klingonen gestohlenen Zeitkristalls in Betrieb genommen hat.

Zeitkristall? Mutter? Irgendwer hat hier offensichtlich etwas ganz massiv verwechselt: Wir befinden uns im Sci-Fi-Universum von "Star TREK", nicht im Fantasy-Universum von "Star WARS"! Zeitkristall? Wieso nicht gleich irgendeine übernatürliche Macht oder der Zauberer Merlin?

Um den Roten Engel einzufangen, muss Burnham sterben. Wir sollen ja glauben, dass sie sich immer selbst rettet. Aber wieso sie unbedingt qualvoll sterben muss, weiß keiner. Wahrscheinlich will Spock sie noch ein wenig leiden sehen. Oder so ähnlich?

 

"Star Wars" statt "Star Trek"?

Der Twist: Der Rote Engel ist nicht Burnham, sondern ihre Mutter. Das passt irgendwie: Michael Burnham ist nun endgültig der Luke Skywalker von "Star Trek: Discovery". Trotzdem sollte irgendjemand einmal bei Franchise-Chef Alex Kurtzman vorsprechen und ihm den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen "Star Trek" und "Star Wars" erklären – und bei der Gelegenheit auch gleich Science-Fiction und Fantasy auseinander dividieren.

Natürlich ist auch die böse KI wieder da. Das dürfte aber niemanden überraschen. Welche Geschichte will uns "Star Wars: Discovery" eigentlich erzählen? Und kommt heute eigentlich keine Serie mehr ohne Mystery aus?

 

Noch einmal mit sehr viel Gefühl

Lassen wir die Verwirrungen des Plots hinter uns und widmen wir uns den Charakteren. Und was macht Charaktere aus? Freude, Leid, zwischenmenschliche Beziehungen. Mit einem Wort: Emotionen! Genau damit spart diese Episode nicht.

Wir steigen mit einer theatralischen Bestattungszeremonie mit allen (paramilitärischen) Ehrungen der Sternenflotten ein. Der Tod von Airiam war wirklich bewegend, auch wenn ihre gesamte Geschichte innerhalb einer Episode aus dem Hut gezaubert wurde. Aber diese kitschige Zeremonie für das verstorbene Crew-Mitglied ist völlig überzogen.

Unweigerlich kommt die Frage auf: Haben eigentlich all die Statisten früherer "Star Trek"-Serien, die bei Außeneinsätzen immer einem vorhersehbaren Tod geweiht waren, auch so ein imposantes Begräbnis erhalten? In der ersten Staffel von "Star Trek: Discovery" war nichts davon zu sehen als die Sicherheitschefin der USS Discovery starb. Na gut, da war ja noch der eisige Captain Lorca am Ruder. Aber auch als gleich in der ersten Episode der zweiten Staffel der arrogante Wissenschaftsoffizier starb, den Captain Pike von der USS Enterprise mitbrachte, war nichts von einer Bestattungszeremonie zu bemerken. Damals hätten wir uns sogar ein wenig mehr Anteilnahme erwartet. Und dann auch noch das Trauerlied von Saru. Way too much!

In dieser überinszenierten Emotionalität geht es dann weiter: Beinahe jeder und jede muss diesmal Gefühlsregungen zeigen: Tilly sowieso. Bei Burnham ist das ja auch nichts Neues. Auch die bisher eher kühle Nhan kuschelt mit Burnham. Die kommt auch wieder mit Ash Tyler zusammen. Dann versöhnt sich auch noch Spock mit seiner Schwester. Wenigstens auf den Zynismus von Georgiou ist Verlass. In einem unsensiblen Rundumschlag attestiert sie Stamets mehr Neurosen als seinem Spiegel-Pendant: "Schon einmal über Medikamenten nachgedacht", fragt sie ihn. Aber ein kurzer emotionaler Augenblick mit Burnham bleibt auch ihr diesmal nicht erspart.

Und warum läuft eigentlich Culber plötzlich im klassischen schwarzen Anzug mit weit aufgeknöpftem schwarzen Hemd herum?

Der Gipfel der überstrapazierten Gefühlsduselei ist aber der Moment als Burnham zu Captain Leland, seines Zeichens Chef der Sektion 31, stürmt und von ihm die Wahrheit hören will. Worüber eigentlich? Über sich, über alles, was die Sektion 31 bisher über den Roten Engel wusste und ihr bisher nicht sagte? Warum sollte er seine Karten jetzt auf den Tisch legen? Aus Reumütigkeit? Er tut es jedenfalls, erzählt ihr die ganze tragische Geschichte – und bekommt dann zwei Mal von Burnham eine geknallt: eine für Papa und eine für Mama. Das freut sogar Spock als er davon hört.

Fazit: Nichts in dieser Episode passt zusammen. Alles ist völlig überzogen, überdreht und überstrapaziert. Der Zeitreise-Plot schafft vor allem Verwirrung. Die Charakterentwicklung ist chaotisch. Sie verläuft nicht kontinuierlich und glaubwürdig, sondern sprunghaft und ganz willkürlich. Wenn es der Plot erfordert, kann ein Charakter die eine oder auch die andere Charakterentwicklung binnen Sekunden durchlaufen. Fast alles ordnet sich dem jeweiligen Plot der Episoden unter. Und der Plot ist vor allem vom Drang zur unerwarteten Wendung dominiert.

Trotz guter Ansätze zweifeln wir langsam daran, dass sich daran in "Star Trek: Discovery" noch irgendwann etwas ändern wird.

 

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