TV-Serie: Warum Westworld nicht das neue Game of Thrones ist

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4 Gründe, warum WESTWORLD nicht das neue GAME OF THRONES ist

Die Sci-Fi-Mystery-Serie von HBO ist zu komplex, um ein ähnliches Massenphänomen wie der Fantasy-Hit zu werden.

von

Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

06/12/2018, 08:31 AM

Das TV-Phänomen "Game of Thrones" des US-Senders HBO neigt sich der letzten Staffel zu. Sämtliche TV-Sender und vor allem Streaming-Anbieter wie Netflix, Amazon Prime Video und Hulu arbeiten daher mit Nachdruck an Serienformaten, die beim TV-Publikum eine ähnliche Popularität wie "Game of Thrones" erreichen können. HBO selbst hat die Serie " Westworld" am Start. Die Science-Fiction-Serie ist ebenso anspruchsvoll und hochwertig umgesetzt wie der Fantasy-Vorgänger. Schon nach der ersten Staffel hat die Serie eine lebendige Fan-Community. Trotzdem scheint es in der Mitte der zweiten Staffel eher unwahrscheinlich, dass "Westworld" ein ebenso breites Massenpublikum findet wie "Game of Thrones" – und zwar aus den folgenden Gründen:

 

1. Westworld ist zu komplex

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Im Vergleich zu "Westworld" ist die Handlung von "Game of Thrones" ( GoT) nahezu banal. Zwar hatte auch GoT zahlreiche Handlungsstränge, die seit 2011 über insgesamt acht Staffeln nach und nach zusammenlaufen. Aber diese Handlungsstränge wurden chronologisch meist sehr linear und damit ziemlich übersichtlich erzählt. Hingegen spielt Westworld nicht nur an unterschiedlichen Orten, sondern auch zu verschiedenen Zeiten. Während GoT wie ein Wettrennen auf mehreren Routen zu einer gemeinsamen Ziellinie war, gleicht WW eher einer Wanderung durch ein Labyrinth. Um der Handlung zu folgen, wird dem Zuseher einiges abverlangt. Das großartig veranstaltete Verwirrspiel erfordert deutlich mehr Aufmerksamkeit, um die verschiedenen Zeitebenen und versteckten Hinweise zu entschlüsseln.

Daher ist Westworld eher nichts für Couch-Berieselung, die – wie bei GoT - immer wieder mit Sex- und Gewalt-basierten WOW-Momenten das Abdriften ins Land der Träume verhindert. Dafür ist der Science-Fiction-Thriller aber Adrenalin für Rätselknacker und Mystery-Fans, die gerne Theorien austauschen. Nur ist diese Zielgruppe zwar ein lebendiger und wichtiger Teil einer Fan-Community, aber eben nicht das Fundament für ein Massenphänomen wie GoT.

 

2. Westworld ist zu kühl und leidenschaftslos

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Gewalt, Sex und Intrige wurden immer als die wesentlichen Ingredienzien von GoT bezeichnet. Alle drei Zutaten sind auch bei Westworld dabei. Allerdings wird all das wesentlich kühler serviert als bei GoT. Hass und Liebe sind die archaischen Ursachen der Gewalt in GoT. Alles kann auf Sympathie und Antipathie reduziert werden. Und auch die Handlungsstränge sind stark an Personen gebunden. Daher hatte bei GoT jeder einen Lieblingscharakter, andere Charaktere wurden gehasst. Abgesehen von den wenigen mysteriösen Elementen, die bald aufgelöst wurden, drehten sich Gespräche über GoT im Wesentlichen um die jeweiligen Lieblingsfiguren und um die alles entscheidende Frage: Wer muss als nächster dran glauben? GoT war als TV-Event wie eine Wrestling-Show mit integrierter Soap-Opera-Intrige konzipiert. "Dynasty, der Westeros-Clan" als Ritterturnier im Serienformat, inklusive Hexen und Drachen.

TV-Serie: Warum Westworld nicht das neue Game of Thrones ist

Westworld hat kaum Soap-Elemente. Die Charaktere sind alle recht unnahbar. Kein Wunder. Oft sind sie nicht einmal Menschen, sondern seelenlose Roboter. Selbst der Rachefeldzug von Dolores wirkt kalt und recht emotionslos. Einigermaßen sympathische Züge hat nur Maeve entwickelt. Die Menschen sind ohnedies meist unsympathisch. Dementsprechend drehen sich Gespräche über Westworld auch weniger um die Charaktere und unsere Sympathien für sie. Es geht eher darum, herauszufinden, worum es eigentlich geht. Klar ist, dass eine Verschwörung im Gange ist. Klar ist auch, dass nichts so ist wie es scheint. Bei den Fans geht es mehr darum, wer versteckte Hinweise und Easter Eggs entdeckt und richtig interpretiert hat.

 

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Auch der Tod hat nicht diese emotionale Bedeutung wie in GoT. Es sind eben nur Roboter. Und selbst wenn sie sterben: Sie können wieder repariert werden. In vielen Fällen – wenn keine Menschen involviert sind (z.B. die brutalen Szenen in ShogunWorld) – verliert so auch Brutalität und Gewalt an Bedeutung. Und auch die Verschwörung ist sehr kryptisch und daher letztlich unpersönlich. Und der Sex? Abgesehen davon, dass nackte Haut bei WW seltener vorkommt als bei GoT, wirkt auch der Sex in Westworld meist kühl und klinisch.

Während GoT eine leidenschaftliche Achterbahnfahrt archaischer Intriganten war, ist Westworld eine eiskalte Verschwörung verschlagener Technokraten. Oder anders gesagt: "Westworld" ist wie wohlportioniertes Sushi in einem noblen Szene-Restaurant: eiskalt und eine Augenweide. "Game of Thrones" ist ein üppiges Ritteressen in einem urigen Wirtshaus: heiß, scharf und köstlich. Zum Ritteressen wollte jeder schon einmal. Sushi liebt man oder hasst man.

 

3. Bei Westworld ist zu ungewiss, wohin die Reise geht

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In GoT kann im Prinzip alles passieren. Jeder liegt mit seiner Theorie richtig bis es passiert. Und wenn es passiert, hätte es auch anders passieren können. Hingegen ist bei Westworld alles schon vorgegeben. Aber was ist dann bitte ungewiss?

Ganz einfach: Bis auf wenige Ausnahmen baut GoT auf einer zuverlässigen Vergangenheit auf, die sich über die Jahre vor dem Publikum ausgebreitet hat. Die Zuseher waren sozusagen als Zeitzeugen dabei. Alle, die von Anfang an geschaut haben, sind selbst GoT-Experten. Bei Westworld sehen wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig. Hier liegen nur jene richtig, die clever oder engagiert genug waren, alle Easter Eggs zu entdecken und richtig zu entschlüsseln. Aber selbst das garantiert nicht, ob man das bisher gesehene richtig zu einem schlüssigen Handlungsablauf zusammengefügt hat.

Denn die Vergangenheit von Westworld ist keineswegs fixiert. Die Science-Fiction-Serie ist permanentes Retconning, ein Begriff der sich von "Retroactive Continuity" ableitet. Es bedeutet, dass die vermeintlich feststehende Handlung durch Rückblicke und andere Tricks ständig verändert wird. Das Serienkonzept spielt sozusagen ständig damit, die Zuseher zu täuschen. Dieses Ziel haben die Serien-Macher Jonathan Nolan und Lisa Joy gegenüber der Reddit-Community sogar zugegeben und die Nerds mit einem "Rickrolling"-Video veräppelt.

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"Game of Thrones" war zwar eine Welt der Intrigen und Geheimnisse, in der jeder Charakter für eine Überraschung gut war. Aber dennoch war schon in der ersten Staffel klar, wohin die Reise geht: Winter is coming! Langsam, sehr langsam, aber sehr sicher. Auch die Guten und die Bösen waren recht einfach auszumachen. Überraschend war dann nur, dass meistens die Bösen gewonnen haben. Die Regeln des Spiels sind bekannt, wenn auch die Karten nicht offen auf dem Tisch liegen.

In Westworld ist gar nichts gewiss. Die Zuseher müssen ständig rätseln, was gespielt wird. Die Regeln des Spiels werden ständig umgeschrieben und sogar die Karten, die Folge für Folge auf den Tisch gelegt werden, sind wahrscheinlich gezinkt. Damit ist Westworld aber auch eine ständige Herausforderung der Sehgewohnheiten. Manche betrachten diese Ungewissheit als Spannung, den meisten ist das aber wohl zu verworren.

 

4. Westworld könnte zur großen Enttäuschung werden

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Last but not least: Das TV-Publikum hat mit Mystery-Serien, die ein spektakuläres Rätsel nach dem anderen aufbauen, schon schlechte Erfahrungen gemacht. Die ebenfalls zu Beginn sehr beliebten Serien "Lost" und "Heroes" sind bekannte Beispiele dafür. "Heroes" scheiterte schon in der zweiten Staffel an den zuvor aufgebauten Erwartungen. "Lost" gilt vielen (ehemaligen) Fans und Serien-Junkies als eine der größten Serien-Enttäuschung überhaupt. Die Mystery-Serie hat auch mit verschiedenen Zeitebenen und Rückblicken gespielt. Doch die über fünf Staffeln aufgebauten Erwartungen wurden in der abschließenden sechsten Staffel für viele Fans wenig zufriedenstellend oder gar nicht aufgelöst. Die Antworten, auf die Fans jahrelang gewartet hatten, wurden einfach nicht geliefert.

Daher schrecken Mystery-Serien, deren Auflösung zu komplex erscheint, eher ab. Denn in eine TV-Serie wird viel Zeit und oft auch Engagement investiert. Viele steigen in solche Serien gar nicht ein, weil ein enttäuschendes Ende erwartet wird – ähnlich wie auch bei Serien, die frühzeitig eingestellt wurden. "Westworld" erinnert hier verdächtig an "Lost". Viele Serien-Liebhaber könnten daher abwarten wie sich die Serie entwickelt und mit ihrem Einstieg warten, bis zum hoffentlich fulminanten Finale.

 

Erwin Schotzger

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