Collective Dreams

GB, Litauen, A, 2004

FilmDramaDokumentation

Min.60

Am Anfang wird es feierlich: Zu den bombastischen Klängen einer Sowjet-Hymne erscheinen Bilder aus vergangenen Tagen. Man sieht Menschen mit Fahnen aufmarschieren oder in folkloristischen Gewändern tanzen. Man sieht aber auch Menschen am Feld arbeiten oder mit Traktoren und Mähdreschern über Straßen donnern. Die Sonne scheint, das Land erblüht. Dann ein kontrastreicher Schnitt in die Gegenwart. Es ist Winter, die Gegend liegt brach. Romas Markeviaius durchstreift die Ruinen des Rinderzuchtkomplexes, erzählt von der einst florierenden Landwirtschaftsproduktion und ihrem jähen Zusammenbruch mit Ende der Sowjetunion – und wird darüber nachdenklich.
COLLECTIVE DREAMS, das Filmdebüt des weltenbummlerischen, österreichischen Regisseurs Sepp R. Brudermann, porträtiert das litauische Dorf Zubiskes, das früher Teil der Kolchose »Leuchtturm« war. Romas hat sie 1958 mitbegründet und beide – also auch das Dorf – über dreißig Jahre lang geleitet. Folglich ist es vor allem er, der im Film durch das Dorf führt und dessen Geschichte dabei nicht ohne Ironie kommentiert. Zudem stiftete er das Material für ein essenzielles, strukturierendes Element in COLLECTIVE DREAMS: So vielseitig kreativ und kunstinteressiert wie er ist, hat er es sich zur Aufgabe gemacht, das soziale Leben im Dorf und in der Kolchose mit seiner 16-mm-Kamera festzuhalten. Es sind also Romas »private« Filmbilder, die sich immer wieder wie »kollektive Erinnerungen« zwischen die Erzählungen der »Alten« im Dorf schieben, wie etwa jene von Romas’ Frau Ada oder der ehemaligen Kolochose-Buchhalterin Danute. Es wird viel gesprochen über den Wertewandel, über den verlorenen sozialen Zusammenhang oder das Trinken, das zu Zeiten des »sanften Gerichts« noch unter Kontrolle war. COLLECTIVE DREAMS ist aber keineswegs als nostalgische Rückschau angelegt, sondern fokussiert vielmehr auf das Hier und Jetzt, führt eine Situation vor Augen, die spürbar von Armut und Abwanderung geprägt ist. Junge Menschen sind hier kaum noch anzutreffen, und jene, die geblieben sind – wie zum Beispiel der »Kulturminister « des Dorfes Audrys und seine Frau Sonata –, besitzen nicht viel mehr als ein paar Hühner und ein paar desolate Autos. Perspektiven sind in Zubiskes rar gesät. Eine kommt gegen Ende des Films ins Bild. Der amtierende Bürgermeister Marijonas lässt Gruben ausheben, um Teiche anzulegen. Er will sich, ganz marktwirtschaftlich orientiert, in »Agro-Tourismo « versuchen – ein Projekt, das nicht alle im Dorf zu goutieren scheinen, das aber nachhaltig für alle von Nutzen sein soll.
Mit COLLECTIVE DREAMS führt Sepp R. Brudermann in gewisser Weise Romas’ filmische Dorfchronik fort, zeigt dabei in seiner detailreichen Alltagsbeobachtung viel Gespür für diesen Ort und die Melancholie der Einöde, die ihn durchzieht. Und wie bei den meisten Filmen, die es schaffen, einem Menschen mit all ihren Marotten und Widersprüchen nahezubringen, will man auch hier mehr wissen, will man wissen, ob und wie sehr sich die erneuten politischen Veränderungen (der bevorstehende EUBetritt Litauens fungiert als beiläufige, dramaturgische Klammer) tatsächlich auf die Lebenslagen der Bewohner von Zubiskes ausgewirkt haben. Eine Fortsetzung, etwa nach Vorbild von Volker Koepps Langzeitstudie WITTSTOCK, wäre also durchaus wünschenswert. Und vielleicht hat sich ja Romas Markeviaius mittlerweile auch schon selbst eine Videokamera zugelegt.

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