Keine Insel - Die Palmers Entführung 1977

A, 2006

FilmDokumentation

Während die RAF im "Deutschen Herbst" scheinbar die Grundfesten der Demokratie erschüttert, wird Österreich episodisch zum Nebenschauplatz der Geschehnisse.

Min.92

Start09/28/2007

Drei junge Männer, Thomas Gratt, Othmar Keplinger und Reinhard Pitsch, alle drei aus studentischem Milieu, kommen eher durch Zufall mit Mitgliedern des bewaffneten Untergrunds der "Bewegung 2. Juni" in Kontakt. Am Abend des 9. November 1977 entführen sie den Industriellen Walter Michael Palmers und übergeben ihn nach 100 Stunden für 31 Millionen Schilling Lösegeld an die Familie. Bald darauf werden sie gefasst, es folgen langjährige Haftstrafen. Österreich ist "hysterisch", wie sich Bruno Kreisky im Vorspann gereizt ausdrückt. Schließlich sei das Land ja "keine Insel". Kreiskys Worte deuten bereits darauf hin: Die veröffentlichte Meinung eignet sich schlecht für eine Reflexion wie diese. Dementsprechend knapp blitzen Medienberichte auch nur als trübe Schlaglichter auf, die Gratts und Keplingers dichte Beschreibung gesellschaftlicher (und damit persönlicher) Verhältnisse bestätigen. 30 Jahre haben die beiden geschwiegen. Den Raum, den ihnen Gartner/Binder nun geben, füllen sie umsichtig und mit großer Offenheit: Keplinger, offenbar in einer Universtitätsbibliothek sitzend, erscheint locker bis abgeklärt, erzählt unverblümt. Gratt, ganz in Schwarz vor einer kahlen Wand, ebenfalls nicht unsympathisch, wirkt unter Druck. Dem Glas Wasser auf dem Tisch wird später Rotwein folgen. Den bewaffneten Kampf hierher tragen, global denken, das wollten sie. Auch bereit, persönlich die Konsequenz zu tragen. Beide wirken irritierend jung, ihre Darstellungen unwahrscheinlich packend. Kreiskys eingangs erwähnte, trotzige Absage an die Hysterie vor Terrorismus findet in den gelassen vorgetragenen Understatements des Entführungsopfers selbst eine bemerkenswerte Entsprechung. Was er zuerst nach seiner Freilassung getan habe, fragt der Reporter. Sich bei seiner Frau entschuldigt, schließlich sei er um 100 Stunden zu spät zum Abendessen gekommen. Thomas Gratt verbrachte zwölf Jahre im Gefängnis. Im Frühling 2006 hat er sich das Leben genommen. (Gunnar Landsgesell)


(Text: Viennale 2006)

IMDb: 8.9

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