«Un jour Pina a demandé ...» / "Eines Tages fragte Pina..."

F, B, 1983

FilmIndependent

Es ist vielleicht leicht (trotzdem richtig), einen Bezug zwischen Pina Bausch und Chantal Akerman herzustellen, hat die eine doch ein Porträt der anderen für eine TV-Serie über Choreografen gemacht - ein Porträt, das über eine Montage von Aufführungsblöcken voranschreitet, wie später das Selbstporträt Akermans Ausschnitte aus ihren eigenen Filmen nebeneinander stellt und montiert, denn: Wo sonst, wenn nicht in seinen Werken, sind Antlitz und Denken eines Künstlers wirklich zu finden? «Un jour Pina a demandé ...» hält Pina selbst fast ganz im Off: Was gezeigt wird, ist das, was sie von ihren Darstellern verlangt und wie sie es umsetzen. Keine Arbeitssitzungen mit Empfehlungen der Choreografin, kein Möchtegern der Künstlerin - nur Gesten und das heißt: Tanz. Die Entscheidung Akermans, lange Aufführungsblöcke aneinander zu reihen, könnte - obschon ein großer Genuss für Choreografie-Liebhaber - fast nach Arbeitsverweigerung aussehen. Das aber wäre völlig falsch: Tatsächlich hat die Cineastin die Kunst von Pina Bausch sehr gut verstanden, welche eben viel einem subtilen Spiel von Differenz und Wiederholung verdankt. Dieses verliert seinen Sinn, wenn es sich nicht der Zeit aussetzt - die Stärke dieser Setzung hebt die Geste weniger durch kräftige Expressivität hervor als durch die Prüfung der Dauer. Wenn der Tänzer Dominique Mercy auf die Zuschauer zugeht, die angesichts des reduziert Gestischen zweifelnde Gesichter machen, und sagt: «Was wollt ihr denn sehen? Einen Kreuzsprung, den kann ich; eine Arabeske, die kann ich; und das kann ich auch», und er es vormacht, könnte man denken, dass er dem Können ein Fast-Nichts entgegensetzt, das Klatschen mit erhobenen Händen als allenthalben eingesetzte Gestik von Pina Bausch - er das Repetitive und die Dauer gegen den Augenblick der Virtuosität stellt; mithin in die Absenz die Schönheit wieder einführt - doch die Schönheit der Sequenz kommt justament daraus, dass Mercy seine Meisterschaft beweist bis zur Erschöpfung, und sie, als erschöpfte, verdämmert, der klassische Ausdruck hinfällig wird. Die Schönheit kommt nicht vom Ausdruck, sondern von der langsamen Eliminierung des Ausdrucks. Nicht umsonst hat man von Pina Bausch - geboren in Deutschland am Ende des zweiten Weltkriegs - oft gesagt, sie sei die Choreografin der Ruinen, das heißt dessen, was übrig bleibt. Und mit etwas Abstand könnte man wohl auch von Chantal Akerman sagen, sie sei die Cineastin, die mit diesem Thema am ernsthaftesten umgegangen ist: nicht mit dem Nazismus, sondern mit dem, was danach kommt - denjenigen, die übrig bleiben.

(Text: Viennale 2011)

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