Serien-Review: "Freud", Netflix

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Serien-Review

"Freud": Prätentiöse Mystery-Serie mit Freud'scher Fehlbesetzung

Spoilerfreier Serien-Review: Die weitgehend enttäuschende Besetzung gibt dem holprigen Drehbuch der ersten Netflix-Serie aus Österreich den letzten Todesstoß.

von

Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

03/24/2020, 01:55 PM

Nicht erst mit "4 Blocks" hat der Wiener Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Marvin Kren eindrucksvoll bewiesen, dass er das Zeug zum Filmemacher auf einem Niveau hat, das man von Serien aus dem deutschsprachigen Raum im Normalfall nicht gewöhnt ist. Schon mit dem Zombiefilm "Rammbock" (2010) und dem Creature-Horrorfilm "Blutgletscher" (2013) zeigte er ein gewisses Talent für den Genrefilm.

Mit "Freud", der ersten Netflix-Serie aus Österreich, ist Kren diesmal aber kein Meisterwerk gelungen. Die Koproduktion mit dem ORF ist nach der Erstausstrahlung im linearen Fernsehen nun auch beim Streaming-Giganten zu sehen.

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Holpriges Drehbuch

Die prätentiöse Mystery-Serie verzettelt sich acht Episoden lang in einer wirren Handlung: Da wäre zunächst einmal der junge Sigmund Freud, spektakulär fehlbesetzt mit Robert Finster. Aber dazu später mehr. Freud beschäftigt sich mit Hypnose als therapeutische Methode, ist darin aber selbst noch ein blutiger Anfänger. In der Wiener Ärzteschaft wird er belächelt. Bei einer damals, Ende des 19. Jahrhunderts, in Wien angesagten Séance kreuzen sich seine Wege mit dem Medium Fleur Salomé (Ella Rumpf).

Die junge Frau spielt wiederum eine zentrale Rolle in einer mysteriösen Verschwörung, die von den beiden ungarischen Aristokraten Graf Viktor (Philipp Hochmair) und Gräfin Sophia von Szápáry (Anja Kling) geplant wird. Die Gräfin übt offenbar eine hypnotische Kontrolle über Fleur aus, die Freud bemerkt. Freud ist fasziniert von Fleur als Frau, als Medium und von den Erkenntnissen über die weit über seine Vorstellungen hinausreichenden Möglichkeiten der Hypnose.

Die zweite Hauptfigur ist der Polizist Alfred Kiss, überzeugend dargestellt von Georg Friedrich. Gleich zu Beginn ermittelt er im Fall einer brutal ermordeten jungen Frau und nimmt bald Georg von Lichtenberg (Lukas Miko) als Tatverdächtigen ins Visier. Allerdings verfügt Lichtenberg in Wien über beste Beziehungen. Seine Ermittlungen werden daher von oben behindert. Noch dazu hat Kiss eine traumatische Vergangenheit mit Lichtenberg, der sein Vorgesetzter als Soldat im Krieg war.

Diese zweieinhalb bis drei Handlungsstränge laufen allerdings nie wirklich zusammen. Es kommt zu Überschneidungen, die letztendlich aber einen unzusammenhängenden Eindruck hinterlassen. Die Verschwörung rund um Fleur soll das Mystery-Element sein, die Mordfälle rund um Kiss ein spannender Crime-Thriller. Obwohl keine echte Krimi-Stimmung aufkommt, ist die Geschichte rund um Kiss noch die beste. Das liegt aber vor allem an der schauspielerischen Leistung von Georg Friedrich, weniger an der (nicht wirklich) spannenden Geschichte. Das verbindende Element sollte eigentlich Sigmund Freud sein. Doch Robert Finster scheitert mit seinem ausdruckslosen Schauspiel gänzlich an dieser Aufgabe – womit wir beim Hauptproblem der Serie wären.

 

Fehlbesetzungen geben "Freud" den Todesstoß

Robert Finster liefert als Sigmund Freund eine – man kann es nicht anders ausdrücken – grottenschlechte Performance in der titelgebenden Hauptrolle ab, die ihn schon jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit zur größten Fehlbesetzung des Jahrzehnts macht. Das liegt keineswegs an der Art und Weise wie die Serie die berühmte Hauptfigur Sigmund Freud darstellt. Regisseur Marvin Kren hatte schon im Vorfeld von einem provokativen Ansatz gesprochen: " Es wird einen Aufschrei geben. Es wird sicher Leute geben, die einen ganz anderen Freud sehen und ein ganz anderes Bild von ihm haben." Ja, Freud ist ein nach Anerkennung haschender Angeber, kokainsüchtig und charakterlich alles andere als gefestigt. Aber dass dem Mann jegliches Charisma fehlt, liegt nicht daran, wie er geschrieben ist, sondern daran, wie ausdruckslos er von Finster gespielt wird. Seine schauspielerische Leistung in der Hauptrolle gibt dieser überambitionierten Serie den Todesstoß. Finsters Mimik ist in jeder Situation identisch und sobald er den Mund aufmacht, klingt es, als ob ein Laie den Text abliest. Die schlechte Besetzung hört bei Finster aber nicht auf. Auch Ella Rumpf ist in ihrer wichtigen Rolle keine schauspielerische Offenbarung. Das zieht sich bis zu den Nebenrollen durch, aber es gibt auch nennenswerte Ausnahmen.

Georg Friedrich überzeugt mit seiner beeindruckenden Darstellung des Polizisten Alfred Kiss. Wann immer er zu sehen ist, wird es dichter. Gerade im Vergleich mit Finster zeigt sich hier die schauspielerische Klasse. Friedrich spielt nicht alle, aber die allermeisten an die Wand. Highlights neben ihm sind vor allem Brigitte Kren als Leonore, die Haushälterin von Freud, Christoph Krutzler als Kiss' Kollege Poschacher und Anja Kling als Gräfin Sophia von Szápáry. Doch sie können das holprige Drehbuch und die über weite Strecken schlechte Besetzung nicht wettmachen.

Nur visuell einigermaßen gelungen

Lediglich bei der visuellen Inszenierung gelingt es der Netflix-Serie den offensichtlichen Vorbildern einigermaßen nachzueifern. Das Wien des 19. Jahrhunderts erinnert oft an das düstere London in der Horror-Serie "Penny Dreadful". Doch das verstärkt nur umso mehr den streckenweisen Eindruck von einem prätentiösen Laientheater, das sich sichtlich bemüht, internationalen Mystery- und Crime-Vorbildern nachzueifern. Leider ohne Erfolg, denn – besser umgesetzt – wäre die Serien-Idee durchaus interessant.

"Freud" ist bei Netflix zu sehen.

 

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