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Filmkritik

"Toni Erdmann" auf Netflix: Spaß-Therapie durch den Vater

Ein Spaßvogel von Vater auf Besuch in Bukarest wird zum fiktiven Toni Erdmann und setzt Witz als Therapiemethode ein.

von

Franco Schedl
Franco Schedl

03/30/2022, 04:38 AM

Regisseurin Maren Ade ("Alle anderen") macht uns gleich in der ersten Szene unmissverständlich klar, dass dieser weißhaarige ältere Mann Sinn für Humor hat und seine Mitmenschen gerne an der Nase herumführt: da spielt nämlich der 65jährige Winfried Conradi einem Paketzusteller den eigenen Zwillingsbruder vor, der angeblich gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde, wo er wegen Herstellung von Paketbomben einsitzen musste. Als dann auch noch sein umgeschnalltes Blutdruckmessgerät zu piepsen beginnt, klärt er den verschreckten Mann aber schnell über den Spaß auf.

Falsche Oberzähne sind Winfried Lieblingsrequisit und im Bedarfsfall greift er auch gerne mal zum Furzkissen; sobald er dann noch eine verstrubbelte Perücke aufsetzt, ist Toni Erdmann geboren. Nicht genug damit: bei einer skurrilen Home-Party verwandelt er sich sogar in ein Haarmonster (eine Art extrem unrasierter Chewbacca), als ob er mit dieser Verkleidung seinem kürzlich verstorbenen Lieblingshund eine letzte Ehre erweisen wollte.

Peter Simonischek (Winfried/Toni Erdmann) und Sandra Hüller (Ines)
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Subversive Therapiemethode

Nachdem ein Überraschungsbesuch in Bukarest, wo seine vielbeschäftigte Tochter gerade einen wichtigen - und ziemlich dreckigen - Geschäftsdeal einfädeln muss, mit angespannter Stimmung endet, nimmt Conradi die fiktive Zweitexistenz Erdmann an und mischt in den folgenden Tagen liebenswert subversiv das Leben der Tochter auf. Nach anfänglichem Zögern beginnt sie tatsächlich mitzuspielen.

Hier wird der Vater sozusagen zum Hobby-Psychologen und setzt Witz als Therapiemethode ein. Erdmann verletzt dabei keine gröberen Anstandsregeln, zettelt keine allzu rüden Scherze an und verursacht keinerlei Skandale - und sein aus der väterlichen Not geborener Rettungsplan hat tatsächlich Erfolg: Die unglückliche junge Frau fängt an, sich zu öffnen (in einer Schlüsselszene stellt sie sich im wahrsten Wortsinn bloß) und findet schließlich die Kraft, eine verfahrene Lebenssituation zu beenden.

Zwei begnadete Darsteller

Peter Simonischek und Sandra Hüller ergänzen einander kongenial als filmisches Vater-Tochter-Paar und legen fast ein Solo hin. Sie sind beide bereit, so weit wie möglich zu gehen, spielen sich gegenseitig souverän die Bälle zu und bieten ganz großer Darstellungskunst. Man hat nie das Gefühl, dass auch nur eine der 162 Filmminuten überflüssig wäre.

Die letzten Fragen nach dem Sinn des Lebens oder dem Wesen von Glück werden hier zwar gestellt, können jedoch nicht schlüssig beantwortet werden. Für den Zuschauer ist aber nach "Toni Erdmann" zumindest eines ganz klar: dieser Film kann tatsächlich ein beträchtliches Glücksgefühl hervorrufen.

5 von 5 Ganzkörperperücken

"Toni Erdmann" ist auf Netflix verfügbar.

Eine Karrierefrau wird von ihrem Vater in Rumänien besucht. Nach einem Streit zwischen den beiden, nimmt der Mann eine andere Identität an und startet einen Amoklauf aus Scherzen.

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