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© Bild: AMC
Serie: The Walking Dead
03.12.2018

The Walking Dead: Warum es für die Rettung der Zombie-Serie zu spät ist

Die Kurskorrektur in der neunten Staffel kommt zu spät und bringt vor allem kosmetische Verbesserungen.

Der Zombie-Serie "The Walking Dead", einst ein TV-Phänomen in der Liga von "Game of Thrones", sind die Zuseher in der letzten Staffel scharenweise davongelaufen. Mit der neunten Staffel will der US-Sender AMC das Ruder herumreißen. Die neue Showrunnerin Angela Kang hat zahlreiche Neuerungen angekündigt. Nun stehen wir beim Halbstaffel-Finale. Zeit um Bilanz zu ziehen: Ist die TV-Serie wieder besser geworden? Ist "The Walking Dead" noch zu retten?

Wir sind der Meinung: Nein! Und zwar aus den folgenden Gründen:

 

ACHTUNG! Der folgende Text enthält SPOILER zur neunten Staffel von "The Walking Dead".

 

Neue Geschichte oder kosmetische Korrekturen?

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© Bild: AMC

Wir haben ja schon beim Ableben von Carl Grimes die Meinung vertreten, dass dies den endgültigen Todesstoß für die Serie bedeutet. Damals wussten wir allerding noch nicht, dass auch Rick Grimes, die zweite Hauptfigur, einen Abgang macht. Das verstärkt natürlich das Argument, dass die Vater-Sohn-Geschichte zu Ende ist und "The Walking Dead" generell nicht mehr viel zu erzählen hat.

Die spannende Frage ist also: Schafft es Kang eine ähnlich bewegende, aber dennoch neue Geschichte zu erzählen wie jene vom Kleinstadt-Sheriff Rick Grimes, der in einer apokalyptischen Welt voller Bedrohungen seine Familie beschützen und zusammenhalten will.

Jedenfalls bemüht sie sich sehr, diesen Eindruck zu erwecken. Mit einem neuen Intro signalisiert die neunte Staffel bereits den Neustart. Nicht unwichtig, aber das Intro ist dennoch nur eine kosmetische Neuerung. Immerhin nimmt das oft unerträglich langsame Erzähltempo (Pacing) der vergangenen Staffeln teilweise Fahrt auf. Dann wird es aber doch immer wieder vom selbstverliebtem Geschwafel austauschbarer Charaktere gebremst. Aber dazu später.

 

Was bringen die Zeitsprünge?

© Bild: AMC

Die beiden Zeitsprünge sind auf den ersten Blick eine gute Idee. Doch bei genauer Überlegung war der erste Zeitsprung längst überfällig, um den langatmigen Krieg mit Negan endlich hinter sich zu lassen. Der zweite Zeitsprung verfolgt zwei Ziele gleichzeitig: Einerseits bietet er die Möglichkeit, die abhanden gekommenen Hauptfiguren Rick und Carl durch neue Charaktere zu ersetzen, andererseits soll dadurch (wie in einem Interview mit The Hollywood Reporter angedeutet) ein zweiter Handlungsstrang in der Vergangenheit etabliert werden.

 

Ausgelutschte und austauschbare Charaktere

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Ziemlich eindeutig: Judith soll die Rolle von Carl übernehmen. Wer in die Fußstapfen von Rick tritt, ist noch nicht so klar: Wahrscheinlich wird Michonne seine Elternrolle, Daryl seine Führungsrolle übernehmen. Schön und gut, aber letztendlich nur ein "Zurück zum Start" mit Nebencharakteren, die nun die Hauptrolle übernehmen sollen. Am ehesten hätte noch Maggie die Rolle als Mutter und Anführerin übernehmen können. Aber sie verlässt die Serie ebenfalls, freilich mit Rückkehrticket. Michonne und Daryl sind zwar beliebte Nebenfiguren, aber es darf bezweifelt werden, ob sie das Zeug zu tragenden Hauptfiguren haben. Vor allem die schauspielerisch überschaubare Bandbreite von Daryl-Darsteller Norman Reedus lässt uns daran stark zweifeln.

Das größte Problem von "The Walking Dead" dürfte sein, dass viele inzwischen das Interesse daran verloren haben, den Geschichten dieser Figuren zu folgen. Immer mehr Zusehern ist das Schicksal von Daryl, Michonne, Carol und den anderen schlicht und einfach egal. Spätestens dann ist die Suche nach einer neuen Serie angesagt.

 

Jahrelanges Dehnen statt Weiterentwicklung der Handlung

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Mit dem zweiten Zeitsprung von rund sechs Jahren versucht Kang aber auch dramaturgisch vielfältiger zu werden. Zwischen den ehemaligen Freunden, die nun die Orte Alexandria (Michonne), Hilltop (Maggie) und The Kingdom (Carol) führen, hat sich in den fehlenden Jahren ein Streit entfacht. In der Gegenwart werden gerade die "Whisperer" als neue Bedrohung (aus der Comic-Vorlage) eingeführt, doch auch die Vergangenheit hat eine Geschichte zu erzählen (die keine Vorlage in den Comics hat).

Gute Idee!? Immerhin lebt "Game of Thrones" von den zahlreichen Handlungssträngen. Doch der nicht unwesentliche Unterschied ist, dass die einzelnen Handlungsstränge und Nebenschauplätze bei "Game of Thrones" die Haupthandlung immer vorantreiben und ein Ziel verfolgen.

"The Walking Dead" hat kein derartiges Ziel. Weder im Comic, noch in der Serie steuert die Serie einer Auflösung entgegen. Das haben viele Fans der ersten Staffel sogar immer wieder bedauert und als Fehler gebrandmarkt. Frank Darabont, der Schöpfer der TV-Serie, hatte ein solches Ziel am Ende der ersten Staffel (in Abweichung von der Comic-Vorlage) durchaus angedeutet. Doch Darabont hat sich mit dem Sender AMC zerstritten. Nach seinem Abgang wurde diese Adaption nie weiterverfolgt. Im Gegenteil: Die Serie hat sich immer ziemlich eng an die Plots der Comics gehalten. Die Zeit für eine Emanzipation hat die TV-Serie längst verpasst.

© Bild: AMC

Seit fünf Staffeln (!) wird die eigentliche Handlung in die Länge gezogen. Die kommenden Rückblicke auf die fehlenden Jahre vor dem Zeitsprung lassen wieder solche Längen und Abschweifungen erwarten. Statt die Handlung rund um die "Whisperer" voranzutreiben, wird eine neue Ebene eingeführt, die vor allem eines erwarten lässt: Zickenkrieg in bester Seifenoper-Tradition!

Nichts deutet darauf hin, dass es diesmal anders sein sollte: Langatmige Rückblicke und Nebenhandlungen haben (seit Gimple in der vierten Staffel übernommen hat) noch nie irgendwo hingeführt – außer und in selbstverliebte Dialoge von Charakteren, die oft wenig später sterben. Gimple und sein Team an Drehbuchschreibern, zu dem seit der zweiten Staffel auch die neue Showrunnerin Kang gehörte, haben immer wieder Charakterentwicklung mit pathetischem Dialogen im Stil einer Telenovela verwechselt.

 

Generische Spannung

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Spannung entsteht nur noch sehr generisch und vorhersehbar. Meist sind die Zombies langsam, harmlos und ziemlich leicht zu töten. Immer wenn Spannung vorgetäuscht werden soll, kommen sie plötzlich und recht flink von allen Seiten und irgendjemand verletzt sich den Knöchel. Zu sehen auch diesmal wieder in die Szene mit Eugene und Rosita, die von einer (von den "Whisperern" gesteuerten) Horde überrascht werden. Für den Zuseher war hingegen wenig überraschend, dass Eugene sich das Knie verletzt.

Fazit: Die Luft ist raus! "The Walking Dead" ist nicht mehr zu retten. Trotz einiger kosmetischer Verbesserungen bleibt die Serie auch in der neunten Staffel langatmig und vorhersehbar. Die Charaktere sind hohl und uninteressant geworden, die Spannung ist generisch, die Dialoge meist pathetisches Geschwafel im Soap-Opera-Style. Die Serie hat nichts mehr zu erzählen und versucht das durch einen verzweifelten Neustart zu verschleiern. Das kann kommerziell noch einige Zeit funktionieren, aber es ist zu spät, um aus "The Walking Dead" wieder guten Serien-Stoff zu machen.

 

Erwin Schotzger