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Eine junge Frau, Cornelia Geiser, mit dem Rücken zum offenen Fenster im Sonnenlicht stehend. Unten von der Straße der ferne Lärm der Wagen und Stimmen, und oben am Fenster die Frau, einen Text rezitierend. Verse von Pierre Corneille: «Rome l'unique objet ressentiment! / Rome à qui vient ton bras d'immoler mon amant!» Um über das Unrecht und die Barbarei seiner Zeit zu sprechen, dichtete Corneille im Gewand der Antike. Im alten Rom blitzt das Paris der französischen Könige auf. Dann die junge Frau in einem Lehnstuhl sitzend, Textblätter in der Hand, aus Bertolt Brechts «Verhör des Lukullus» vortragend: «Denn das ungeheure Rom konnte mich dereinst nicht schützen vor dem ungeheuren Rom.» Auch in Brechts Text, geschrieben 1940 im schwedischen Exil, wird das Alte zur lebendigen Zeugenschaft, das antike Rom herbeizitiert im Prozess gegen alte und neue Feldherrn. Das Gegenwärtige schlägt die Funken aus der Geschichte. Wenn es in der Musik einen Sprechgesang gibt, dann gibt es im Kino ein Singsprechen. Eine befreite Sprache, die nicht mehr einfach Vehikel für Sinn und Inhalt ist, sondern eine eigene, lebendige Materie. Der Text von Corneille, der Text von Brecht und eine Frau, die diese Sprache hervorbringt wie eine Skulptur, ein Feuer, eine atmende Form. Und im «Tigersprung ins Vergangene», wie Walter Benjamin sagt, steht das Bild der Gegenwart als Schock vor uns auf. «Lange schon war unsre Zeit nicht unsre.» Dieser Film wird gemeinsam gezeigt mit Joachim Gatti.

(Text: Viennale 2009)

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