Filmkritiken

FILMGESCHICHTE IN 3D

von

Franco Schedl
Franco Schedl

02/08/2012, 11:00 PM

Martin Scorseses Rolle als Märchenonkel kommt eher überraschend. Allenfalls würde man ihm zutrauen, dass er Kinder mit Erzählungen über das organisierte Verbrechen, amoklaufende Taxifahrer, brutale Boxer, New Yorker Straßenbanden oder Insassen von Irrenhäusern und Gefängnisinseln um den Schlaf bringt. Doch diesmal hat er sein Herz einem 12jährigen Pariser Waisenjungen (Asa Butterfield) geschenkt, der sich in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts im Gewölbe eines riesigen Bahnhofs versteckt und alle Uhren des Bauwerks regelmäßig aufzieht. Hugos besondere Liebe zu Zeitmessgeräten erklärt sich aus dem Umstand, dass sein Vater Uhrmachermeister gewesen ist; und so wendet der einsame Junge – falls er nicht gerade vorm lästigen Stationsvorsteher (Sacha Baron Cohen) und dessen Wachhund die Flucht ergreift - auch einen Großteil seiner Energie darauf, einen roboterartigen Automaten, den ihm der Verstorbene hinterlassen hat, wieder in Gang zu setzen. Mit seiner unorthodoxen Beschaffung von Ersatzteilen macht er sich zwar beim benachbarten Spielzeughändler (Ben Kingsley) vorerst unbeliebt, doch gerade dieser alte Herr steckt selber voller Überraschungen.

Sehr schnell ist klar: Ein wirklicher Kinderfilm, der die Aufmerksamkeitsspanne von 6jährigen nicht überfordert, ist es eben keineswegs geworden. Vielmehr spricht Scorsese das ewig jung gebliebene Kind in allen Filmbegeisterten an, indem er sein Werk als Hommage für Georges Méliès, den Magier des frühen Films und unermüdlichen Erfinder neuer Spezialeffekte, versteht.

Hugo könnte genauso gut Marty heißen, denn es ist nur allzu offensichtlich, weshalb sich das wandelnde Filmlexikon Martin Scorsese für diesen Stoff begeistern musste und wie gern der Schatzgräber in Filmarchiven selber an Hugos Stelle gewesen wäre, um einen Lichtspielpionier der Vergessenheit zu entreißen.

Brian Selznick, Verfasser der Buchvorlage (und selber Träger eines filmaffinen Namens) konnte sich ziemlich exakt an die Lebensumstände des echten Méliès halten: der völlig Verarmte betrieb bis 1932 einen Spielzeugladen in der Metrostation Montparnasse, nachdem man schon Jahre zuvor den Großteil seiner Filmstreifen eingeschmolzen und zu Schuhabsätzen verarbeitet hatte. Erst nach dem überraschenden Auftauchen etlicher verschollen geglaubter Werke wurde ihm die verdiente Anerkennung zu Teil und sein Name blieb fortan untrennbar mit der Filmgeschichte verbunden.

Einen vollen Griff in die (Film)geschichte erlaubt sich auch Scorsese für seinen Einstand als 3D-Regisseur: und so quillt das Werk über von Details, die beim einmaligen Sehen unmöglich alle aufgenommen werden können – gleich zu Beginn kommt z.B. für wenige Sekunden unverkennbar James Joyce ins Bild, der an einem Kaffeehaustisch sitzend dem vorbeiflitzenden Hugo irritiert nachblickt, während wir selber dem Jungen dank atemberaubender Kamerafahrten durchs Bahnhofslabyrinth folgen.

Der sympathische Asa Butterfield wurde wohl hauptsächlich seiner großen blauen Augen wegen gecastet, die er auf solch unnachahmliche Weise verwundert aufzusperren versteht. Bei seinem Anblick muss ich mein voreiliges Urteil von vorhin revidieren: vielleicht erweisen sich doch grade die 6jährigen als ideale Zielgruppe, weil Kinder dieser Altersstufe noch in den Genuss der vollen Macht des Staunens kommen. Hätte sich Méliès ein besseres Publikum wünschen können?

Dieses Zusammentreffen modernster mit ältester Filmkunst verdient jedenfalls zu recht eine 11fache Oscar-Nominierung, und ich rücke den Zeiger unserer internen Bewertungsuhr auf eine volle 10.

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