"Creed III - Rocky's Legacy": Boxkampf gegen Schuldgefühle

Wie gibt's denn sowas - ein "Creed"-Film ohne Rocky?  Haben die Drehbuchautoren bei ihren Boxstudien etwa einen Schlag zu viel auf den Kopf bekommen oder hat Sylvester Stallone einfach die Lust an seiner Rolle verloren? Wie dem auch sei - jedenfalls wurde die Story so angelegt, dass Adonis Creed seinen Mentor nicht mehr benötigt.

Creed im Ruhestand?

Nach dem Sieg über Ivan Dragos Sohn Viktor im vorherigen Teil hat der Titelheld praktisch alles erreicht, was in diesem Sportsektor möglich war. Darum betrachtet er seine aktive Karriere inzwischen als beendet, betreibt ein Trainings-Center und tritt lieber als Förderer von neuen Talenten auf.

Zu seinen aktuellen Schützlingen zählt der Champion Felix Chavez, dessen nächster Gegner ausgerechnet Viktor Drago sein wird. Außerdem führt Adonis mit seiner Frau und gehörloser Tochter ein harmonisches Familienleben, doch dann holt ihn die Vergangenheit ein.

Duell der alten Freunde

Seinen ersten Boxunterricht hatte Creed als Teenager von einem etwas älteren Jungen erhalten. Aber in einer schicksalshaften Nacht haben sich ihre Wege radikal voneinander getrennt: Damian landet für 18 Jahre im Gefängnis, obwohl ihm eine große Karriere bevorgestanden hätte, während Adonis bald auf Rocky trifft und von ihm zum richtigen Profi-Boxer aufgebaut wird.

Nun kreuzt dieser Damian unverhofft bei seinem alten Bekannten auf und fordert ihn zu einem Kampf heraus. Tatsächlich bringt er es fertig, dass der zur Ruhe gesetzte Weltmeister noch einmal in den Ring steigt, um eine alte Schuld zu begleichen.

Bevor es zum Faust-Duell der beiden kommt, sind aber noch etliche Vorrunden nötig und die Spannung zwischen den ehemaligen Freunden nimmt - durch das Drehbuch perfekt motiviert -  immer stärker zu.

Jonathan Majors große Stunde

In der Rolle dieses Herausforderers erleben wir Jonathan Majors, der soeben als Kang der Eroberer seinen gelungenen Einstand in die MCU-Welt gegeben hat. Hier spielt er ebenfalls eine gleichermaßen unerbittliche wie rücksichtslose Figur, die nichts mehr zu verlieren hat und im Ring daher entsprechend gemeine Schläge austeilt.

Danks Majors Kunst ist dieser Damian aber nicht bloß ein brutaler Hau-Drauf, sondern offenbart einen durchaus vielschichtigen Charakter. Er dominiert eindeutig die Handlung und verleiht der harten Welt, in der die Fäuste sprechen, auch eine entsprechende Portion Tragik.  

Nicht vergessen sei aber Tessa Thompson als Creeds Frau Bianca, die einmal mehr zur Zentralfigur wird, auf die sich der emotional stark mitgenommene Champ in jeder Situation verlassen kann.

Jordans erste Regiearbeit

Michael B. Jordan versteht es ab sofort, sich nicht nur vor der Kamera in Szene zu setzen, sondern behält als neuer Regisseur auch dahinter den Überblick. Er inszeniert vor allem die Boxkämpfe so realistisch als Ballett aus Schweiß und Blut und harten Schlägen, dass es beim Zusehen richtig weh tut.

Dabei nimmt der finale Kampf zwischendurch sogar richtig surreale Züge an, und die beiden Kontrahenten werden in eine symbolisch aufgeladene Szenerie versetzt, wo sich die Ringseile schon mal in Gefängnisgitter verwandeln können. Etwas zu viel Symbolik kann man höchstens in der Farbenwahl erkennen, wenn Adonis in strahlendem Weiß auftritt und Damian im schwarzen Outfit erscheint.

Rocky fehlt tatsächlich nicht

Ich geb's ungern zu, aber dieser Film funktioniert perfekt ohne Rocky. Wozu behält man dann überhaupt noch den Untertitel "Rocky's Legacy" bei? Etwa, um Menschen ins Kino zu locken, indem man falsche Erwartungen weckt? Das hat aber "Creed III" gar nicht nötig, denn wir bekommen mit psychologischem Tiefgang einen ehrlich guten Kampf geboten.

4 von 5 unbestechlichen Ringrichtern.

Wo ist "Creed III" zu sehen?

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