"I wanna dance with somebody" Film

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Filmkritiken

"I wanna dance with somebody": Viel Licht und bisserl Schatten

Wenn ein Biopic über Whitney Houston auf die Originalstimme der Sängerin zurückgreift, kann der Film eigentlich nur noch eines: gewinnen.

von

Manuel Simbürger
Manuel Simbürger

12/21/2022, 04:26 PM

Das Karussell der Biopics über Musik-Legenden dreht sich munter weiter: Nach The Queen, Elton John, Elvis und Aretha Franklin ist nun also Whitney Houston dran.

Jene Sängerin, die den Spitznamen "The Voice" neu definierte. Die mit mehr Auszeichnungen prämiert wurde, als jede andere Sängerin vor oder nach ihr. Die jedes Mal einem Engel seine Flügel schenkte, wenn sie ihre drei Oktaven umfassende Stimme zu einem larger-than-life-Song bündelte und die gesamte Menschheit bis heute an Magie glauben lässt.

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Aber auch jene Künstlerin, deren innere Dämonen bald größer wurden als ihr Stimmtalent. Die sich selbst verleugnete, um Americas Nice Princess zu sein. Die von ihrer Familie ausgebeutet wurde und inmitten all der lauten Zurufe der Fans sich selbst leise immer wieder fragte: Darf ich einfach ich sein?

Da stellt sich die Frage: Wie nähert man sich solch einem komplizierten, vielschichtigen Charakter an?

Back to the roots

Wenn es nach Regisseurin Kasi Lemmons ("Harriet – Der Weg in die Freiheit") und Drehbuchautor Anthony McCarten (schrieb auch das Queen-Biopic!) geht, dann am besten bei den Wurzeln: Zu Beginn von "I wanna dance with somebody" hört man– ähnlich wie beim legendären Song "I will always love you" – nur die Stimme Houstons, bevor man sie tatsächlich sieht – nämlich als Sängerin im Kirchenchor von Newark (New Jersey). Wir schreiben das Jahr 1983.

Unter der strengen Leitung ihrer Mutter Cissy (Tamara Tunie) reift Whitney zur Stimm-Naturgewalt heran. Gläubig und ein Sonnenschein war sie damals schon, freiheitsliebend, selbstbewusst und rebellisch aber auch. Dass sie zu Größerem bestimmt war als das Trällern vorm Altar, das wussten sowohl Whitney selbst als auch die Mama.

Also arrangiert diese ein Treffen mit dem erfolgreichen Musikproduzenten Clive Davis (Stanley Tucci) – und der ist sofort hin und weg von "Nippys" Ausstrahlung und freilich ihrer gottgleichen Stimme, die dem achten Weltwunder gleicht.

Die erfolgreichste Künstlerin aller Zeiten

Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte – und zwar eine, die vielleicht typisch für das harte Musikbiz sein mag, deshalb aber nicht weniger ans Herz geht: Whitney Houston wird zur erfolgreichsten Sängerin aller Zeiten, mit Hits wie "I will always love you" oder der titelgebende "I wanna dance with somebody" unsterblich. Sechs Grammys, mehr als 200 Millionen verkaufte Tonträger und über 200 Gold-, Platin- und Diamantschallplatten pflastern ihren Weg ...

... genauso wie der Hang zu Drogen, einem übergroßen Ego und die unstillbare Sehnsucht nach Geborgenheit, Liebe und Abenteuer. In R’n’B-Bad-Boy Bobby Brown scheint Whitney all das gefunden zu haben, am Ende bleiben aber nur Gewalt, Affären und Exzesse übrig. 2012 ertrinkt die Sängerin unter Drogeneinfluss in ihrer Badewanne.

Respektvolle Hommage

"I wanna dance with somebody" ist bei weitem nicht die erste filmische Aufbereitung von Whitneys Achterbahnfahrt, das sich Leben nennt, er ist aber der erste Spielfilm. Die Dokus "Whitney" und "Can I be me" (von Rudi Dolezal) schockierten mit intimen Aussagen von Whitneys sozialem Umfeld, privaten Aufnahmen und der einen oder anderen Enthüllung.

Gleich vorweg: Der düstere Schockfaktor hält sich bei "I wanna dance with somebody" in Grenzen, das Biopic will sich unmissverständlich als emotionale und vor allem respektvolle Hommage an Houston verstanden wissen – was sich unter anderem an der Detailverliebtheit zeigt: Mit zahlreichen perfekt imitierten ikonische Looks und Auftritte der Sängerin sowie eingebundenen Originalaufnahmen von "The Bodyguard" oder Talkshow-Auftritten verbeugt man sich tief vor der Ikone Whitney Houston und deren professionellem Leben. 

Sehr viel Licht ...

Ein Großteil der Handlung nehmen die 80er- bis Mitte der 90er-Jahre (Whitneys Karriere-Höhepunkt) ein, aber auch spätere Karrierestationen werden mit Ehrfurcht und Anerkennung in die hoch emotionale Handlung eingebunden, die sich ganz und gar dem Thema der Liebe (und was wir tun, um an ihr festzuhalten) verschrieben hat.

Das ist kitschig, passt aber wunderbar zu Houstons musikalischem d'oeuvre. Übrigens: Wie schon beim Musical "The Bodyguard" beweist "I wanna dance with somebody" einmal mehr, welch starke Geschichten jeder einzelne Song Houstons erzählt, weshalb sich alle ihre Lieder organisch in die Story einfügen und obendrein die Message zwischen den dramaturgischen Zeilen transportieren. Erzwungen wirkt hier nichts.

Auch wenn sich der Film vor allem anfangs Zeit nimmt, Houstons beispiellose Kometen-Karriere nachzuzeichnen, wirkt es mitunter trotzdem so, als habe sich Regisseurin Lemmons abgerackert, um nacheinander alle wichtigsten Häkchen in der Biographie der Sängerin abzuhaken. Das ist eine Falle, in der viele Biopics tappen, diesem nimmt an es aber (fast) nicht übel: Weil es sich zumindest bemüht, auch der breiten Masse weniger bekannte, trotzdem wichtige Karrierestationen gebührenden Raum zu geben und Houstons Leben bis zum tragischen Ende zu begleiten. Gestrichen wurde leider trotzdem das eine oder andere, aber das ist auch verständlich, weil es sich hier ja um einen Film und keine Serie handelt.

Besonders im letzten Fünftel wird "I wanna dance with somebody" plötzlich zwar ärgerlich gehetzt und man hat das Gefühl, Lemmons sei am letzten Drehtag eingefallen, dass sie den Film noch schnell zu Ende bringen muss, aber irgendwie verzeiht man auch das. Weil in diesem Biopic ganz viel Herz und Liebe steckt. Weil sogar beim gestressten Schluss Zeit bleibt für einen der legendärsten Auftritte Houstons in voller (!) Länge – übrigens bei weitem nicht der einzige im Film. So manches in der späteren Vita von Houston mag zwar bei Lemmons untergangen sein, aber worauf es wirklich ankommt, nämlich Houstons Bühnenmagie, das hat die Regisseurin nie aus den Augen verloren.

... und etwas Schatten

Bei aller Anerkennung und Wertschätzung hat sich Lemmons gottlob nicht dazu entschlossen, unreflektiert Houstons äußerst vielschichtige Persona abzubilden. Schon in den ersten Minuten wird die junge Whitney beim Kiffen gezeigt, das Diva-Gehabe in späteren Jahren zumindest angedeutet. Zudem verschweigt der Film auch nicht, dass Houston lange Zeit dafür kritisiert wurde, dass ihre Musik nicht "Schwarz genug" sei

.Die Darstellung von Houston als dreidimensionale Figur verleiht dem Film Glaubwürdigkeit und lässt ihn nicht zur hohlen Fan-Masturbation verkommen.

Lediglich gestreift werden jedoch Houstons Stimmprobleme in ihrer zweiten Karrierehälfte, was in diesem Zusammenhang durchaus eigenartig anmutet – weniger rosarote Fan-Brille und mehr Mut zum Unperfekten, ja gar Hässlichen wäre hier gut gewesen. Dafür umso mehr lobenswert, wie offen die Beziehung zu Robyn Crawford, Whitneys Lebensmensch und Liebe, die nicht hatte sein sollen und dürfen, angesprochen und gezeigt wird – ein Thema, zu dem sich Houston nie eindeutig äußerte, mittlerweile (auch dank Crawfords Autobiographie, an der sich Lemmons eindeutig orientierte) als bestätigt gilt.

Doch weder bei den Szenen mit Robin, noch, wenn es um den Houston immer mehr verschlingenden Drogensumpf geht, wird Lemmons voyeuristisch oder sensationslüstern, sondern balanciert gekonnt am schmalen Grat zwischen Empathie, Respekt und der Faszination an menschlichen Abgründen. Selbst Houstons Ende wird nicht ausgeschlachtet, auch wenn man hier vielleicht ein bisserl weniger den Pathos-Knopf hätte drücken können. Andererseits: Pathos und Whitney, das gehört halt auch irgendwie zusammen. 

Auch betreffend den Schattenseiten in Houstons Leben ist Lemmos Leidenschaft zum Thema überdeutlich: Fans, die tief in der Houston-Materie drin sind, werden gerührt und lächelnd nickend (an)erkennen, dass sich selbst kleine Szenen im Film IRL tatsächlich so zugetragen haben, sprich: "I wanna dance with somebody" ist für Hollywood-Biopics erstaunlich nah an der Realität dran.

Nur bei der Darstellung von Davis sollte man Vorsicht walten lassen: Weil der Musik-Mogul das Biopic selbst mitproduzierte, ist fraglich, ob seine Rolle tatsächlich stets die des sorgenden, gutmütigen und wohlwollenden Vaters war, wie von Tucci (wenn auch superb wie immer) dargestellt.

Naomi Ackie: Winkt der Oscar?

Inszenierungstechnisch macht "I wanna dance with somebody" also viel richtig. Aber jedes Biopic lebt von seiner/m HauptdarstellerIn. Die Wahl von Naomi Ackie wurde im Vorfeld aufgrund der fehlenden Ähnlichkeit stark kritisiert, spätestens seit der Trailer-Veröffentlichung jedoch war der Großteil der Fans positiv gestimmt.

Und tatsächlich: Ackie mag Houston zwar nicht aufs Haar gleichen, doch gelingt es der "Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers"-Darstellerin in beinahe jeder Szene, sich Houstons Gestik, Mimik und vor allem deren Sprachduktus derart authentisch einzuverleiben, dass einem an mehreren Stellen im Film Schauer über den Rücken laufen. Ackie schafft es zu imitieren anstatt zu karikieren – auch in weniger schmeichelhaften Momenten. Houston hatte den Oscar gewonnen, für Ackie könnte zumindest eine Nominierung drin sein.

Whitneys Stimme: Das Herz des Films

Um Whitney Houstons Ausnahmetalent aber tatsächlich gerecht zu werden, erklingen alle Songs im Film in der Originalversion, zu denen Ackie bloß den Mund bewegt (was mitunter trotz aller Bemühungen deutlich ist). Weil singen wie Whitney, das kann eben nur Whitney.

Genau diese Gesangs- und Bühnen-Szenen, inszeniert als Glamour-Bombast mit hohem Heulfaktor, sind es auch, die "I wanna dance with somebody" von anderen Biopics abheben lässt – und weshalb man sich den Film unbedingt im Kino anschauen sollte: Wenn Houstons große Hits (viele davon in Live-Version, was durchaus eine ungewöhnliche Entscheidung für ein Biopic ist, aber erneut für Houstons Talent spricht!) auf der großen Leinwand in Dolby Sorround ertönen, glaubt man mitunter, sich in einem Live-Konzert zu befinden. Dann verwandelt sich der Film in ein beinahe surrealistisches Spektakel, das einem den Alltag vergessen und die Tränen über die Wangen kullern lässt. Einfach nur, weil Houston singt.

Diese Szenen sind ein Schrei nach und ein Plädoyer fürs Leben gleichzeitig. Dann wird der Kinosaal, die gesamte Welt zum Spielplatz an Möglichkeiten, zum Platz, an dem jede Geschichte ihren Raum bekommt und jedem Gefühl Ausdruck verliehen wird. Dann steht die Seele in Flammen und will nicht mehr erlöschen.

In "I wanna dance with somebody" ist Whitney Houstons Stimme jene Art von (naturgegebenem) "Special Effect", von dem MCU-Filme nach wie vor nur träumen können. Etwaige Risse im Gesamtbild rücken da schnell weit in den Hintergrund. Sehr weit.

4 von 5 engelsgleichen Oktaven.
 

"I wanna dance with somebody" läuft aktuell in den Kinos. Hier geht’s zu den Spielzeiten.

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