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Bradley Cooper als Leonard Bernstein in "Maestro"

© Netflix/film.at

Filmkritiken

"Maestro": Lohnt sich Bradley Coopers Bernstein-Biopic?

Bradley Cooper vollzieht in seiner Regiearbeit für Netflix eine unglaubliche Wandlung und erzählt eine Geschichte voll Musik und Liebe.

von

Franco Schedl
Franco Schedl

12/21/2023, 10:01 AM

In unserer Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und stellen für euch die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?

Diesmal: "Maestro" auf Netflix

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Er war ein weltberühmter Musiker und Komponist und zugleich auch ein großer Liebender. All das zählt aber offenbar nicht, denn noch vor dem Filmstart des Biopics "Maestro" war seine Nase das Hauptthema. Bradley Cooper hat für seine zweite Regiearbeit offenbar den falschen (oder zu perfekten?) Maskenbildner engagiert, der ihm als Leonard Bernstein eine allzu markante Nase ins Gesicht setzte. Das umstrittene Teil wurde prompt von einigen Social-Media-Usern:innen auch als antisemitisch kritisiert. 

Nachdem sich der Maskenbilder öffentlich für seine Bemühung um Originaltreue entschuldigt hatte, ergriff jedoch Bernsteins Tochter Jamie für ihn Partei und nannte den ganzen Nasen-Rummel gegenüber "Vanity Fair" eine "nervige Ablenkung" vom eigentlichen Werk. Dieser Meinung wollen wir uns anschließen und statt der Nase ab sofort den restlichen Mann und den Film über ihn in den Mittelpunkt stellen.

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Szenen einer Künstlerehe

Coopers Werk konzentriert sich gar nicht so sehr auf den Starrummel um Bernstein als Person des öffentlichen Lebens, sondern wirkt oft geradezu wie ein intimes Kammerspiel – wir erhalten sozusagen Einblicke in Szenen einer Künstlerehe. Die Handlung erstreckt sich über einen Zeitraum von ungefähr 40 Jahren und setzt ein, als der Musiker seine spätere Frau, die Schauspielerin Felicia Montealegre Cohn (Carey Mulligan) kennenlernt. 

Eingeklammert durch ein Interview mit dem alten Künstler, bekommen wir die Geschichte dieses Paares erzählt. Nach angezeigten Jahreszahlen wird man aber vergeblich Ausschau halten und wir können nicht immer sicher sein, in welchem Zeitabschnitt wir uns gerade befinden, falls man sich nicht am Alter der Kinder oder Bernsteins grauer werdenden Haaren orientiert. Zumindest der erste Abschnitt, in dem der junge Dirigent den Durchbruch schafft und Felicia kennenlernt, ist optisch durch Schwarz-Weiß deutlich vom restlichen Film abgehoben. 

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Exzessives Leben und Bisexualität

In "Maestro" wird vor allem Bernsteins Bisexualität zum Thema, an der die Ehe auch zu scheitern droht. Er selber geht damit deutlich lockerer um, doch gerade im Amerika der 50er und 60er Jahre war es bestimmt nicht geboten, als Mann seine Neigung zum eigenen Geschlecht öffentlich auszuleben. Sobald Tochter Jamie einige – für sie beunruhigende – Gerüchte über den Vater aufgeschnappt hat, lügt Leonard sie auf Bitten seiner Frau hin sogar an.  

Deutlich wird zugleich Bernsteins exzessiver Lebensstil – nicht nur orgiastisch zelebrierte Musik macht ihn geradezu high, sondern auch Alkohol, vorübergehender Kokainkonsum und niemals erlöschende Zigaretten prägen seinen Alltag. Zugleich verträgt er keine Einsamkeit, und die Abhängigkeit von anderen Menschen geht so weit, dass er sogar auf dem stillen Örtchen die Klotür offenlässt, um mit den anwesenden Freunden weiterzureden. Durch solches obsessive Verhalten erinnert die Figur zugleich auch an jenen fiktiven Musikstar aus Coopers erster Regiearbeit "A Star Is Born"

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Cooper als authentischer Dirigent 

Bei der Arbeit des Komponierens dürfen wir Bernstein nur kurz zusehen, als er eine Messe fertigstellt. Umso mehr wird er dann als Dirigent in Szene gesetzt, und Cooper hat sich für diese Aufgabe angeblich über sechs Jahre hinweg in Form gebracht. Man merkt ihm das lange Training auch tatsächlich an, denn jede Bewegung vor dem Orchester strahlt Selbstsicherheit und Professionalität aus. 

Dabei sucht er die Herausforderung und macht es sich wirklich nicht leicht; einmal leitet er die Musiker:innen sogar über eine minutenlange Sequenz hinweg. Wer glaubt, der Schauspieler habe bei manchen Gesten übertrieben, sollte bis zuletzt warten, wenn im Abspann der echte Maestro bei Ausübung seiner Lieblingsbeschäftigung ins Bild kommt.

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Lohnt sich "Maestro" als Biopic über das Ehepaar Bernstein?

Das intensive Zusammenspiel zwischen Cooper und Mulligan dominiert natürlich alles: In langen Einstellungen und ausführlichen Dialogen werden immer neue Facetten dieser außergewöhnlichen Liebesbeziehung zwischen Leonard und Felicia offenbart.

Es ist übrigens eine traurige Tatsache, doch Leid und Schmerz schlagen fast stets Liebe und Freude. Als stärkste Szenen stellen sich daher auch hier jene des körperlichen Verfalls heraus: Mulligan durchläuft auf herzergreifende Weise die Phasen von Krebsdiagnose, Krankheit und Sterben dieser Frau. 

Wenn Scorsese und Spielberg als Produzenten genügend Vertrauen in Cooper setzen, sollten wir das auch tun. Die penible Vorbereitung, der wohlüberlegte Gebrauch verschiedenen Filmmaterials, wechselnde Bildverhältnisse, die großartige Besetzung und musikalische Highlights lassen dieses Werk zu einem hervorragenden Biopic werden. Wer noch immer Zweifel am Maskenbildner äußert, braucht sich nur anzusehen, wie er den Hauptdarsteller in den alten Bernstein verwandelt hat und wird dann beschämt schweigen.

Der Film endet mit der Frage, ob es noch Fragen gibt. Die Antwort lautet: 4 von 5 glühenden Taktstöcken.

Für Fans von: "A Star Is Born", "Tár", "Bohemian Rhapsody", "Elvis"

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