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Szene aus "Andrea lässt sich scheiden"

© Darryl Oswald / wega film

Filmkritiken

"Andrea lässt sich scheiden": Hader spielt den Provinz-Blues

Dass eine Fahrerflucht auch tragikomische Auswirkungen haben kann, zeigt uns Josef Hader in seiner zweiten Regiearbeit.

von

Franco Schedl
Franco Schedl

02/21/2024, 07:26 AM

Wenige Kilometer nördlich von Wien – und man ist in der tiefsten Provinz. Dort herrschen durchaus eigene Gesetze: Alles präsentiert sich sehr flach und übersichtlich, das Leben geht einen eher langsamen, eintönigen Gang. Von genau jenen Menschen, die unter solch tristen Bedingungen ihren Alltag verbringen müssen, erzählt Josef Hader in seiner zweiten Regiearbeit. Zum Glück spielt er auch wieder eine entscheidende, wenn auch etwas kleinere Rolle, denn im Zentrum steht diesmal eindeutig Birgit Minichmayr

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Ein toter Mann und doppeltes Schuldbewusstsein

Minichmayr spielt als titelgebende Andrea eine Landpolizistin, die noch daheim beim Vater wohnt (die Zeit scheint in ihrem mit Popstar-Postern geschmückten Mädchenzimmer stehengeblieben zu sein) und die baldige Versetzung nach St. Pölten herbeisehnt. Als nach einer feuchtfröhlichen Geburtstagsfeier der stockbetrunkene Noch-Ehemann (Thomas Stipsits) auf der Landstraße vor ihr Auto taumelt und vom Wagen tödlich erfasst wird, begeht sie in der ersten Panik Fahrerflucht

Umso größer ist ihr Erstaunen, als man ihr kurz danach den angeblichen Unfalllenker präsentiert, der, ohne es zu wissen, einen bereits Toten überrollt hat. Auftritt von Josef Hader als Franz, einem glücklosen Religionslehrer und trockenen Alkoholiker, der es gar nicht erwarten kann, seine vermeintliche Tat im Gefängnis zu sühnen. Zwischen der schuldbewussten Andrea und dem tragikomischen Loser entwickelt sich eine besondere Beziehung, die auf beider Leben Auswirkungen haben wird.

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Hader hat die Pointen auf seiner Seite

Was zunächst wie ein "Landkrimi" mit viel Land ein bisschen Krimi beginnt, entpuppt sich bald als pointierte Milieustudie voll verhaltenem Humor, die aus einem Tschechow-Stück stammen könnte. Während sich Birgit Minichmayr wieder einmal als große Charakterdarstellerin erweist, die das Geschehen oft mit ausdrucksstarkem Schweigen voranzubringen hat, kann Hader mit gewohnt lakonischem Wortwitz die Zuschauer:innen sofort auf seine Seite ziehen (bester Beweis dafür: Sobald er nach über einer halben Stunde seinen ersten größeren Auftritt als unfähiger Kaffeekoch absolviert, bricht sogar das sonst eher abgeklärte Publikum einer Pressevorführung in schallendes Gelächter aus.)

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Einprägsame Haupt- und Nebenfiguren

Jede dieser Figuren hätte einen eigenen Film verdient und würde ihn auch locker tragen: Sei es Thomas Schubert als Andreas' oft überforderter Polizeikollege, der es nicht einmal schafft, während der Fahrt richtig aus dem Autofenster zu spucken; oder Robert Stadlober als melancholischer Vorgesetzter in St. Pölten, dessen persönlichen Probleme ihn eine äußerst bedenkliche Entscheidung treffen lassen ... 

Und dieser Wunsch lässt sich sogar bis auf die kleinste Nebenrolle ausdehnen: Wir würden gerne mehr über jene von Maria Hofstätter gespielte Landdisco-Pomeranze wissen, denn abgesehen davon, dass sie Katzenfreundin, eifersüchtig, tanz- aber nicht spendierfreudig ist, bleibt alles unserer Vorstellung überlassen. Aber auch Margarete Tiesel als Mutter des Verstorbenen, die in ihrer Trauer nur über die Essgewohnheiten des Sohnes sprechen kann, erweckt unser teilnahmsvolles Interesse.  

Nur für die von Thomas Stipsits gespielte Figur ginge sich aus naheliegenden Gründen keine Fortsetzung aus. Dafür holt er aus seinem kurzen, aber eindrücklichen Auftritt ein Maximum an Wirkung heraus und präsentiert sich zugleich auf eine Art und Weise, wie man ihn noch nie gesehen hat. 

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Kreisverkehr mit Zwiebel

Auch hier gibt es übrigens einen Kreisverkehr, der in puncto Berühmtheit allerdings (noch) nicht mit dem Eberhoferschen mithalten kann. Der österreichische Kreisel befindet sich bei Oberstinkenbrunn im nordöstlichen Weinviertel, das man auch als "Zwiebeldorf" kennt – daher steht in seiner Mitte eine über sechs Meter hohe Skulptur des "Großen Zwiebelchens", die nachts sogar leuchtet. Das klingt alles wie eine geniale Erfindung von Josef Hader, aber in Wirklichkeit musste er sich nur ins tiefste Niederösterreich begeben, um fündig zu werden. 

Als sich dann die Bilder zu gleichen beginnen, weil eine visuelle Entsprechung zum Filmbeginn hergestellt wird, ahnt man schon, dass es jetzt zu Ende sein muss, obwohl man es nicht wahrhaben möchte. Denn Hader hat für seinen zweiten Film einen regelrechten audiovisuellen Provinz-Blues komponiert, bei dem jeder Ton sitzt und an dem man sich nicht sattsehen und -hören kann.

4 ½ von 5 Bierflecken im Schritt von Männerhosen.

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