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© The Walt Disney Company

Filmkritiken

"Pinocchio" auf Disney+: Alter Holzkopf erfolgreich aufpoliert

Dass diese Fassung des Disney-Klassikers über den Marionetten-Jungen alles andere als hölzern ist, beweist Robert Zemeckis.

von

Franco Schedl
Franco Schedl

09/08/2022, 07:34 AM

Gleich zu Beginn schwebt Jiminy die Grille vor dem Disney-Logo an seinem Regenschirm zu Boden und stellt sich mit Joseph Gordon-Levitts Stimme als Erzähler der folgenden Geschichte vor. Außerdem führt er sein früheres Selbst ein, das frierend durch die Gassen einer italienischen Stadt wandert und von der erleuchteten Werkstatt des Spielzeugmachers Geppetto angezogen wird.

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Tom Hanks oder Albert Einstein?

In dieser behaglichen Behausung wärmt sich der kleine tierische Wicht zunächst an einem Kohlenstück und turnt dann mit brennenden Rockschößen von einer Kuckucksuhr zur nächsten, bis er schließlich einem weißhaarigen und schnurrbärtigen Tom Hanks gegenübersteht, der wie Albert Einstein aussieht und Sätze spricht, die sich reimen – man braucht einige Sekunden, bis man bemerkt, dass es eigentlich ein Gesang sein soll.

Und da baumelt auch schon die noch unbelebte Marionette namens Pinocchio vor uns, die der alte Mann nach einem fotografischen Vorbild gestaltet hat: Wir sind also eindeutig im richtigen Film gelandet, denn bei dieser Disney-Produktion fühlt man sich von der ersten Sekunde an gut aufgehoben. 

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Nah am Original und doch ganz anders

Es hat zwar schon viele "Pinocchio"-Versionen gegeben und auch weitere sind in Planung, doch dieser Film bringt es von Anbeginn fertig, dass wir solche Konkurrenz gleich wieder ausblenden, weil er uns durch seine unbekümmert frische Herangehensweise an die altvertraute Geschichte entzückt. Wer aber trotzdem Vergleiche anstellen möchte, wird nach einem Wiedersehen des Disney-Originals von 1940 erstaunt sein, wie nahe ihr dieser neue "Pinocchio"-Film bleibt und dennoch eigene Akzente setzt (übrigens auch musikalisch).

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Kein erhobener Zeigefinger

Während das zugrunde liegende Kinderbuch von Carlo Collodi aus dem Jahr 1883 den didaktisch erhobenen Zeigefinger nicht verleugnen kann, ist hier davon zum Glück kaum etwas zu merken. Robert Zemeckis entschärft allzu lehrhaften Tendenzen durch geschickte Inszenierung und holt die Vorlage stattdessen behutsam ins Heute.

Der fiese Fuchs etwa plappert – mit der Original-Stimme von Keegan-Michael Key – den Holzjungen gleich bei der ersten Begegnung um den Verstand: Er sieht in ihm nicht nur einen geborenen Schauspieler, sondern sogar einen vielversprechenden Influencer und bringt auch noch einen Vorschlag für den passenden hölzernen Bühnennamen ein, der selbstverständlich Chris Pine lauten sollte.

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Lügen ohne Fee

Pinocchios Markenzeichen, die wachsende Nase, bleibt natürlich auch erhalten, aber wir müssen uns fast eine Stunde gedulden, bis wir diese durch Unwahrheit hervorgerufene Gesichts-Erektion endlich zu sehen bekommen.

Auch hier verpasst Zemeckis der Handlung einen unerwarteten Dreh, denn in diesem Fall erweist sich das Lügen sogar als überaus befreiend und es ist keine gute Fee mehr nötig, die in einer Notlage moralische Belehrungen erteilt und zur Schutzhelferin wird. Die Blaue Fee absolviert nur anfangs ihren großen Auftritt in Gestalt von Cynthia Erivo und bleibt dann dauerhaft verschwunden.

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Disney-Raterunde mit Uhren

Viele gute Ideen werden hier also auf ansprechende Weise umgesetzt und ein paar von ihnen seien nun eigens hervorgehoben: Für witzig-nostalgische Zwischenspiele ist gesorgt, sobald all jene unzähligen Kuckucksuhren in Geppettos Werkstatt zu schlagen beginnen und aus den Öffnungen immer neue Disney-Figuren hervorquellen, die man etlichen Filmklassikern zuordnen kann.

Wenn Pinocchio dann später von feschen Can-Can-Tänzerinnen oder Kosaken umringt auf der Marionetten-Bühne steht, fängt er so kräftig zum Mittanzen an, dass seine Holzbeine in Brand geraten und von Señor Stromboli (Giuseppe Battiston) gelöscht werden müssen.

Farbenfroh geht es weiter und die berüchtigte Spaß-Falle Pleasure Island erweist sich als dämonisches Disneyland, wo Kinder-Anarchie herrscht; es kommen sogar Horror-Elemente ins Spiel. Das Meeres-Ungeheuer Monstro darf zum Finale auch nicht fehlen, doch ab diesem Moment wird der Film leider unnötig actionhaft mit Spezialeffekten aufgeladen, die noch dazu sehr unecht wirken – und ist ein Pinocchio als lebendiger Außenbordmotor wirklich nötig?

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Auf Holz klopfen

Abgesehen von diesen leichten Schwächen, hat Zemeckis ein kräftiges Lob verdient: Seine beeindruckende Arbeit setzt die menschlichen und animierten Mitwirkenden perfekt in Szene. Allen voran seinen langjährigen Lieblingsdarsteller Tom Hanks, der mit geradezu rührend kindlicher Freude den alten Puppen-Vater spielt.

Dass diese Version vom Publikum gut aufgenommen wird, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Trotzdem kann es nicht schaden, einmal kräftig auf Holz zu klopfen. Sorry, Pinocchio, ich hoffe, das hat nicht allzu weh getan!

4 ½ von 5 Holznasenlängen

"Pinocchio" ist ab 8. September auf Disney+ verfügbar.

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