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"Nymphomaniac" statt "365 Days": Netflix zeigt echten Sex!

Im Skandal-Film von Lars von Trier ist (fast) nix gestellt. Hier geht es aber nicht nur um körperliche, sondern auch seelische Entblößungen.

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Manuel Simbürger
Manuel Simbürger

05/23/2022, 02:16 PM

Wir haben uns von "365 Days: Dieser Tag" nicht viel erhofft. Oder erwartet. Wirklich nicht viel. Keine logisch nachvollziehbare Story, keine bravourösen schauspielerischen Leistungen, keine tiefschürfenden Dialoge. Ja nicht mal sonderlich spannend musste der Film sein. Alles egal, echt.

Was uns wirklich wichtig war – und wir sprechen es an dieser Stelle einfach mal klar und deutlich aus –, waren die Sexszenen. Heißer, leidenschaftlicher, animalischer Sex, der uns beim Zusehen in Fahrt bringt und unsere Fantasie Achterbahn fahren lässt. Ein Film, bei dem sich sich wirklich mal g'scheit "netflix and chillen" lässt.

Nein, "365 Days: Dieser Tag" musste kein cineastischer Höhepunkt sein, was uns ZuseherInnen betrifft. Aber er sollte zumindest viele Höhepunkte liefern.

Und wir wurden auf ganzer Linie enttäuscht. Fad, viel zu sehr stilisiert, die Chemie zwischen den HauptdarstellerInnen war auch plötzlich verschwunden. Und hat man beim ersten Teil noch gerätselt, ob das Herumgehüpfe vor der Kamera vielleicht tatsächlich echt ist, war beim Schauen der Fortsetzung sofort klar: Nein, der Sex ist nicht echt.

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Netflix zeigt echten Sex!

Also gibt es eigentlich null Gründe, "365 Days: Dieser Tag" anzuschauen. Doch trotzdem kommen wir von dem Gedanken nicht los, unser Pornhub-Erlebnis mit der Erfahrung des Netflix-Streamens zu verbinden. Also haben wir uns auf der Streamingplattform etwas umgeschaut – und können euch auch gleich einen Tipp ans Herz legen: 

Gebt ihr im Suchfeld die Begriffe "sinnlich" oder "steamy" ein, schenkt Netflix euch, quasi als Belohnung für eure geistige Kreativität, einige der heißesten Filme, die der Streaming-Gigant zu bieten hat (gern geschehen!). Darunter findet sich auch ein Film, der – ACHTUNG, jetzt kommt's, und zwar nicht sprichwörtlich! – echten Sex zeigt. Also SchauspielerInnen, die vor der Kamera nicht nur so tun, als ob. Die tatsächlich realen Geschlechtsverkehr vollziehen. Oder zumindest fast. Denn ein bisserl wurde auch hier getrickst.

"Nymphomaniac" von Lars von Trier

Wir sprechen, vielleicht habt ihr es schon geahnt, vom Skandalfilm "Nymphomaniac" (2013) des l'enfant-terrible-Regisseurs Lars von Trier. Netflix zeigt nämlich gleich beide Teile des Sex-Dramas – zwar nur jeweils die gekürzte Kinofassung anstatt der längeren Director-Cut-Version, aber was soll's. Zum Wundern, Schauen, Lechzen, Nachdenken, Schämen und Zoomen gibt's auch hier genug.

Es geht um Nymphomanin Joe (Charlotte Gainsbourg), die brutal zusammengeschlagen in einer Seitenstraße gefunden wird. Ihrem Retter erzählt sie danach ebenso freizügig ihre Lebensgeschichte, wie eben diese nun mal ist: Von ihrer Sexsucht geleitet stürzte sie sich von Jugend an in sämtliche erotische Abenteuer, immer in der Hoffnung, irgendwann mal Befriedigung zu finden. zu sich selbst zu finden. Erkenntnis zu finden. Begehren ist für Joe die leidenschaftlichste Form des Lebens, doch je mehr sie Sex hat, desto weniger scheint sie jemals anzukommen. Irgendwo.

Poetischer und wilder Sex

Wild und poetisch zeigt von Trier den Sex im Leben von Joe – und vor allem authentisch. Der Film, der bewusst provozieren, aber  auch zum Reflektieren anregen möchte, geizt nicht mit nackten Tatsachen, im Gegenteil: Die DarstellerInnen (darunter viele Top-Stars) vögeln sich hier im wahrsten Sinne des Wortes mit Leib und Seele durch ein Leben ohne Ziel – so explizit, dass PornodarstellerInnen als Body-Doubles für den Dreh verwendet wurden. Die Gesichter der Stars wurden also auf die Körper der Profis retuschiert. Das lässt genauso die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwinden wie der Sex in Joes Leben selbst.

Von Fake-Erotik distanziert sich von Trier aber dezidiert. Sex ist in "Nymphomaniac" so lebensnah, dass ... ja, was? Das Ganze schwer auszuhalten oder umso geiler ist?. Beides, irgendwie. Wahrscheinlich. Vielleicht finden sich gerade deshalb manche Szenen des Films auch auf einschlägigen Websites. Ein Qualitätskriterium der anderen Art.

Shia LaBeouf bewarb sich mit Porno-Video

Dass von Trier (der wegen seinen Nazi-Sagern lange Zeit Cannes-Verbot hatte) einiges von seinen SchauspielerInnen abverlangt, ist bekannt. Auch bei "Nymphomaniac" tat der Regisseur alles, um die Authentizität und die seelische Verwundbarkeit von Sexualität so real wie möglich darzustellen.

Von Shia LaBeouf beispielsweise verlangte er im Vorfeld Penis-Bilder. Weil der aber sowieso für sein Method Acting bekannt ist, schickte er dem Regisseur gleich mal Home-Sex-Videos von sich und seiner Freundin. Und bekam die Rolle. Das nennt man mal Hingabe.

Tut weh, aber auf die richtige Art

Trotz sichtlichem Hang zum Skandal versteht es von Trier, in "Nymphomaniac" eine Art von Begehren zu zeigen, das ständig zwischen Sünde und reinster Form des Zwischenmenschlichen oszilliert. Sex, der geil und ein schlechtes Gewissen zugleich macht. Ja: Der Selbstbefriedigung mit Selbstreflexion ermöglicht (hey, wir halten hier nix zurück!).

Joe möchte das Leben verzweifelt spüren und kann dies nur in Form von Sex der verschiedensten Art. Dabei werden Klischees genauso bestätigt wie dekonstruiert, Rollenbilder zerschlagen und neu erschaffen. Fetische ent-tabuisiert und somit zum noch größeren Skandal. Absolut ist in "Nymphomaniac" wenig. 

Glück und Geilheit liegen hier sehr eng beieinander – und sind im nächsten Augenblick wieder meilenweit voneinander entfernt. Abstoßung und Anziehung, Nähe und Distanz, Liebe und Hass. Das rüttelt auf, tut weh, aber auf die richtige Art.

Fazit

Auf intensive, unerschrockene und triste Art erkundet "Nymphomaniac" die Vieldeutigkeit der menschlichen Sexualität und die zerrissene Seele einer verlorenen Frau. Explosiv, emotional bis zum Anschlag (pun intended) und lautstark. Zwischendurch sogar erschreckend leise. Ja, der Film schreit förmlich nach Aufmerksamkeit. Dass wir ZuseherInnen dabei zu wohlwollend-sabbernden VoeyeuristInnen werden, ist aber mindestens genauso erschreckend. 

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