Moritz Bleibtreu bei "LOL 4"

Moritz Bleibtreu bei "LOL 4"

© Amazon Prime Video

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Moritz Bleibtreu: "Bei 'LOL' stehe ich vor dem blanken Nichts!"

Der erfolgreiche und beliebte Schauspieler im film.at-Interview über "LOL 4", wieso Komödie immer noch nicht ernst genommen wird und wie er zu Nepo-Babies steht.

von

Manuel Simbürger
Manuel Simbürger

04/06/2023, 04:25 AM

Irgendwie hätte man sich nicht erwartet, dass Moritz Bleibtreu eine der KandidatInnen der vierten Staffel von "LOL: Last One Laughing" auf Amazon Prime Video ist. Einer der beliebtesten und erfolgreichsten SchauspielerInnen im deutschsprachigen Raum bei einem Blödelformat, in dem es darum geht, nicht zu lachen? Aber Bleibtreu nimmt sich selbst eben alles andere als ernst, wie er im Interview mit film.at meint. "LOL" allerdings, ein Format mit doppeltem Boden, das nimmt er ernst. Sehr sogar. Also passt das schon wieder, irgendwie. Und wir? Freuen uns vor allem, den 51-Jährigen mal von einer ganz anderen Seite zu erleben.

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Aber Bleibtreu ist sowieso immer für Überraschungen gut. Man weiß nie so richtig, was einem bei ihm erwartet. Was erfrischend ist und vielleicht der Grund, wieso das Publikum nicht genug von ihm bekommt. Als wir den Münchner mit österreichischen Wurzeln zum Interview über "LOL" baten, hätten wir uns am Ende jedenfalls nicht gedacht, dass ein tiefgründiges Gespräch über Schauspielerei, die Verbindung von Kunst und Leiden und Nepotismus herauskommt. Wenn Bleibtreu vielen Vorurteilen und Klischees gegenüber KünstlerInnen auch widerspricht, ein Mythos bestätigt er dann doch: Je größer der Star, desto netter ist er (oder sie).

Denn anstatt gelangweilte Marketing-Antworten und Ego-aufplusternde Selbstbeweihräucherung hört Bleibtreu genau zu, unterbricht kein einziges Mal, ist voll und ganz im Hier und Jetzt und bemüht sich, jede Frage so ausführlich wie möglich zu beantworten. Wenn er grinst, sitzt ihm der Lausbuben-Schalk im Nacken, wenn er überlegt, dann gründlich, wenn er emotional ist, dann so richtig. Die Authentizität legt er in keiner Sekunde ab. Ob "LOL" also tatsächlich das richtige Format für Bleibtreu ist? Das werden wir ab 6. April sehen ...

Christoph Maria Herbst (Kandidat in der dritten Staffel; Anm.) hat ihm Rahmen von „LOL 3“ verraten, dass Du sein Wunschkandidat für Staffel 4 wärst. Nun bist Du tatsächlich bei „LOL“ dabei. Hatte Herbst tatsächlich etwas damit zu tun?

Oh, das hat er tatsächlich gesagt? Das wusste ich gar nicht. Als ich die Anfrage bekam, hab ich mich selbst sehr gewundert, denn ich bin ja kein Comedian. Andererseits: Ich habe schon viele Komödien gedreht und fühle mich in diesem Genre wohl. Die „LOL“-Macher fanden mich also wohl lustig genug für dieses Format!

Andererseits: Sobald du in diesem Studio bist, ist sowieso alles ganz anders. Hier habe ich keine Geschichte, keine Figur, an der ich mich festhalten kann, in die ich ein- und aus der ich auch wieder austreten kann. Bei „LOL“ stehe ich vor dem blanken Nichts! (lacht) Hier habe ich gemerkt: Ich bin weder Comedian noch ein Mensch, der in Sekundenschnelle auf Aktionen reagiert oder Gags am laufenden Band raushaut. Ich bin eher eine zurückhaltende Person und höre erst mal zu. Das bedeutet, ich war bei „LOL“ ein Außenseiter – das war mir aber auch von Anfang an bewusst.

In den ersten Folgen von „LOL 4“ bist Du tatsächlich sehr ruhig, zum Teil hatte ich den Eindruck, Du wärst genervt ...

Nein, ich habe mich vielmehr komplett auf den Moment konzentriert – und natürlich darauf, nicht zu lachen. Aber das, was Sie ansprechen, wird mir generell oft nachgesagt – und übrigens auch bereits meiner Mutter damals: Wenn ich nicht lache, dann glaubt man, ich sei gereizt, obwohl ich einfach nur gucke! Ich bin dann gar nicht schlecht gelaunt, ich lache nur einfach nicht.

Weil wir aber schon davon sprechen: Bei „LOL“ habe ich auch gemerkt, wie wichtig Lachen in meinem täglichen Leben ist. Das war mir vorher gar nicht bewusst. Mit Lachen drücke ich aus, wer ich bin, wer der Moritz ist. Oder anders ausgedrückt: Mit Lachen bin ich erst der Moritz. Als man mir das wegnahm, entstand für mich eine vollkommen neue Situation, auf die man sich überhaupt nicht vorbereiten kann. Du kannst auf keinerlei Erfahrungen zurückgreifen. Wie es ist, nicht lachen zu dürfen, während dich eine Gruppe von witzigen Menschen aber zum Lachen bringen will, und gleichzeitig von 41 Kameras beobachtet zu werden – wenn man so etwas noch nie erlebt hat, kann man sich das gar nicht vorstellen.

Lachen ist also etwas Elementares für Dich. Heißt das, Du hast dich bei „LOL“ in Deiner Persönlichkeit beschnitten gefühlt?

Total! Ich bin nicht mal die Hälfte ... nein, Blödsinn: Ich bin nicht mal 10 Prozent meiner Selbst, wenn ich nicht lache. Andererseits: Wäre das nicht ein tolles Thema für eine Serie oder einen Film? Eine Dystopie, in der du nicht lachen darfst. In solch einer Welt würde mit Lachen gehandelt werden, es würde Lach-Zentren geben, für die du zahlen musst, um sie betreten zu dürfen. Dort könnte man soziale Punkte sammeln – und wenn man sich nicht benimmt,  darf man nicht lachen. So’n Zeug. Stelle ich mir sehr spannend vor.

Allerdings, da bekomme ich schon beim Zuhören Gänsehaut.

Ist doch ein guter Pitch, oder? Kann mir jetzt niemand mehr wegnehmen! (lacht) Aber im Ernst: Ich denke, diese Art von Sozialexperiment ist auch der Grund für den großen Erfolg von „LOL“. Das Format hat einen sehr abstrusen, aber elementaren Doppelboden – und wahrscheinlich ist der nicht mal gewollt! Es würde mich nicht wundern, wenn „LOL“ eines Tages den Grimme-Preis gewinnt. Dieses Format ist sehr vielschichtig.

Interessant ist: Lachen ist für Dich sehr wichtig, und doch hat man Dich in den vergangenen Jahren – bis auf wenige Ausnahmen – hauptsächlich in ernsthaften Rollen gesehen. Gab’s dafür einen bestimmten Grund?

Es hängt natürlich auch vom Angebot ab, aber gleichzeitig ist es tatsächlich auch eine persönliche Entscheidung. In letzter Zeit hat sich das aber wieder geändert und ich habe wieder ins Comedyfach zurückgefunden. Momentan fühle ich mich in diesem Genre sehr wohl. Das mag sicherlich auch mit den grauen Zeiten zu tun haben, in denen wir leben. Momentan habe ich’s filmisch gerne leicht! (lacht)

Fühlst Du dich zu humorvollen Rollen eher hingezogen, wenn es privat bei Dir gut läuft – und umgekehrt?

Ich glaube, diese Verbindung wäre ein bisschen zu einfach. (überlegt) Aber eigentlich ist an dieser These doch etwas Wahres dran: denn die Inhalte, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe, waren rückblickend durchaus an persönliche Befindlichkeiten gekoppelt. Aktuell habe ich einfach gar keinen Bock auf düstere Geschichten mit kaputten Seelen. Ich genieße jede Komödie und freue mich, wenn Leute Geschichten veröffentlichen, über die ich lachen kann. Drama wird bei mir sicher wieder kommen, aber zurzeit liebe ich die Comedy. Ich habe ja auch früher sehr viele Komödien gedreht, sie sind also ein Teil von mir.

Ich habe das Gefühl, dass SchauspielerInnen in dramatischen Rollen ernster genommen werden als in humorvollen ...

Das ist ganz sicher so. Das hat wohl viel damit zu tun, wie wir Leistung innerhalb der Schauspielerei überhaupt definieren. Große Kunst wird oft am Grad der Hingabe gemessen, wie sehr man dafür leiden muss. Große Kunst muss anscheinend mit Blut, Schweiß und Tränen verbunden sein.

Gutes Beispiel ist doch Leonardo DiCaprio: „The Revenant“ ist meiner Meinung nach nicht seine beste Leistung, aber aufgrund seiner leidvollen Hingabe für die Rolle hat er den Oscar dafür bekommen.

Oder auch Eddie Murphy: Er ist immer nur dafür gut, den Oscar zu überreichen, aber ausgezeichnet wurde er noch nie mit einem. Einige der größten Schauspieler und Schauspielerinnen wurden nie ausreichend gewürdigt, weil sie vom dramatischen Fach nicht entdeckt wurden. Das finde ich sehr schade. Deshalb war es mir immer sehr wichtig, in beiden Genres zuhause zu sein und keines davon auszuschließen.

Du gehörst zu den beliebtesten und erfolgreichsten SchauspielerInnen im deutschsprachigen Raum. Vielleicht gerade aufgrund der Liebe zu beiden Genres? Und weil man Dich sowohl in der Komödie als auch im Drama ernst nimmt?

Wenn ich etwas in meinem Beruf gelernt habe, dann das: Ich werde mich in diesem Beruf niemals ernst nehmen. Ich nehme die Figuren, die ich spiele, ernst, aber nicht mich selbst. Das, was wir Schauspieler und Schauspielerinnen tun, ist im Grunde der größte Traum, den wir Menschen uns erfüllen können: Wir dürfen für immer Kind bleiben. Wir dürfen verschiedene Menschen sein. Ich muss nichts Bestimmtes lernen, um in einen Beruf zu schlüpfen. Ich spiele einfach Doktor, behaupte, dass ich einer bin, anstatt tatsächlich einer zu sein – und trotzdem werde ich ernst genommen. Wie geil ist das denn?! Noch dazu verdienen wir einigermaßen gut und bekommen auch noch Preise verliehen. Wir sind, da bin ich ganz ehrlich, in einer wahnsinnig luxuriösen Situation.

Wahrscheinlich wird auch deshalb schauspielerische Qualität an Blut, Schweiß und Tränen gemessen, weil wir uns für unsere privilegierte Situation im Grunde wahnsinnig schämen. (lacht) Uns geht es so gut, dass wir uns besser fühlen, wenn wir sagen, wir haben für die Kunst gelitten und sind beispielsweise komplett im Method Acting aufgegangen. Für mich stellt diese Haltung ein Problem dar.

Natürlich gibt es Schauspieler und -innen, die aus einer Notwendigkeit heraus spielen und diesen Beruf ausüben, weil sie gar nicht anders können. Wären diese Schauspieler und -innen mit sich alleine, hätten sie wahrscheinlich große Probleme mit sich selbst, würden viele Neurosen entwickeln. Schauspielen ist für sie also eine Art von Therapie.

Ich gehöre nicht zu dieser Gruppe. Ich bin einer der „Spieler“, wie ich sie nenne. Ich bin mir nicht selbst der Nächste, ich setze mich mit einer Geschichte nicht deshalb auseinander, weil ich mit mir selbst nicht klarkomme. Es geht mir einfach ums Spielen, nicht mehr und nicht weniger. Ich bin ehrlich genug zu sagen, dass ich das größte Glück der Welt habe. Ich darf das machen, was mir Spaß macht. Ich bin diesbezüglich sehr uneitel – freue mich aber natürlich trotzdem über jeden Preis! (grinst)

Derzeit wird viel über sogenannte „Nepo-Babies“ gesprochen, also Stars mit prominenten Eltern. Ihnen wird vorgeworfen, von dieser Vetternwirtschaft profitiert zu haben. Auch Deine Eltern waren berühmte SchauspielerInnen (Monica Bleibtreu und Hans Brenner, Anm.). Wie stehst Du dieser Diskussion gegenüber?

Ich sehe dieses Thema ein bisschen als Milchmädchen-Rechnung an. Es gibt ein Für und Wider. Natürlich haben auch mich anfangs alle als den „Kleinen von der Bleibtreu und vom Brenner“ bezeichnet. Man hat meinen Familiennamen gekannt, aber es war auch eine große Erwartungshaltung da. Das gilt auch für viele meiner Kollegen und Kolleginnen. Berühmte Eltern zu haben kann auch einen großen Druck ausüben. Es mag Türen öffnen und du magst eine Zeitlang davon profitieren, aber langfristig erfolgreich bist du nur, wenn du auch wirklich etwas drauf hast.

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