Filmkritik: "Anna" von Luc Besson

© Constantin Film

Filmkritik

"Anna" oder Luc Besson in der chauvinistischen Endlosschleife

Mit diesem schwachen Aufguss alter Erfolge demonstriert Luc Besson in fast peinlicher Art und Weise, dass er sich cineastisch nicht weiterentwickelt hat.

von

Erwin Schotzger
Erwin Schotzger

07/16/2019, 07:30 AM

Das Gerücht, Luc Besson habe die weibliche Action-Heldin im Kino mit "Nikita" im Jahr 1990 quasi im Alleingang erfunden, ist schwer übertrieben. Ellen Ripley ließ schon vier Jahre vorher sämtliche Männer in "Aliens – Die Rückkehr" ziemlich blass aussehen. Mit "Nikita" hat Besson aber eine neue Heldin des Actionfilms geschaffen: Die von Männern und Gewalt dominierte Profikillerin, die ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt und aus dem ausbeuterischen System aussteigt.

Dieses erfolgreiche Muster hat Besson in den vergangenen 29 Jahren mehr als einmal wiederholt. In allen erdenklichen Variationen, manche davon besser als das Original: "Leon – Der Profi" (1994) mit Natalie Portman (damals gerade erst 13 Jahre alt), "Das fünfte Element" (1997) mit Milla Jovovich, "Colombiana" (2011) mit Zoe Saldana (Besson schrieb das Drehbuch) und zuletzt "Lucy" (2014) mit Scarlett Johansson.

Der neuerliche Aufguss "Anna" gehört nicht zu den besseren Varianten!

 

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Neuer Film, neues Model

Mit Sasha Luss hat Besson wieder eine junge Heldin mit dem Gesicht und den Maßen eines Supermodels gefunden. Das russische Model hatte ihr Schauspieldebüt in Bessons letztem Film "Valerian – Die Stadt der tausend Planeten". Mit typischer "Femme Fatale"-Miene, aber sonst weitgehend ausdruckslos, spielt sie die KGB-Agentin Anna. Ihr späterer Mentor und Liebhaber Alex Tchenkov (Luke Evans), ebenfalls KGB-Agent, verspricht ihr nach fünf Jahren als Killerin für den KGB die Freiheit. Nur hat er ihr zu viel versprochen. Anfang der 90er-Jahre nimmt sie die knallharte KGB-Abteilungsleiterin Olga (Helen Mirren) unter ihre Fittiche. Als junges Talent wird sie in eine Modelagentur in Paris eingeschleust, wo sie die mörderischen Aufträge des KGB höchst erfolgreich ausführt. Doch der KGB-Chef ist der Meinung, dass es nur eine Möglichkeit gibt, den Dienst beim KGB zu quittieren: den Tod.

Um die versprochene Freiheit zu bekommen, ist Anna daher zur Kreativität gezwungen. Luc Besson ganz offensichtlich nicht!

 

Hat Luc Besson die letzten 20 Jahre verschlafen?

Eine Männer-mordende Frau ist heute per se kein feministisches Statement der Selbstermächtigung mehr, war es wohl bei Besson auch nie. Aber Besson tut so als ob in den beinahe 30 Jahren seit "Nikita" rein gar nichts passiert wäre. Als ob eine schöne Frau mit Waffe, die ihre Ziele in einem Actionfilm ebenso gewalttätig und konsequent verfolgt wie Männer, noch überraschen oder verstören würde. Als ob es seither keine Actionfilme mit Frauen in den Hauptrollen gegeben hätte. Filme wie "Atomic Blonde" mit Charlize Theron und "Red Sparrow" mit Jennifer Lawrence dürften Besson entgangen sein. Ersterer ist der bei Weitem bessere Action- und Agentenfilm, Letzterer hat einen ziemlich ähnlichen Plot. Beide haben Schauspielerinnen in der Hauptrolle, die den Film tragen. Das kann man von Sasha Luss nicht unbedingt behaupten. Einzig Helen Mirren als Olga sorgt für lustige Momente und rettet (in mehrfacher Hinsicht) letztendlich, was bei diesem Film zu retten ist.

Auch sonst hat "Anna" handwerklich nichts Neues zu bieten. Nichts, dass nicht schon in anderen Actionfilmen viel besser zu sehen war. Die durch Rückblicke immer wieder unterbrochene Erzählweise kann über den altbekannten Plot auch nicht hinwegtäuschen. Das Action-Highlight des Films ist eindeutig Annas erster Mordauftrag in einem Kaffeehaus in Moskau, was wohl auch der Grund ist, warum gerade diese Szene den Großteil des Trailers füllt. Die Szene erinnert sehr an "Atomic Blonde" und demonstriert vor allem die professionelle Routine des Filmemachers Luc Besson. Es ist auch die einzige Szene, in der Luss überzeugt und mehr macht als nur gut aussehen. Meist dient das ehemalige Model als hübscher Eye-Catcher, oft sogar als Lustobjekt. Manche Szenen in der Pariser Modelszene wirken wie ein stylischer Softporno, aus dem die Sexszenen entfernt wurden. Besson zeichnet ein ausbeuterisches und oberflächliches Bild der Pariser Fashion-Szene, aber sein eigener Film ist nicht viel besser.

 

Immer wieder dieselbe Geschichte

Aus der #MeToo-Debatte dürfte Luc Besson relativ wenig gelernt haben, obwohl er selbst mit mehreren Anschuldigungen wegen sexuellem Fehlverhalten und in zumindest einem Fall sogar wegen Vergewaltigung konfrontiert ist. Aus diesem Grund wurde "Anna" in den USA auch mehrmals verschoben und kaum beworben. Umso peinlicher ist es, wenn Besson hier einmal mehr sein Faible für junge Frauen auf eine sehr klischeehafte und auch chauvinistische Art und Weise zelebriert: Männer sind die wohlwollenden Mentoren der jungen Frau, die sie zwar ausbeuten und durch die Hölle treiben, aber doch auch lieben. Glaubwürdige Kritik an dieser wohl nicht nur im Agenten- und Killer-Business verbreiteten Alt-Männer-Fantasie fehlt im Film weitgehend. Daran ändert auch der halbherzige Twist am Schluss nichts, der eher als Feigenblatt für eine kritische Interpretation dient.

Mit "Anna" hat sich Luc Besson selbst einen Bärendienst erwiesen. Seine Produktionsfirma ist nach dem Mega-Flop "Valerian" schwer angeschlagen. So ein kommerzieller Misserfolg kann passieren. Aber nach "Anna" muss bezweifelt werden, ob Besson überhaupt noch das Zeug hat, einen Kinohit abzuliefern.

Das US-Magazin "Variety" hat es auf den Punkt gebracht: "Anna" demonstriert, dass Besson heute noch derselbe Filmemacher ist wie vor 20 Jahren. Anders als seine titelgebende Figur, die sich geschmeidig an jede erdenkliche Situation anpasst, hat er in dieser Zeit immer und immer wieder dieselbe Geschichte erzählt."

 

Luc Besson erzählt die Geschichte einer jungen Russin, die nicht nur Model in Paris ist, sondern zugleich als Killerin für den KGB arbeitet.

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