Szene aus "Mea Culpa" auf Netflix

Szene aus "Mea Culpa" auf Netflix

© Perry Well Films 2 / Courtesy of Netflix/film.at

Filmkritiken

"Mea Culpa": Lohnt sich die Netflix-Erotik mit Kelly Rowland?

Das vierte Netflix-Werk von Tyler Perry hüllt sich im Gewand der Erotikthriller der 90s. Also: Hüllen fallen lassen oder lieber anbehalten?

von

Manuel Simbürger
Manuel Simbürger

02/23/2024, 12:48 PM

In unserer Rubrik "Lohnt sich das?" stellen wir euch einmal wöchentlich einen Streamingtitel (Film oder Serie), der in aller Munde ist, vor, nehmen ihn genauer unter die Lupe und stellen für euch die altbekannte Frage: "Lohnt sich das überhaupt?" Lohnt es sich, dafür Zeit zu investieren? Ein Abo abzuschließen? Oder ein Abo zu beenden?

Diesmal: "Mea Culpa" auf Netflix
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Erinnert ihr euch noch an Destiny's Child? Genau, jene Girlgroup, in der Megastar Beyoncé ihre ersten Megastar-Schritte machte und Megastar-mäßig ihre Bandkolleginnen mit großem, aber sympathischen Selbstbewusstsein in die Ecke tanzte, sang und was man halt sonst noch so macht, wenn man zu einen der erfolgreichsten Girlbands der Welt zählt.

Eine dieser "Stets-im-Schatten-von-Beyoncé-stehenden"-Bandkolleginnen war Kelly Rowland, immerhin bis heute BFF von Mrs. Knowles-Carter. Und weil es nach dem Aus der Band 2005 in der eigenen Gesangskarriere viele Ups and Downs gab, wandte sich Rowland auch der Schauspielerei zu, das Glamour-Leben möchte schließlich bezahlt werden. Also trat sie beispielsweise in "Freddy vs. Jason", "Empire" und "Bad Hair" auf. 

Nun ist die mittlerweile 43-Jährige mit einem neuen Film zurück, diesmal sogar in der Hauptrolle: "Mea Culpa" ist ein Netflix-Erotik-Thriller im Stil der Neunzigerjahre, inszeniert von Tyler Perry ("Don't look up"-Regisseur und Intimus von Ex-Prince Harry).

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Worum geht's in "Mea Culpa"?

Als der berühmte Künstler Zyair Malloy (Trevante Rhodes, "Moonlight") wegen Mordes angeklagt wird, übernimmt Mea Harper (Rowland) den Fall. Die Ablenkung kann die Top-Anwältin gut gebrauchen, denn in ihrer Ehe rennt's nicht rund, mit der Familie ihres Gatten gibt's reichlich Probleme (besonders mit der Schwiegermutter ist ihr Verhältnis ... sagen wir mal "kompliziert") und Geldprobleme plagen das Paar ebenso (auch wenn das aufgrund der Luxuswohnung nur schwer zu glauben ist).

Zyair entpuppt sich als Mandant, der verschlossen, aber gleichzeitig sehr verführerisch auftritt. Mea, die großen Wert auf Professionalität legt, wehrt sich lange Zeit gegen die Annäherungsversuche ihres Klienten, doch weil Hormone am Ende stärker sind als die Vernunft, landen die beiden im Bett / am Atelier-Boden. Ab da wird die Sache noch komplizierter, als sie es ohnehin schon war, denn es wird immer unklarer, ob Zyair unschuldig ist oder nicht. Die Gefahr wird immer größer ...

Ein schwarzer Mann und eine schwarze Frau stehen an einer Treppe.

Erotische Zeitreise in die Neunziger

In "Mea Culpa" "setzt sich Filmemacher Tyler Perry mit der Frage auseinander, was geschieht, wenn brennendes Verlangen zur Gefahr wird" – so bewirbt Netflix den Streifen reißerisch in seinem Pressetext. Am Streamingportal selbst wird "Mea Culpa" (der Titel ist natürlich ein Wortspiel, das auf den lateinischen Ausdruck "mea culpa" – also: "durch meine Schuld" – aber auch auf den Namen der Protagonistin abzielt) als "sinnlich" und "spannend" eingestuft. 

Netflix tut also alles, um den Streifen im Fahrwasser des (Trash-)Erfolgs "365 Days" zu verkaufen. Perry selbst meint im Interview mit "Netflix Tudum": "Da ich die älteren Thriller aus den 80er- und 90er-Jahren liebe, kam mir diese Idee. Es hat Spaß gemacht, das Beste und das Schlimmste der Menschheit im Genre des erotischen Thrillers zu erforschen.“ 

Tatsächlich erinnert "Mea Culpa" von der ersten Minute an an Filme wie "Basic Instinct", "Sliver", "Body of Evidence", "Body Chemistry" oder "Enthüllung": das knisternde Katz- und Maus-Spiel zwischen Ihr und Ihm, ständig changierend zwischen Verlangen und Gefahr, jede Minute davon auf Hochglanz poliert und gleichzeitig mit moralischer Vielschichtigkeit spielend. War er's? Hat sie's getan? Gibt's eine:n Feind:in in meinem Bett? Wann wird aus sehnsuchtsvoller Begierde gar Sünde?

Black is Beautiful

"Mea Culpa" kommt, trotz Bemühen, aber nur zur Hälfte an die großen Vorbilder ran. Manchmal scheint es fast so, als ob man auf halbem Wege Angst vor dem eigenen Vorhaben gehabt hätte und deshalb auf die Bremse getreten ist. Ja, auch in "Mea Culpa" ist die Welt absurd ästhetisch, die Menschen unrealistisch attraktiv, deren Luxkuskörper in Designerklamotten gehüllt. Glattpoliert die Settings, der Erotik entsprechend dominieren außerdem die Farben Rot und Schwarz. 

Das alles ist Genre-konform und kann man dem Film nicht übel nehmen, kann es gar, wenn man ihm wohlgetan ist, als Genre-Hommage betrachten. Dass "Mea Culpa" (bis auf die Schwiegermutter, was etwas seltsam anmutet) zudem ausschließlich von einem Schwarzen Cast getragen wird, ist tatsächlich ein Novum im Erotikthriller-Fach und darf applaudiert werden, weil dies frischen Wind in den Genre-Einheitsbrei bringt und konservative Horizonte hoffentlich erweitert.

Auch der Sex ist schön, aber bissi fad

Der Sex selbst spielt in "Mea Culpa" durchaus eine Rolle, wird aber erstaunlich in den Hintergrund gedrängt. Nach der Hälfte der Filmlaufzeit erst geht's zwischen Mea und Zyair das erste Mal heiß her – was (erneut) angenehm ästhetisch und geschmackvoll inszeniert ist, aber im Vergleich zu Netflix-Streamkollegen wie "365 Days" oder gar "Fifty Shades of Grey" zwar nicht prüde, aber sehr brav und bissi fad daherkommt. Die Kamera nimmt eher den Female Gaze ein, von Rhodes bekommt man mehr zu sehen als von Rowland, was angesichts der Starpower der Ex-Sängerin zu erwarten war – und Frauen sowie homosexuelle Männer auch nicht stören dürfte. 

Wer sich aber Voyeurismus und Pornhub-Ersatz erwartet, der sei gewarnt: Es gibt genau eine einzige Sexszene zwischen den beiden, insgesamt im Film nur vier (je nach Definition). Netflix hat bei "Mea Culpa" zwar aufs "Sex sells"-Pferd gesetzt, aber den versprochenen Ritt (im wahrsten Sinne des Wortes) nicht eingehalten.

Twists, aber nur halb-überraschend 

Ach ja, eine Story gibt's in "Mea Culpa" auch noch, das mag man bei all den schönen Menschen beinahe vergessen. Die erste Hälfte des Films fühlt sich wie ein überlanges Vorspiel zur erwähnten Sexszene an, danach (wie beim Lustspiel selbst halt oft auch) flacht das Interesse etwas ab und die Story plätschert ein wenig dahin, bis sie zum Schluss wieder an Fahrt aufnimmt – einschließlich zwei Twists, die zu einem Erotikthriller schließlich dazugehören. 

Geübte Genre-Kenner:innen mögen diese vorhergesehen haben, aber man hat schon schlimmere Wendungen erlebt. Trotzdem: Gar so schlau, wie Perry uns das Ende verkaufen will, ist es dann doch nicht, vielmehr übereilt und überzogen und man bleibt ein wenig mit einem Schulterzucken zurück – teils durchaus ratlos, weil die Auflösung nicht so schlüssig und detailreich erklärt wird, wie sie es verdient hätte, von so manchem riesigen Plothole ganz zu schweigen. Besser wäre es wohl gewesen, anfangs bisschen mehr Gas zu geben und dafür dem schnell zusammen gebastelt wirkenden Ende mehr Zeit zu widmen. 

Er liebt Sex, sie will professionell bleiben

Weil ein Erotikthriller freilich von der Chemie seiner beiden Hauptdarsteller:innen lebt, bemühen sich Rowland und Rhodes redlich, die Funken sprühen zu lassen. Das gelingt ihnen sogar auf weiter Strecke, auch wenn beide darstellerisch ganz klar ihre Grenzen haben und besonders bei Rowland nicht allzu viele Nuancen im Spiel zu erkennen sind.

Fairerweise gibt ihnen das sehr geradlinige Drehbuch sowie die Figurenzeichnungen (wortwörtlich) nur wenig Spielraum dafür. Mea ist die klassische vorbildliche, aber eindimensionale Powerfrau, die im Job zu den Großen gehört, von ihrem Ehemann inklusive dessen Familie aber klein gehalten und manipuliert wird. Lange widersteht sie Zyiars Flirtereien, es geht ihr nur um den Job.

Bloß in einem einzigen Nebensatz wird beiläufig erwähnt, dass Mea ein Alkoholproblem hat – genauso, dass ihr Mann drogensüchtig ist –, zu sehen bekommen wir beides aber nie, ersteres hat zudem keinerlei Auswirkungen auf die Story. Wieso gegen die goldene Dramaturgie-Regel "Show, don't tell" verstoßen? Aus Zeitgründen? Man weiß es nicht. Immerhin aber wurde jene Szene, die das Foto oben zeigt, nicht gestrichen: eine bemühte Verbeugung an die berühmte Töpfer-Szene aus "Ghost – Nachricht von Sam", die dann aber doch eher zur süßen Karikatur wurde und über die man sich prächtig amüsieren kann, wenn man in der richtigen Stimmung ist. 

Zyair wiederum ist der mysteriös-anziehende Bad Boy, wie er im Buche steht: Wortkarg, aber dafür mit reichlich Machismo (und einem sensiblen Kern) wickelt er Frauen reihenweise um den Finger. Er liebt Sex, ist arrogant, aber auch beneidenswert selbstbewusst, versprüht Gefahr und Sicherheit zugleich. Der (angebliche) Traummann einer jeden Frau – und natürlich auch von Mea, wie sie im Laufe der Handlung in der Badewanne liegend kleinlaut zugibt. Spätestens jetzt wird klar: Die Beziehung zwischen Mea und Zyair will feministisch sein, scheitert aber an überholten Geschlechterklischees und der ewigen Küchenpsycholgie Zyiars, was Meas Gefühle betrifft. Talk about mansplaining! 

Die Nebenfiguren, allen voran die böse Schwiegermutter, sind außerdem spröde klischeehafte Charakterschablonen, in ihrer Karikatur amüsant, aber nur schwer ernstzunehmen. 

Thriller zum Liebemachen 

Ernst nehmen kann man auch die Dialoge an vielen Stellen nicht, die derart vor seichtem Erotik-Kitsch sprühen, dass sie in die Kategorie "so schlecht, dass sie schon wieder gut sind" fallen. "Ich liebe Sex. Und ja, ich habe auch wilden Scheiß gemacht", sagt Zyair in einer Szene und blickt Mea dabei tief in die Augen. "Aber ich habe nie jemandem weh getan. Ich bin der Typ Mann, der Lust im Gesicht seiner Frau sehen will. Keinen Schmerz. Lust.“ Oder auch: "Ich liebe es, wie sich Ihr schmaler Rücken in meinen Händen anfühlt.“ 

Okay, einmal geht noch: "Eine Schlange ist nie gewalttätig, solange sie ihr Ziel verfolgt. Erst, wenn sie ihrer Beute gefährlich nahe kommt, dann erst zeigt sich ihre Gewalttätigkeit.“ Ob man an derartiger Lyrik Spaß hat oder genervt die Augen verdreht, ist wohl Geschmacksache.

Das Rätsel rund um den (angeblichen?) Mordfall Zyair ist eher einlullend und (angenehm!) entspannend als nervenaufreibend, was durch das langsame Annähern der Hauptfiguren und dem schmusigen R'n'B-Soundtrack noch unterstützt wird. Am Ende ist "Mea Culpa" deshalb eher "Netflix & Chill"-Unterhaltung als packender Thriller, zu dem sich besser sinnlich Liebe machen als staunend Popcorn mampfen lässt. Wenn das von Netflix und Tyler Perry beabsichtigt war, ist die Mission vollends aufgegangen.
 

2,5 von 5 Sterne

Für Fans von: "Basic Instinct", "Sliver", "Enthüllung", "Body Chemistry"-FIlmreihe, "Body of Evidence", "50 Shades of Grey", "365 Days"

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