Aimee Lou Wood als Aimee, Asa Butterfield als Otis in "Sex Education"-Staffel 4

Aimee Lou Wood als Aimee, Asa Butterfield als Otis in "Sex Education"-Staffel 4

© Samuel Taylor/Netflix

Filmkritiken

"Sex Education": Ist Staffel 4 der Netflix-Serie zu woke?

Die vierte und letzte Staffel ist so ganz anders als die vorherigen Seasons und spaltet ihre Zuschauer:innen. Hier ist unsere Kritik.

von

Maike Karr
Maike Karr

09/28/2023, 01:21 PM

"Sex Education" hat uns vier Staffeln lang mit dieser offenen und humoristischen Art begeistert und uns gezeigt, wie realitätsnah Teenie-Serien sein können. Nun heißt es Abschied nehmen von Aimee, Adam, Eric, Otis, Maeve und Co.

Ist Staffel 4 ein gelungener Abschluss für die Netflix-Serie? Wir verraten es euch in unserer Kritik

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Wäre Staffel 3 nicht ein besserer Abschluss gewesen? 

Viele Zuschauer:innen und Kritiker:innen warfen den Showrunner:innen vor, dass sie "Sex Education" nicht mit der dritten Staffel haben enden lassen, da das Staffelfinale auch gut als Serienfinale hingehalten hätte – immerhin wurden viele Handlungsstränge beendet, was ein Serienende ermöglicht hätte: Moordale schließt. Maeve geht in die USA. Eric steht zu sich und ist stolz, ein schwuler Mann zu sein.

Hätte es Staffel 4 also gebraucht?

Ja – und zwar, weil in der finalen Staffel nicht nur viele neue Seiten der Netflix-Serie gezeigt werden, sondern auch, weil noch einige Storylines in Staffel 4 zu einem befriedigenden und besseren Ende kommen.

Ohne Staffel 4 hätten wir beispielsweise nie erfahren, was aus Otis und Maeve wird, Eric hätte sich als schwuler religiöser Mann nicht neu definiert, Adam und sein Vater hätten sich nie ausgesprochen, Aimee hätte ihr Trauma nicht überwunden, Ruby wäre nicht zu einer besseren Person geworden und Jean hätte sich nicht einer neuen Herausforderung gestellt.

Ist Staffel 4 "zu woke"?

Staffel 4 bringt auch viele Neuerungen mit sich: das Setting an gleich zwei neuen Standorten (das Cavendish College und die renommierte Uni in den USA), fehlende Personen aus der dritten Staffel und einige neue Figuren, die förmlich nach Diversität schreien: der Transmann Ramon, seine Partnerin und Transfrau Abbi, die asexuelle O und die gehörlose Aisha.

"Sex Education" war mit seiner sexuellen Vielfalt (Stichwort: LGBTQIA+, queer) und seinen Figuren mit verschiedenen Ethnien und körperlichen Beeinträchtigungen schon immer woke, doch in der letzten Staffel präsentiert der rote Streaming-Gigant die Spitze des Eisberges. Wie bereits erwähnt, werden darin diverse Charaktere eingeführt. Doch nicht nur das ist unglaublich politisch korrekt von der Coming-of-Age-Serie, auch die Dialoge sind es. Diese bestehen nun zum Großteil aus sogenanntem "Therapy Talk" – einem Phänomen, in dem jede:r besonders stark auf die Gefühle der anderen Person achtet und so redet, als ob er:sie in Therapie wäre. Jede:r hat das Bedürfnis, jeder:m Lebensratschläge zu geben.

Zwei der neuen Figuren in Staffel 4: Abbi (Anthony Lexa) und Roman (Felix Mufti)

Das lässt die Serie zum einen etwas neuartig erscheinen, zum anderen verliert sie dadurch ihre Leichtfüßigkeit, die sie so besonders gemacht hat (nichtsdestotrotz gelingt es "Sex Education" gerade in den ersten Folgen, einen zum Heul-Lachen zu bringen!).

Es entsteht beinahe das Gefühl, dass Netflix sich absolut politisch korrekt und perfekt verhalten wollte – wie es der Streamingdienst so oft versucht –, und dass es einfach zu viel wurde. Die Darstellung von sensiblen Gesprächen, einer idealen Welt, in der diverse, queere Menschen mit besonderen Bedürfnissen nicht nur wertgeschätzt werden, sondern auch absolute Solidarität erfahren, ist aber natürlich mehr als lobens- und erstrebenswert.

Ncuti Gatwa als Eric Effiong in "Sex Education"

Das, was "Sex Education" ausmacht, ist noch da

Durch ebendiese vielen Neuerungen fühlt sich Staffel 4 fast wie ein Reboot von "Sex Education" an. Von daher kann man verstehen, dass viele die Netflix-Serie nicht mehr wiedererkennen, doch im Kern ist sie noch die gleiche wie vorher: Solidarität über alle Maßen für queere Personen und/ oder Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen, große kitschige Gesten, viel Raum für Akzeptanz, Mitgefühl und Emotionen – und natürlich Gespräche darüber. Auch erste sexuelle Erfahrungen wie zum Beispiel das Verschicken von Nacktfotos und Dickpics wird auf humoristische und explizite – und damit auf die "Sex Education"-Art – Weise behandelt und lehren uns weiterhin das eine oder andere. Das unglaubliche Charisma der Darsteller:innen (allen voran Ncuti Gatwa) und der Charme der Figuren strahlt noch immer stark. 

"Sex Education" ist und bleibt damit der absolute Inbegriff des Begriffes "Safe Space" – ein sicherer Ort für alle, an dem man sich öffnen kann und trotz Makeln und Problemen so akzeptiert und wertgeschätzt wird, wie man ist.

Cal, Jackson und Eric in "Sex Education"

Überfüllte Handlung und überflüssige Handlungsstränge

Die letzte Staffel fühlt sich jedoch etwas überladen an. Man merkt den Folgen an, dass verzweifelt versucht wurde, jeder Figur ihre eigene Storyline zu geben, doch bei einem immer größer werdenden Cast ist das schlichtweg nicht möglich. Dadurch wird bestimmten Themen zu wenig Raum gegeben. Jackson gefällt es etwa, anal stimuliert zu werden, doch was bedeutet das für ihn und seine Sexualität? Außerdem wird Cals schlechter mentaler Zustand immer nur angedeutet, bis seine Depression im Serienfinale als dramatischer Höhepunkt ausufert.

Abgesehen davon hätte man manche Storylines wie den Wettstreit zwischen Otis und O schlichtweg nicht gebraucht: Es hätte einfach zwei Therapeut:innen geben können. So unnötig diese Storyline auch war, so wertvoll war sie aber für Rubys Entwicklung. So konnte sie ihre Überzeugungsfähigkeiten und Intelligenz vorführen und sich außerdem zu einem toleranteren Menschen entwickeln.

Warum es gut ist, dass "Sex Education" mit Staffel 4 endet

Simpel: Den mittlerweile (fast) 30-jährigen Darsteller:innen merkt man in der vierten Staffel an, dass sie keine Jugendlichen mehr sind, sie haben die passende Altersgrenze einfach längst überschritten. Das meinten sie übrigens auch selbst.

Die Serie noch weiter laufen zu lassen, würde demnach zu peinlichen Situationen führen – oder man müsste einen Sprung in die Zukunft wagen und die Highschool-Schüler:innen auf die Universität gehen lassen. Dadurch hätte man aber nicht mehr das gemütliche Setting in Moordale oder die vielen vertrauten Gesichter, die der Alltag in einer Schule in einem englischen Dorf mit sich bringt.

Außerdem soll man ja immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist – und das ist "Sex Education" gelungen. Auch wenn die vierte Staffel in vielerlei Hinsicht so ganz anders ist als die vorherigen Seasons.

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